„Fehlleistung“, „konzeptlos“ oder „vertretbar“?

Das Ergebnis der schwarz-grünen Sparklausur hat SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher als „finanzpolitische Fehlleistung“ bezeichnet. Die Schwerpunkte seien falsch gesetzt. Statt in den Behörden für Haushaltsdisziplin zu sorgen, kassiere der Senat bei den Bürgern ab. Die LINKE spricht von „konzeptlosen Verzweifelungstaten“, die GAL erkennt hingegen ein „Bündel aus vertretbaren Maßnahmen“.

Tschentscher verwies auf die Mehrbelastung für Familien mit Kindern sowie die angekündigten Preiserhöhungen für den öffentlichen Nahverkehr. „Der Senat pflegt schwarz-grüne Spielwiesen, statt die sozialen Aufgaben einer Metropole zu sichern“. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte demgegenüber vorgeschlagen, 10 Prozent der Kosten in den Behördenleitungen einzusparen, die in den vergangenen Jahren zusätzlich angemieteten Büroflächen aufzugeben und die so genannten Rückstellungen für Mehraufwendungen zu reduzieren, aus denen sich die Behörden „nach Belieben bedienen“, wie der SPD-Finanzpolitiker sagte. Es sei darüber hinaus nicht erkennbar, welchen Nutzen die Flut an externen Gutachten, Prüfungen und Beratungen haben, die die Stadt jedes Jahr in Auftrag gibt.

Die Hamburger Haushaltsprobleme seien in großem Umfang hausgemacht und hätten nicht nur konjunkturelle Gründe, betonte Tschentscher. Selbst in Boomjahren habe der Senat durch unkontrollierte Ausgabensteigerungen Defizite erwirtschaftet, statt Schulden zu tilgen. Hinzu kämen die Belastungen einer verfehlten Landesbankenpolitik mit dem gescheiterten spekulativen Börsengang der HSH Nordbank. „Mit überzogenen Renditeforderungen haben die Finanzsenatoren Peiner und Freytag die HSH in die Insolvenz getrieben“, so Tschentscher wörtlich. Dadurch musste die Stadt allein 2008 1,6 Milliarden Euro abschreiben.

Als „schweren Fehler“ bezeichnete Tschentscher die Entscheidung von CDU und GAL, im Doppelhaushalt 2009/2010 1,3 Milliarden mehr Schulden aufzunehmen, als für den Ausgleich der konjunkturellen Mindereinnahmen erforderlich sei. Allein dieses koste pro Jahr 60 Millionen Euro zusätzlicher Zinsen. Auch bei den Investitionen reihten sich die Fehlentscheidungen aneinander: U4, HafenCity Universität, Mehrkosten der Elbphilharmonie, Cruise Center II, Haus des Waldes und unterirdische Schießstände der Polizei. Zudem hätten CDU und GAL eine Diskussion im Haushaltsausschuss über eine wirtschaftliche Realisierung der Stadtbahn verhindert. Das lasse auch für dieses Projekt Schlimmes befürchten.

„Mit dieser Haushaltspolitik fährt Schwarz-Grün die Finanzen der Stadt so gegen die Wand wie die HSH Nordbank.“ Eine künftige Tilgung der Schulden in Milliardenhöhe sei damit völlig unrealistisch. Neben einer konsequenten Haushaltsdisziplin müsse sich der Senat im Bundesrat endlich für eine gerechte Steuerpolitik einsetzen. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer auf hohe Privatvermögen sei überfällig.

Der SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf kritisierte insbesondere die Entscheidung des Senats, den Anstieg der Sozialausgaben – trotz bestehender Rechtsansprüche – begrenzen zu wollen. „Das würde bedeuten, dass gesetzlich garantierte Leistungen künftig gekappt werden. Das wäre ein kaltblütiger Angriff auf den Sozialstaat, der zu mehr Ausgrenzung und Armut in Hamburg führen wird.“

Die SPD-Kita-Expertin Carola Veit sagte, bei den Hilfen zur Erziehung gelte der Grundsatz, „später heißt teurer“. Der Senat habe es jahrelang versäumt, konsequent auf frühe Hilfen zu setzen. „Es gibt deshalb keinen Grund, den erneuten Ankündigungen des Sozialsenators Glauben zu schenken.“ Die Verschiebung des Rechtsanspruches auf Kita-Betreuung ab zwei Jahren sei ein „großer Fehler – auch dieser Fehler wird mit Folgekosten in späteren Jahren bezahlt werden.“

Die Beschlüsse im Bereich der Inneren Sicherheit kommentiert SPD-Innenexperte Andreas Dressel: „Trotz Verzicht auf Schließungen von Polizeiwachen sind die Beschlüsse ein Schlag ins Gesicht derer, die täglich für die Sicherheit Hamburgs den Kopf hinhalten. Vollkommen unverständlich ist mit Blick auf die Einschnitte, dass die aufgeblähten Führungs- und Intendanzstrukturen unangetastet bleiben. Das gleiche gilt für den Plan des Innensenators die Polizei-Reiterstaffel wieder einzuführen.“

Die Fraktion DIE LINKE kritisiert die im Rahmen der heutigen Pressekonferenz vorgestellten Sparmaßnahmen des Senats scharf. Die Rotstiftpolitik des Senats im Betriebshaushalt gefährdet den konjunktu¬rellen Erholungsprozess und führt zu einer weiteren Verschärfung der sozialen Ungleichheit.

Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn erklärt: „Schwarz-Grün hat sich lange geweigert den absehbaren Krisenfolgen Rechnung zu tragen und schon damals an einem Haushalt festgehalten, der bereits bei seiner Verabschiedung Makulatur war. Jetzt präsentiert der Senat ein konzeptloses Bündel von zahlreichen Einzelmaßnahmen, die man nur als Verzweifelungstaten bezeichnen kann. Es kann nicht sein, dass über zahlreiche Gebührenerhöhungen, Belastungen für Sportvereine, Erhöhung der Essenspreise in Kita und Hort, Verschiebung des Kita-Rechtsanspruchs für Zweijährige mal wieder die falschen für die Krise zur Kasse gebeten werden.“

Dr. Joachim Bischoff, Sprecher für Finanz- und Haushaltspolitik: „Das Sparvolumen von 1,15 Mrd. wird einen negativen Effekt auf den wirtschaftlichen Konsolidierungsprozess haben. Man kann sich aus einer Krise nicht raussparen, sondern nur raus wachsen. Die fehlenden Mittel müssen gerade angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation durch Rücklagen und Umschichtungen im Haushalt finanziert werden. Schwarz-Grün sollte sich von seinen Leuchtturmprojekten wie Autobahnbau, Pferderennbahn oder HCU verabschieden, weil der Beitrag zur Stärkung der Regionalökonomie viel zu gering ist.“
De Senat bleibt schon beim Sparvolumen seiner „Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung 2010-2013“ bei seiner Verneblungspolitik.

Im Kern geht es um die Zinsen für einen Großkredit, um die Steuerausfälle von ca. 6 Mrd. Euro zu finanzieren. Sie werden bis 2013 auf 300-500 Mio. Euro taxiert. Zudem sind auch die öffentlichen Unternehmen tief in die roten Zahlen gerutscht. Das führt zu enormen Abschreibungen und Verlusten, die aus dem Hamburger Haushalt ausgeglichen werden müssen. Der Senat rechnet für die nächsten Jahre mit jährlich 100 Mio. Euro Ausgleichszahlungen.

Als zusätzliche Belastung für den Hamburger Haushalt kommt hinzu, dass die Steuergeschenke der Berliner Bundesregierung für das Jahr 2010 zu einem Ausfall von 100 Mio. Euro führen. Die für 2011 geplante Steuerreform würde für Hamburg ein weiteres Loch von 300 Mio. Euro pro Jahr reißen.

Schließlich ist jede Wirtschaftskrise mit höheren Ausgaben verbunden. Viele BürgerInnen verlieren ihren Arbeitsplatz oder erhalten weniger Einkommen, so dass höhere Zahlungen notwendig werden. Diese Summe dieser Mehrbelastungen in den nächsten drei Jahren wird auf 690 Mio. Euro geschätzt.

In der Summe ergibt sich ein Betrag von ca. 1,8 Euro. Der schwarz-grüne Senat spricht aber jetzt von einem Sparvolumen von 1,15 Mrd. Euro, das sich nur aus den Zinsbelastungen und Verlusten der öffentlichen Unternehmen ergeben soll. Da der Verlustausgleich für die HGV mit 400 Mio. Euro angegeben wird, ergibt sich rein rechnerisch eine Zinsbelastung bis 2013 von 750 Mio. Euro. Das ist schlichtweg unseriös. Unseriös ist auch, dass man die krisenbedingten Kostensteigerungen von 690 Mio. Euro im Sozialbereich, die man durch Deckelung einsparen will, nicht als Bestandteil des Sparvolumens ausweist, das damit tatsächlich bei 1,84 Mrd. Euro liegt.

Auch bei den Sparmaßnahmen werden Nebelkerzen gezündet. Da sollen 410 Mio. Euro „durch Einsparungen bei Zinsen, sowie Minderausgaben im Personalbereich und bei IT-Vorhaben“ aufgebracht werden. Da bei seriöser Rechnung bei Zinsen und IT nur begrenzt gespart werden kann, ist sicher, dass die geplanten Einsparungen ganz überwiegend auf Personalabbau hinauslaufen.
Der Rest der Sparsumme von 710 Mio. Euro soll in den Haushalten der Fachbehörden aufgebracht werden. Was das im Einzelnen bedeutet, will im Dunkeln. Sicher ist aber, dass d.h. die Sozialbehörde neben den von ihr eh schon geforderten 690 Mio. Euro an Einsparungen, weitere Mittelkürzungen zu erbringen hat. Der Sozialbereich wird (erneut) zum Hauptsparschwein eins von der CDU geführten Senats.

Diese Konzeption ist volkswirtschaftlicher Unsinn und wird den Krisenprozess deutlich verschärfen. Dabei gibt es Alternativen:

1. Zur Finanzierung müssen alle Investitionen auf den Prüfstand und abgeklärt werden, welchen Beitrag sie zur Stabilisierung der Regionalökonomie leisten und welche Rückwirkungen auf künftige Betriebshaushalte damit verbunden sind.

2. Zudem kann auf die Rücklagen und Stöcke in Höhe von 1,7 Mrd. Euro zurückgegriffen werden, auf deren Entnahme der Senat entgegen seinen ursprünglichen Plänen bisher verzichtet hat.

3. Mittelfristig ist eine nachhaltige Verbesserung der Staatseinnahmen erforderlich. Sie ist auch Voraussetzung dafür, dass die Neuverschuldung der Freien und Hansestadt Hamburg begrenzt bzw. perspektivisch zurückgeführt werden kann. Dies ist durch landesspezifische Maßnahmen und Initiativen auf Bundesebene möglich. Der Senat täte gut daran durch entsprechende Bundesratsinitiativen z.B. zur Widereinführung der Vermögensteuer sich hier für eine steuerpolitische Wende einzusetzen.

Ganz anders sieht es naturgemäß die GAL – hier der Fraktionsvorsitzende im O-Ton:
Kerstan: „Ein Bündel aus vertretbaren Maßnahmen“

Heute hat der Senat die Ergebnisse seiner gestrigen Haushaltsklausur vorgestellt. Jens Kerstan, haushaltspolitischer Sprecher und Vorsitzender der GAL-Bürgerschaftsfraktion, sagte dazu:

„Die Wirtschafts- und Finanzkrise beschert uns schmerzhafte Einnahmeausfälle. Wir haben versucht, dieser Situation mit Verantwortung und Behutsamkeit zu begegnen und ein Bündel vertretbarer Maßnahmen geschnürt. Behutsamkeit heißt, Einschnitte so weit wie möglich zu vermeiden. Stattdessen stellen wir einige geplante Projekte zurück oder statten sie mit etwas weniger Geld aus.

Die Bereiche, von denen Hamburgs Zukunftsfähigkeit abhängt, bleiben von Kürzungen weitgehend ausgespart. Dazu gehören der Schulbereich, hier insbesondere die Bildungsoffensive, und die Universitäten. Auch die Bereiche Sicherheit und Kultur werden nur in geringem Umfang belastet.

Wir haben in unseren Beratungsprozess versucht, die Krise auch als Chance zu begreifen und jetzt sinnvolle Strukturverbesserungen durchzusetzen. Zum Beispiel werden wir im Wohnungsbaubereich auf dem Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum einen großen Schritt vorankommen.

Im Sozialbereich wird es nur wenige reale Kürzungen geben. Stattdessen wollen wir den Anstieg der Kosten bremsen. Dort, wo es dennoch Belastungen geben wird, im Kita-Bereich beispielsweise, nehmen wir die Eltern nur in einem zumutbaren Maß und nach ihren finanziellen Möglichkeiten in die Pflicht. Wir haben eine soziale Staffelung durchgesetzt, so dass es für die Familien mit kleinem Einkommen nur geringe Mehrkosten gibt.

Auch haben wir uns verständigt, bei manchen Einnahmen konsequenter hinzuschauen. Bislang gab es zum Beispiel viel zu wenige Kontrollen von Parkscheinen, was Falschparker begünstigt und ehrliche Zahler benachteiligt hat. Durch eine effizientere Parkraumbewirtschaftung wollen wir die Einnahmen verbessern.

Auf einen Personalabbau über betriebsbedingte Kündigungen verzichten wir ausdrücklich. Es wird auch keine Nullrunde bei den Beamten geben, sondern lediglich ein geringeres Plus bei den Bezügen als ursprünglich geplant.“

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