Wie sicher ist die Pille danach?

Ist die Pille danach – gemeint ist nach dem GAU in einem Atomkraftwerk – wirklich sicher? Immerhin 1.728.000 Jodtabletten liegen in Hamburg auf Lager, um im Fall des Falles die Nachbarn im Umkreis von 10 bis 25 Kilometer um den Meiler Krümmel damit zu versorgen. Aber ist die Verteilung sichergestellt? Und wie schnell geht das?

1.728.000 Kaliumjodidtabletten werden in Hamburg für die im Umkreis eines Radius von 10 bis 25 Kilometer um das AKW Krümmel lebende Bevölkerung Hamburgs (ca. 60.000 Haushalte) bevorratet. Eine Vorverteilung der Jodtabletten an Haushalte erfolge im Radius bis zu 10 Kilometern um das Kraftwerk. Im Umkreis von 5 bis 25 Kilometer wird eine „Vorhaltung der Jodtabletten bevölkerungsnah an mehreren Stellen gewährleistet“. Das gelte auch für Einsatzkräfte. Für die Bevölkerung, die außerhalb dieses Umkreises zu Hause ist, werden die Tabletten in zentralen Lagern im gesamten Bundesgebiet gelagert. Dies antwortete der Senat auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ole Thorben Buschhüter und Dr. Monika Schaal.

In einer anderen Anfrage der SPD wurde allerdings mitgeteilt, dass an die Haushalte innerhalb der 10 Kilometerzone „Berechtigungsscheine ausgegeben“ werden. Damit könnten die Jodtabletten in einer Apotheke in Bergedorf abgeholt werden (vgl. Drs. 19/4032, Fragen 11./12.).

„Hier ist unklar, ob die Menschen in dem engeren Radius die Jodtabletten schon haben oder sie erst aus der Apotheke holen müssen“, meint der Umweltpolitiker Ole Thorben Buschhüter und fragt weiter: „Was ist mit den Menschen, die z.B. mitten in Hamburg an der Reeperbahn, also 34 km vom AKW Krümmel entfernt wohnen? Die Menschen dort stellt die Senatsantwort keine Beruhigung dar“, so Buschhüter. Wie lange die Menschen dort und im gesamten Stadtgebiet auf eine Jodtablette in Falle eines Unfalls auf eine Tablette warten müssen und wie sie überhaupt in den Besitz des Medikaments kommen, geht aus den Antworten nicht hervor. „Hier werden wir nachhaken“, so Buschhüter.

Auf die Frage, wie die rechtzeitige Verteilung der Kaliumjodtabletten im Ernstfall sicher gestellt wird, gibt der Senat zur Kenntnis, aufgrund einer ausreichenden Vorwarnzeit werde die betroffenen Bevölkerung rechtzeitig zur Einnahme der vorverteilten Jodtabletten aufgefordert. „Ob die Vorwarnzeiten ausreichen, ist völlig offen“, kritisiert Monika Schaal, umweltpolitische Sprecherin der SPD, den Senat. „Ein neue Berechnung von Greenpeace über die Ausbreitung von radioaktiven Wolken nach einem GAU in Krümmel bleiben beim Austritt von Radioaktivität nach einem kerntechnischen Unfall mit gerade mal 94 Minuten, bis die Wolke zur Reeperbahn gezogen ist. Doch damit hat der Senat sich nicht auseinandersetzt. Wie sollen da die Tabletten rechtzeitig beschafft und ausgegeben werden? Das muss der schwarz-grüne Senat uns erst mal erklären“, so Schaal. „Krümmel darf nicht wieder ans Netz. Denn gegen die Gefährdung durch das AKW Krümmel helfen keine Pillen“, so Schaal.

Hintergrund:

Die Strahlenschutzkommission und die Weltgesundheitsorganisation empfehlen Menschen unter 45 Jahren nach kerntechnischen Unfällen unmittelbar nach der Aufnahmen von radioaktivem Jod (infolge eines Reaktorunfalls mit Austritt von Radioaktivität) 130 mg Kaliumjodid zur Blockade der Schilddrüse einzunehmen (sogenannte Jodblockade). So könne das Risiko eines Schilddrüsenkarzinoms deutlich verringert werden. Denn kurz nach einem Reaktorunfall aufgenommenes nichtradioaktives Jod sättigt die Schilddrüse und verhindert dadurch die Speicherung von radioaktivem Jod, das in großer Menge bei einem Unfall freigesetzt und von der Bevölkerung über die Atemwege aufgenommen wird. Im Regelfall ist eine einmalige Einnahme im Ereignisfall ausreichend. An Haushalte vorverteilt wurde das Präparat Kaliumjodid „Lannacher“ in 65 mg Tabletten. Kaliumjodidtabletten sind ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung auch für jedermann in Apotheken erhältlich. Die Einnahme der Tabletten muss punktgenau kurz vor dem Kontakt mit der Radioaktivität, spätestens innerhalb von einem Tag geschehen. Sonst schützt sie nicht mehr, sondern ist eher schädlich. Zu früh eingenommenen Jodtabletten schaden ebenfalls. Die Kosten für die Tabletten müssen die Kernkraftwerksbetreiber tragen. (Vgl. Empfehlungen der Strahlenschutzkommission vom 24./25. Juni 2004)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.