Unsinniger Streit ums Elternwahlrecht

Offenbar herrscht allgemeine Aufregung über den schwarzgrünen Plan, künftige Gymnasiasten am Ende von Klasse sieben verschieden zu behandeln: Mit gleich (schlechten) Zeugnissen müssen die einen gehen, die anderen dürfen bleiben. Aber der Schein trügt – die Regelung ist höchst vernünftig, alles andre ginge zu Lasten des Gymnasiums oder der Schüler.

Darum geht es:

Ein Teil der künftigen Primarschüler weist in immerhin sechs Schuljahren nach, dass ihre Leistungen vermuten lassen, dass sie in den folgenden sechs Jahren am Gymnasium das Abitur erreichen. Sie erhalten deshalb die begehrte Gymnasialempfehlung. Vorausgegangen sind diverse Gespräche, Konferenzen, Beurteilungen. Ist auf diesem Weg das Gymnasium erreicht, herrscht Ruhe – Sitzenbleiben oder Abschulung sind für die nächsten sechs Jahre ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn das Kind im ersten Gymnasiumsjahr die erwarteten Leistungen (noch) nicht bringt. Es wird auf die Urteilsfähigkeit der Primarschul-Lehrer vertraut: Wenn sie nach sechs Jahren sagen, dass das Kind es packen kann, bekommt es seine Chance.

Den anderen Teil der Primarschüler beurteilen die Lehrer am Ende schlechter: Ihnen trauen sie nicht zu, das Abitur in sechs Jahren zu erreichen, für diese Schüler halten sie die Stadtteilschule für den besseren Weg (mit Abiturchance). Auch hier sind jede Menge Gespräche, Konferenzen und Beurteilungen vorausgegangen – selbstverständlich auch mit den Eltern. Wenn diese darauf bestehen, dürfen die Kinder trotzdem zum Gymnasium – für zunächst ein Probejahr, an dessen Ende die Gymnasiallehrer entscheiden, ob das Kind bleiben darf oder nicht. Darf das Kind bleiben, gelten die gleichen Regeln, wie für die andere Gruppe: Keine Abschulung, kein Sitzenbleiben. Muss das Kind gehen, bleibt die zweite Abi-Chance auf der Stadtteilschule. Hier sind die Primarschul-Lehrer (nach sechs Jahren) und die Lehrer des Gymnasiums (nach einem Jahr) gleichermaßen sicher, dass das Kind es auf dem Gymnasium nicht schafft. Da ist dann das Ende der Fahnenstange erreicht.

Ungleichbehandlung? Ja, schon, aber es sind ja auch Kinder mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen, und „Gleichmacherei“ gilt doch eigentlich bei den Gegnern der Schulreform als Schimpfwort.

Soll man ein Kind, das sechs Jahre lang gute Leistungen an der Primarschule gebracht hat, aus dem Gymnasium verweisen, weil es dort im ersten Jahr nicht gleich erfolgreich war?

Soll man ein Kind, das in den ersten sechs Jahren nicht überzeugt hat und im ersten Gymnasiumsjahr auch nicht, trotzdem auf dem Gymnasium lassen? Vielleicht – aber dann hätte man „Eine Schule für Alle“, weil auf diesem Weg jedes Kind auf das Gymnasium gehen und dort bleiben könnte.

Nein – wenn man zwei Säulen will, mit gleichermaßen starken Gymnasien und Stadtteilschulen, dann führt an einer professionellen „Vorsortierung“ der Kinder kein Weg vorbei. Dass den Eltern jetzt noch eine Eingriffsmöglichkeit gegeben wird, trägt zum viel beschworenen Schulfrieden bei. Dass eine der beiden Seiten dies – wir unterstellen: wider besseres Wissen – skandaliert, zeigt deutlich, dass es ihr offensichtlich um andere Dinge geht.

6 Gedanken zu „Unsinniger Streit ums Elternwahlrecht“

  1. Also geht es bei dieser Schulreform doch nur um das Sortieren der Schüler; nur soll es „professioneller“ erfolgen.
    Die Kinder, die dann an das Gymnasium gehen, ohne eine Empfehlung zu haben, sind die dann eigentlich – so rein juristisch – vorbestraft oder nur auf Bewährung?

  2. Lieber Matthias, ich weiß nicht, ob Sie nicht begreifen wollen oder können: Charlotte hat’s doch hinreichend erklärt. Zwei Wege zum Gymnasium: Einmal nach sechsjähriger Beobachtung am Ende der Primarschule, und das dann endgültig und ohne Rauswurf-Möglichkeit. Oder, meinertwegen als „Bewährung“: Trotz schlechter Prognose die Chance, ein Jahr lang zu zeigen, dass das Kind doch tauglich ist für den kurzen Weg zum Abitur. Und wenn das nicht klappt, nimmt es halt den längeren Weg – was ist daran so schlimm?

  3. Weshalb bietet denn die Stadteilschule überhaupt das Abitur an? Wenn doch die Lehrer in Zukunft zu 100% sicher bestimmen können welches Kind das Abitur schaffen kann, dann wird ja auf der Stadtteilschule keines mehr sein welches diese Qualifikation hat. Logisch, oder? Das der Weg zum Abitur auf der Stadteilschule 1 Jahr länger dauert dürfte an der Intelligenz der Kinder ja erst einmal nichts ändern. Bei jedem Kind das auf der Stadteilschule das Abitur macht haben die Lehrer der Primarschule mit Ihren Tests versagt. Es sei denn die Stadtteilschulen werden mit begabten Kindern „aufgefüllt“ damit sie ihre Daseinsberechtigung behalten. Dann sind wir wieder genau an dem Punkt der das Elternwahlrecht zwingend notwendig macht. Die Kinder sollen doch nicht zum Spielball der Politik werden und genau das wird bei diesem Konzept passieren. Welche Stadtteilschule kann denn eine Oberstufe anbieten, in der nur 3-5 Kinder sind bei denen die Primarschullehrer falsch gelegen haben. Wer tatsächlich glaubt daß Frau Götsch das Risiko eingeht, daß die Stadteilschulen aufgrund eines Mangels an qualifizierten Schülern keine vernünftige Oberstufe anbieten können, der geht ein hohes Risiko ein. Sie wird um ihres Erfolges willen dafür sorgen müssen, daß genügend begabte Kinder auf die Stadtteilschulen geschickt werden. Falls sie das nicht macht würde ihre Reform als gescheitert gelten. Das sog. Elternwahlrecht nach der 6. Klasse ist doch reiner Populismus. Da geht es doch nicht um die Sache sondern nur darum die starke Stimme der Reformgegner zu unterlaufen. Ich hoffe das wird nicht gelingen.

    Solange wie mir niemand erklären kann was ein Legastheniker und ein Hochbegabter davon haben wenn sie in Zukunft zwei weitere Jahre zusammen an einem Tisch sitzen müssen, kann ich an einer 6-jährigen Primarschule nichts positives finden (übrigens hat ein Lehrer 1,4 Min. pro Schulstunde Zeit sich individuell mit jedem Kind auseinanderzusetzen – das läßt den sog. individualisierten Unterricht ziemlich lächerlich erscheinen)

  4. Torsten, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich glaube, Sie haben keine Ahnung, wovon Sie da schreiben.

    Nein, es ist nicht logisch, dass die Prognose falsch war, wenn ein Kind auf der Stadtteilschule Abitur macht. Es ist doch ein Unterschied, ob das Kind dazu sechs Jahre (auf dem Gym) oder sieben Jahre (auf der Stadtteilschule) Zeit hat – oder finden Sie 16 % mehr Unterricht völlig nebensächlich?

    Insofern sind auch die Folgerungen hinsichtlich „Spielball der Politik“ oder hinsichtlich der Oberstufe falsch. Nach Ihrer Logik hätte es bisher auch keine erfolgreichen Oberstufen an Gesamtschulen geben dürfen – gibt es aber in der ganzen Stadt.

    Was den letzten Absatz angeht, lade ich Sie herzlich ein, sich an unserer Schule anzusehen, was die beiden voneinander haben. Ich kann Ihnen das allerdings bisher nicht in einer sechsten Klasse bieten, die haben wir ja noch nicht, aber in einer jahrgangsübergreifenden 3/4. Sie sind herzlich eingeladen: schule@hh-heute.de .

    Dann werden Sie auch verstehen, warum Ihre Rechnung (1,4 Min. pro Kind) so gar nichts mit der Wirklichkeit in einer modernen Grundschule zu tun hat – wenn ein Kind es braucht, weil es für sein Problem bei den Klassenkameraden gerade keine Hilfe findet, hat es die Lehrerin durchaus auch zehn oder 15 Minuten für sich allein. Dafür wird es in anderen Stunden (fast) ganz ohne Erwachsenenhilfe auskommen.

    „Lächerlich“ mag individualisierter Unterricht dem erscheinen, der ihn nicht kennt. Darüber zu reden ist ein wenig, als wollte man einem Blinden von Farben reden. Kommen Sie, schauen Sie – und wenn Sie dann nicht überzeugt sind, können Sie solche Kommentare schreiben. Aber sonst sollten Sie es lassen.

  5. @Michael Hartwig
    Lassen Sie solche Leute wie „Torsten“ doch ihre Vorurteile pflegen – das ist vergebene Liebesmüh. Ich wette, dass er sich nicht meldet, um Ihre Schule anzusehen.

    Dann wäre doch theoretisch ein Besuchstermin frei – darf ich mit meiner Frau kommen? Unser Kind kommt 2011 zur Schule, und wir würden uns gern individualisiertes Lernen und jahrgangsübergreifendes Lernen ansehen! Ich melde mich noch einmal auf der o.a. Email-Adresse!

  6. Hallo Herr Cortz,
    wenn Sie in der Schule von Herrn Hartwig keinen Termin bekommen- es gibt in HH viele andere Schulen, die schon reformpädagogisch arbeiten und viel Erfahrung haben- dort sind Hospitanten eigentlich immer willkommen!
    Am Besten Sie rufen bei einer Schule in Ihrer Nähe an und fragen nach!

    Einen Satz zu Herrn Torsten: Ich finde, man muss ihm seine Vorstellung von individualisiertem Unterricht nachsehen, denn er denkt in herkömmlichen Strukturen: 1 Lehrer 25 Schüler durch 45 Minuten. Hier muss man umlernen, denn so wird wie gesagt an vielen Schulen schon lange nicht mehr unterrichtet.
    Es geht noch ein weiterer Mythos um: unter individualiesiert verstehen viele, dass es bei 25 Schülern 25 Lehrer geben müsse- auch das ist falsch- auch da hilft es, sich Schulen anzuschauen und live zu erleben, wie neues Lernen gelingt.

    Ich spreche aus der eigenen Erfahrung mit zwei Kindern an einer Reformschule!!!

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