LINKE will Freiheitsrechte stärken

Die LINKE hat ihre Rechtsgutachten zur Novellierung der Hamburger Polizeigesetze vorgestellt und damit die aus ihrer Sicht dringend notwendige Diskussion über die grundrechtskonforme Ausgestaltung der Polizeigesetze in Hamburg eröffnet.

Das ist die Stellungnahme der LINKEN:

Besondere Brisanz erhält die Diskussion vor dem Hintergrund, dass der lange überfällige, bisher aber nur als Behördenbericht kursierende Evaluationsbericht zu den Polizeigesetzen „Vorschriften in der Praxis positiv bewertet“. Die Gutachten von Rechtsanwältin Ulrike Donat und Rechtsanwalt Carsten Gericke kamen dagegen zu der Schlussfolgerung, dass erhebliche Teile der beiden Gesetze verfassungswidrig sind und die Grund- und Freiheitsrechte in nicht hinnehmbarer Weise be¬schränken.

Vor fast vier Jahren traten mit der Novellierung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) und des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) Regelungen in Kraft, die die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger weiter erheblich einschränkten. CDU und GAL haben im Koaliti¬onsvertrag vereinbart, verschiedene Regelungen an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung anzu¬passen. Das ist nach einem Jahr Koalition immer noch nicht geschehen.

Die Linksfraktion hat sich entschlossen, nicht einfach abzuwarten, bis die Koalition die Gesetzesänderungen irgendwann einmal vorlegt, sondern in die Offensive zu gehen. Sie hat bei namhaften ExpertInnen zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

Ulrike Donat empfahl im Rahmen ihres Gutachtens „Zur Renovierungsbedürftigkeit des Hamburger Polizeirechts – Gutachten unter besonderer Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu polizeilichen Überwachungsmaßnahmen“, dass die beiden Hamburger Polizeigesetze einer gründlichen Revision unterzogen und in einem einheitlichen Polizeigesetz zusammen gefasst werden sollten.

Sie mahnte in zahlreichen Bereichen mehr gesetzgeberische Sorgfalt an, unter anderem in Hinsicht auf die Trennung von präventiven Polizeiaufgaben einerseits und repressiven Aufgaben, Strafverfolgungsvorsorge andererseits sowie beim Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts und beim Schutz des privaten Kernbereichs. Donat kritisierte den Mangel an Verhältnismäßigkeit und Klarheit der Regelungen. Damit verstoßen die Gesetze nicht nur gegen die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Normenbestimmtheit und Normenklarheit, sondern sind von Polizeibeamten in der Praxis kaum rechtskonform anwendbar.

Carsten Gericke stellte fest, dass die Videoüberwachung öffentlicher Räume in Teilen verfassungswidrig ist. Die Aufzeichnung im Rahmen der Videoüberwachung diene überwiegend der Strafverfolgung. Sie gleichwohl als „Nebenprodukt“ einer ansonsten rein präventiven Videoüberwachung zu bezeichnen, kritisierte er als „Etikettenschwindel“. Da der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz in der Strafprozessordnung (StPO) Gebrauch gemacht habe, dürfe Hamburg die dort gezogenen Grenzen nicht unterlaufen. Außerdem sei weder der empirische Nachweis für die kriminalitätsreduzierende Wirkung der Überwachung erbracht, noch seien diese Maßnahmen verhältnismäßig: Gerade Anwohner und Beschäftigte werden ohne jeden Verdacht umfassend überwacht. Abschließend betonte er, dass klare und verfassungskonforme Regelungen „nicht die Polizei ärgern, sondern die BürgerInnen schützen sollen.“

Nach Auffassung der innenpolitischen Sprecherin Christiane Schneider „orientiert sich das geltende Hambur¬ger Polizeirecht nicht mehr an den Prinzipien eines liberalen Rechtsstaates, sondern ist Ausdruck eines prä¬ventiven Sicherheitsstaats und führt auf legalem Weg in einen Polizeistaat.“

„Die vormals geltenden Beschränkungen polizeilichen Eingriffshandelns auf reaktive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr sind aufgehoben. Diese Beschränkungen trugen Befürchtungen Rechnung, dass eine über Ge¬fahrenabwehr und Strafverfolgung hinausgehende Staatsgewalt, statt Sicherheit und Freiheit zu gewährleis¬ten, selbst zu einer Gefahr werden kann. Diese Beschränkungen sind in erheblichem Maße gefal¬len. Die tendenziell entgrenzte Staatsgewalt ist eine Gefahr für die Demokratie. Wir wollen diese Entwicklung umkehren und den Grund- und Freiheitsrechten wieder größtmögliche Geltung verschaffen.“

Zu Recht hatte das BVerfG in der Rechtsprechung zum informationellen Selbstbestimmungsrecht (Volkszäh¬lungsurteil 1983) dieses Recht in Zusammenhang mit dem Grundrecht auf freie Meinung und auf politische Betätigung ohne Angst vor Nachteilen gestellt. („Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jeder¬zeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versu¬chen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Artikel 8, 9 GG) verzichten.“)
Die uferlosen Polizeibefugnisse beeinträchtigen also besonders die Kommunikationsgrundrechte und damit nicht nur die Entfaltungschancen des Einzelnen, sondern ebenso die Funktionsbedingungen einer freiheitli¬chen demokratischen Gesellschaft.

Christiane Schneider:
„Deshalb wird die Auseinandersetzung um die Rückführung des Polizeirechts zu einem unserer Schwerpunkte der nächsten Zeit. Mit ein paar Änderungen der Polizeigesetze ist es nicht getan. Viele Polizeibefugnisse müs¬sen eindeutig begrenzt, viele andere vollständig gestrichen werden: Zum Beispiel Videoüberwachung, automa¬tische Kennzeichenerfassung, präventiver Lausch- und Spähangriff in Wohnungen, Rasterfahndung, Gefah¬rengebiete (PolDVG), aus dem SOG: Aufenthaltsverbot, Langzeitgewahrsam, finaler Rettungsschuss.“

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