Auch DGB und LINKE begrüßen Hartz IV-Urteil

Nachdem die SGB II-Verwaltung Ende 2007 vom Bundesverfassungsgericht als mit der Verfassung unvereinbar erklärt worden war (2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04), befanden die Karlsruher Richter am heutigen Dienstag die SGB II-Regelleistungen als nicht verfassungsgemäß (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09). Bis zum 31. Dezember 2010 ist nun der Bundesregierung höchstrichterlich aufgegeben, nicht nur die Verwaltungsstruktur der ARGEn neu zu organisieren, sondern auch die Hartz IV-Regelsätze neu zu bestimmen.

„Das Bundesverfassungsgericht musste wieder einmal der Politik sagen, so nicht. Wir hatten“, so DGB-Nord-Chef Peter Deutschland, „schon seit längerer Zeit kritisiert, dass die jetzigen Hartz IV-Regelsätze für Kinder unzureichend sind und nicht mit der sozialen Wirklichkeit übereinstimmen. Es ist schade, dass die Politik nicht die Kraft hat, aus eigener Erkenntnis heraus zu handeln und politische Entscheidungen zu verändern, sondern erst von dem Verfassungsgericht dazu verurteilt werden muss.“

In Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern leben rund 160.000 Kinder unter 15 Jahren in Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften. Peter Deutschland: „Ich finde diese hohe Zahl von sozial benachteiligten Kindern im Norden erschreckend. Die Lebens- und Berufschancen dieser Kinder werden geschmälert und von Chancengerechtigkeit kann nicht gesprochen werden. Sie sind von vornherein als arme Kinder stigmatisiert“. Es werde viel von der Wissensgesellschaft geredet, aber Talente und Begabungen von Tausenden von Kindern würden brach liegen gelassen. „Das ist inhuman. Das ist gefährlich für die Gesellschaft“, kritisiert der DGB Nord.

Um die Kinder sozial zu integrieren, müsse die erforderliche Anpassung der Hartz IV-Sätze ergänzt werden durch die Eindämmung des Niedriglohnsektors und der Beendigung von Lohndumping. 150.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den drei norddeutschen Bundesländern erhielten so niedrige Löhne, dass sie gleichzeitig Hartz IV-Bedürftige blieben. „Wir fordern Existenz sichernde Löhne. Es kann doch nicht angehen, dass die Steuerzahler draufzahlen müssen, weil es Arbeitgeber gibt, die Niedriglöhne zahlen und sich darauf verlassen, dass der Staat schon Geld dazu gibt“, sagte Deutschland.

Dazu erklärt Wolfgang Joithe, sozialpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE: „Mit dem neuerlichen Richterspruch liegt das rot-grün-gelb-schwarze „Reformwerk“ in Trümmern. Die Kläger haben mit ihren aktuell in Karlsruhe entschiedenen Klagen zu den Hartz IV-Regelsätzen für Kinder und für Erwachsene langen Atem bewiesen. Sie befanden sich zum Teil seit fünf Jahren auf dem Rechtsweg und verdienen unseren Respekt. Das, was Erwerbsloseninitiativen und DIE LINKE seit Jahren anprangern, haben die Verfassungsrichter nun im Wesentlichen bestätigt: Der Eckregelsatz ist über weite Strecken „freihändig“ und „ins Blaue“ – also völlig willkürlich – zu Stande gekommen. Der spezifische Bedarf von Kindern ist überhaupt nicht nachvollziehbar ermittelt worden. Härtefälle finden systematisch überhaupt keine Berücksichtigung.“

Nachdem die Bundesregierung(en) seit dem Inkrafttreten von Hartz IV vor fünf Jahren die schwerwiegenden Einwände von fachwissenschaftlicher Seite und von Seiten der Betroffenen gegen die unzureichende Ausgestaltung der Regelleistungen beharrlich ignoriert hat, muss sie nun bis zum Ende des Jahres den Eckregelsatz transparent und dem tatsächlichen Bedarf entsprechend neu bemessen. Das bedenkliche Ansinnen einer Verfassungsänderung, um die Mischverwaltung bei den ARGEn zu erhalten, ist schon mehr als fragwürdig. Ein solcher „Schachzug“ ist der Bundesregierung in der Frage eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG wegen der sog. „Ewigkeitsklausel“ jedoch ausdrücklich verboten.

DIE LINKE fordert in Übereinstimmung mit den sozialen Bewegungen und Erwerbsloseninitiativen sowohl die Erhöhung der Regelsätze für Erwachsene auf 500 Euro, die sofortige Abschaffung der Sanktionsparagrafen bei Hartz IV, als auch die Abschaffung der Konstruktion der Bedarfsgemeinschaften bei den Grundsicherungen. Kinder und Jugendliche brauchen eine eigenständige Absicherung, die deren Bedarfe sichert.

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