Buchenhofwald: Ein Nachruf

„Buchenhofwald“ – das ist schon ein Meilenstein für das Verhältnis der GAL (und der CDU, aber da deckt sich’s eher mit unseren Vorurteilen) zum Volk. Mit allen Tricks werden da Bürger übers Ohr gehauen und unrechtmäßige Zustände zu (Bau-)Recht gemacht.

Die Sache ist entschieden, die Bäume sind weg. Geben wir der Bürgerinitiative das Wort, die gesamte unglaubliche Geschichte noch einmal zu erzählen:

Wussten Sie, dass es in Deutschland ein Bundesland gibt, indem die Regierung fehlerhaftes Verwaltungshandeln im Rahmen einer sogenannten Evokation an sich ziehen kann, so dass ein Rechtsweg gegen dieses fehlerhafte Verwaltungshandeln nicht mehr offen steht?

Wir wussten es auch nicht, haben es aber spüren dürfen.

In Hamburg gibt es ein kleines Buchenwäldchen, wohl der letzte Buchenprimarwald. Keine Bewirtschaftung, viel Totholz, viele hohle Bäume. Sehr viele streng geschützte Tier- und Pflanzenarten fanden hier in Hamburg ihr letztes Refugium. Als der Besitzer des Waldes starb, reichte die Erbengemeinschaft eine Bauvoranfrage ein, die über alle Parteien hinweg, einstimmig abgelehnt wurde. Nein der Wald sollte, so wie es der Senat schon 1997 festgelegt hatte, als Wald planrechtlich gesichert werden.

Also wurde der Wald zum Preis eines Waldes an eine Wohnungsbaugenossenschaft verkauft.

Und was macht diese Wohnungsbaugesellschaft? Sie stellt einen Bauvorbescheidsantrag. Anstatt sich nun mit diesem Antrag auseinanderzusetzen, weist die Schwarz – Grüne Mehrheit den Bezirksamtsleiter an einen Bauvorbescheid zu erlassen, obwohl dies gegen eine Reihe von Rechtsvorschriften verstößt.

Als die Nachbarn und die Einwohner des Bezirkes das mitbekommen ist es schon zu spät. Der wohl nichtige, weil gegen eine Vielzahl von Gesetzen verstoßende Bauvorbescheid ist in der Welt. Weil in Hamburg weder Nachbarn, noch die Naturschutzverbände offensichtlich rechtsfehlerhaftes Handeln der Verwaltung angreifen dürfen, es fehlt am sogenannten subjektiven Rechtschutzbedürfnis, gründet sich eine Bürgerinitiative und führt erfolgreich einen Bürgerentscheid durch.

Über 44.000 Altonaer bzw. über 85% der abgegebenen Stimmen sind dafür, dass endlich ein legales Planverfahren durchgeführt wird, mit dem Ziel, dass die vorhandenen Gesetze auch angewandt werden und das dadurch der Wald durch Bebauung nicht vernichtet werden darf.

Während des Bürgerentscheides erwächst dem Bauverein ein Baurecht. Denn in Hamburg ist es so, dass zweimonatiges Nichtstun der Verwaltung damit belohnt wird, dass aus dem Vorbescheid ein Baurecht erwächst.

Der Antrag der Opposition, doch erst einmal die Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen, wird von Schwarz-Grün weggewischt. Man habe mit dem Investor so lange verhandelt, nun müsse der Investor auch das bekommen, was man ihm versprochen habe. Folgerichtig beanstandet der Bezirksamtsleiter das Ergebnis des Bürgerentscheides, es ist nicht kompatibel mit der politischen Meinung von Schwarz Grün. Formal beanstandet der Bezirksamtsleiter aber, dass er nun zwei entgegengesetzte Rechte zu entscheiden habe, Einleitung eines Planverfahrens aus dem Ergebnis des Bürgerentscheides heraus oder Berücksichtigung des Baurechts durch Zeitablauf.

Auch weiß er nicht, wie er mit der Auflage, dass der Bauträger gesondert einen Fällantrag stellen muss, umgehen soll. Eigentlich könnte er ihn aus der Rechtslage heraus nicht genehmigen. Aber – es gibt ja Urteile, wo das Amt verpflichtet wird, einen Fällantrag zu genehmigen, wenn im Rahmen eines ordentlichen Planverfahrens festgestellt wird, dass es für das Bauvorhaben keine Hinderungsgrüne, z.B. aus dem Naturschutz heraus, gibt.

Netterweise werden die Vertrauensleute des Bürgerentscheids abgefragt, welche Gründe aus ihrer Sicht dafür sprechen, dass der Bürgerentscheid rechtmäßig wäre. Dann wird den Vertrauensleuten auch noch versprochen, dass nicht gefällt wird, bis die Rechtslage geklärt ist – und dann ist Schweigen im Wald – denn der Senat tagt nicht öffentlich, also unterliegt alles, was mit dem Wald zu tun hat, der Geheimhaltung.

Und eines Tages, aus dem heitern Himmel heraus, kreischen die Motorsägen, der Wald wird unter Missachtung vieler Gesetze mal eben platt gemacht. Entsetze Anrufe bei der Polizei ergeben, dass eine Fällgenehmigung vorliege, und der sofortige Vollzug angeordnet sei. Diese Fällgenehmigung hat es in sich.
Statt der beantragten 110 Bäume, müssen 162 Bäume mit einem Stammdurchmesser von 25 bis 95 cm (nach Augenschein sind viele Bäume dicker als 95 cm, aber darauf kommt es nun auch nicht mehr drauf an) gefallt werden. Dünnere Bäume, deren es in diesem über 200 Jahre alten Hochwald doch einige gibt, werden vorsorglich gar nicht erst gezählt.

Die achtseitige Fällgenehmigung liegt schon bei der zuständigen Polizeiwache, obwohl der Senat seine Entscheidung noch gar nicht verkündet hat.

Der sofortige Vollzug wurde angeordnet, weil die Gefahr bestand, dass die Initiatoren des Bürgerentscheides und Nachbarn Rechtsmittel einlegen könnten. Zitat:“Ohne die Ausnutzung der Ausnahmegenehmigung kann das Bauvorhaben nicht realisiert werden.“ Senat und Bezirksamt wissen also, dass das Bauvorhaben bei einer gerichtlichen Klärung keine Chance haben würde.

Nun waren die Initiatoren zuversichtlich, dass nun endlich der Rechtsweg beschritten werden könnte. In Hamburg haben nämlich weder die Bürger noch die Naturschutzverbände die Möglichkeit die ordnungsgemäße Berücksichtigung u.A. der Naturschutzgesetze einzuklagen.

Aber, die große Überraschung: Sowohl das Verwaltungsgericht, als auch das Oberverwaltungsgericht akzeptieren, dass der Senat in Hamburg das Recht hat, sich über eine gerichtliche Klärung zu stellen. Zitat aus dem Beschluss des OVG: „Nach der Gesetzeslage trägt ein Bürgerentscheid die Möglichkeit einer Aufhebung durch Evokation des Senats in sich. Besteht aber der Bürgerentscheid nach der Aufhebung durch den Senat nicht mehr, fehlt es an dem subjektiven Recht der Antragsteller, aufgrund dessen sie die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baumfällgenehmigung durchsetzen könnten.“

Bei diesem Beschluss kommen hunderte von Menschen ins Grübeln. Wie kann es sein, dass ein oberstes politisches Organ in einem Bundesland unbequeme Beschlüsse aufheben kann, und dass dieses Vorgehen nicht einer Überprüfung der Gerichte obliegt?

Die Wurzel des in den anderen Bundesländern nicht bekannten Evokationsrecht liegt im Großhamburg Gesetz aus dem Jahre 1937, welches in Hamburg das Evokationsrecht eingeführt hat, um die politischen Beschlüsse des Senats schnell umsetzen zu können. Unbemerkt, weil auch nicht oft benötigt, ist dieses Evokationsrecht in die Hamburger Verfassung übernommen worden. Dass gerade ein Schwarz Grünes Bündnis solch einen Joker zieht um nicht unangenehme Fragen gerichtlich klären zu müssen, es ist ein Trauerspiel und wird die Politikverdrossenheit in Hamburg noch weiter fördern….

5 Gedanken zu „Buchenhofwald: Ein Nachruf“

  1. Wie hier in Hamburg bei Bürgerbegehren und -entscheiden von Seiten der Verwaltungen und Regierungen getäuscht und getrickst wird, ist unbeschreiblich. Und das nicht nur, um den „störenden“ gegensätzlichen Bürgerwillen zu unterdrücken, sondern auch, um illegale Vorgänge zu vertuschen (siehe Buchenhofwald). Wir müssen erkennen, dass Hamburg nicht demokratisch und rechtsstaatlich regiert wird, sondern eher einer korrupten „Bananenrepublik“ gleicht. Die GAL ist in diesem Zusammenhang derart untragbar für unsere Stadt geworden, dass einem die Worte fehlen…

    Wir brauchen einen Volksentscheid, der das Evokationsrecht des Senates abschafft und den Bürgerbegehren zu der ihnen ursprünglich zugedachten – gerichtlich einklagbaren – Wirksamkeit verhilft!

  2. Über Regenwaldvernichtung regen wir uns auf.
    Aber das ausgerechnet immer Wälder abgeholzt werden, damit Industriebetriebe wie ein schweizer Käse die Wälder durchlöchern ist unbegreiflich. Oder Wälder sogar ganz fallen, ist doch wohl ein unfassbar. Bei mir in Lingen (Ems) wurde vor etlichen Jahren ein 200 ha Wald für den Speichersee (gebraucht für das Kernkraftwerk Emsland) Geeste geopfert (und längst nicht so viel wieder aufgeforstet) und vor kurzem ein Waldstück in Lingen (Ems) für die Industrie geopfert, es waren aber genug andere Gewerbeflächen da. Ich hoffe der schöne Buchenwald den wir hier an der Ems haben bleibt. Der 200 ha Wald für den Speichersee Geeste stand früher mal unter Naturschutz, aber das wird bei solchen Bauvorhaben mal kurz abgeändert.
    Gruß Fox

  3. Danke, endlich mal ein guter Beitrag zu diesem Thema in der Presse, denn jeden HAMBURGER Bürger muss aufgeklärt werden, wie hier Politik gemacht wird.
    Das nächste unnütze Bürgerbegehren auf Steuerkosten kommt bestimmt!
    Es gab schon diverse Fälle dieser Art, mich wundert wirklich, dass es so wenig Widerstand gibt….

    Übrigens soll Hamburg trotz diversen Abholzmassakern nicht nur grüne Stadt, sondern sogar UMWELTHAUPTSTADT werden,
    das muss man sich mal auf der Zunge bzw. im Ohr zergehen lassen.
    Insofern :
    „Hamburgs Beitrag zur Umwelthauptstadt Europas“
    wer es nachlesen möchte:
    http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/1198128/2009-02-23-bsu-umwelthauptstadt.html

  4. Wenn nicht der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beim Bürgerentscheid für ein legales Planverfahren wäre, aber dagegen, hätte das etwas geändert an die Meinungen über demokratische und rechtsstaatliche Vorgänge? Wäre es möglich dass durch das Resultat eines Bürgerentscheid die Verstöße gegen Rechtsvorschriften auf einmal legal sind, oder könnte so ein Resultat auch mit ein Rechtsweg Aufgehoben werden?

  5. Über die Zeitungen erklärt die GAL jetzt, dass sie sich nun intensiver mit dem Thema Volksdemokratie beschäftigen will. Dies ist längst überfällig und wird natürlich sehr begrüßt.

    Die Vorschläge, die die GAL jetzt zur Verbesserung der Volksdemokratie gemacht hat, lenken aber von dem eigentlichen Problem ab. Bei dem Bürgerentscheid zur Rettung des Buchenhof-Waldes ging es nicht darum, ob das Begehren der Bürger ein korrektes Planverfahren durchführen zu lassen, zulässig ist oder nicht. Es ging allein darum, dass Schwarz-Grüne Bauprojekte um jeden Preis durchgeboxt werden – und noch viel schlimmer, das Handeln der Verwaltung einer gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Wenn der Senat das Recht hat, einen Bürgerentscheid aufzuheben, um ein Bauvorhaben durchzuboxen, welches nicht den Anforderungen des heutigen Planrechtes entspricht, und wenn der Senat das Recht hat, einen Bürgerentscheid zu kassieren, ohne dass dagegen ein Rechtsweg gegeben ist, dann kann man auf Volksdemokratie auch verzichten.

    Bürgerentscheide sind Sandkastenspiele, wenn in Hamburg nicht die Gerichte, sondern der Senat als politische Instanz auch bei Bürgerentscheiden das letzte Wort hat.

    Mit freundlichen Grüßen
    Philip Cramer
    (einer der Vertrauensleute des
    Bürgerbegehrens zur Rettung des Buchenhof-Wald)

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