Rechtsordnung über kulturelle Traditionen stellen

In der Abscheu über den Mord an der jungen Afghanin Morsal O. sind sich die meisten Hamburgerinnen und Hamburger einig. Wir haben uns auf dieser Seite in dieser Frage bisher zurückgehalten: Weil es – aus unserer Sicht – verlogen ist, den sogenannten Ehrenmord zu verurteilen, aber alltägliche Gewalt gegen Mädchen und Frauen zu tolerieren. Wer jähzornig Bad-Türen eintritt oder seine Freundin wegen vermeintlichen Fehlverhaltens öffentlich prügelt, sollte sich mit schnellen Verurteilungen zurückhalten. Im Anhang Stellungnahmen von Zaman Masudi und Kersten Artus (LINKE) und Michael Neumann (SPD).

Neumann: Gewalttaten auch Ergebnisse falscher Multi-Kulti-Liberalität

Aus Sicht von SPD-Fraktionschef Michael Neumann ist die Gewaltserie der vergangenen Tage auch ein Resultat eines zu langen Wegsehens bei Problemen der Integration. „Es hat in unserer Gesellschaft zu lange die Hoffnung gegeben, Multi-Kulti werde die Probleme der Integration irgendwie überwinden. Und ein entschlossenes Eintreten für Recht und Gesetz ist zu lange als reaktionär diskreditiert worden“, sagte Neumann. Die Politik müsse verstärkt auf die Organisationen von Zuwanderern zugehen und einwirken. Diese seien nach seiner Einschätzung bereit, sich unmissverständlich für die geltende Rechtsordnung einzusetzen.

Neumann sagte, er persönlich hoffe im Fall des Mordes an der gebürtigen Afghanin Morsal O. auf ein „unmissverständliches Urteil“. Wer in Deutschland seine Heimat gefunden habe, sei willkommen. „Es muss aber klar sein, dass kulturelle Identität nicht über die geltende Rechtsordnung gestellt werden darf. Und es muss klar sein, dass der demokratische Staat auf massive Rechtsbrüche auch massiv zu reagieren bereit ist.“ Auch Integration von Menschen mit Zuwanderungshintergrund sei ein Fördern und Fordern. „Das heißt: Der Staat muss etwa mit Sprachkursen oder anderen Angeboten die Integration fördern. Er muss aber – möglicherweise mehr als bislang – auch die unbedingte Akzeptanz der Rechtsordnung einfordern.“

Aus Sicht von Neumann bekommen in diesem Zusammenhang Verbände und Organisationen von Migranten eine erhöhte Bedeutung. Er forderte alle politisch Verantwortlichen auf, verstärkt das Gespräch mit den Vertreterinnen und Vertretern dieser Organisationen zu suchen. Neumann selbst hatte in den vergangenen Monaten Treffen verschiedener Verbände im Rathaus initiiert. Ein weiterer Gedankenaustausch soll folgen.

Wir verurteilen jegliche Gewalt gegen Frauen

In der letzten Woche wurde die 16-jährige Deutsch-Afghanin Morsal von ihrem 23-jährigen Bruder in Hamburg getötet. Die Bürgerschaftsfraktion und der Landesverband Hamburg DIE LINKE sind zutiefst betroffen und entsetzt über diese Tat.

Die Landesprecherin der LINKEN, Zaman Masudi, und die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion *Kersten Artus* erklären: /“//Gezielte Gewalt gegen Frauen gibt es überall auf der Welt und ist Ausdruck der patriachalen Strukturen der Gesellschaft. Diese unfassbare Tat zeigt leider, dass Mädchen und Frauen auch in dieser Stadt unzureichend vor männlicher Gewalt, gerade und vor allem in der Familie, geschützt werden. Wir warnen davor, den Mord an der 16-jährigen Morsal zum Anlass zu nehmen, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu schüren. Wenn ein deutscher Mann seine Frau erschlägt, wird von einem Familiendrama gesprochen, wenn ein österreichischer Mann seine Tochter 24 Jahre lang lebendig beerdigt, wird er zum Monster tituliert. Wenn aber ein ausländischer Mann seine Frau oder Schwester tötet, wird ganz schnell Abschiebung gefordert und die tat als „kulturelle Eigenart“ begründet. Gewalt gegen Frauen darf nicht mit kulturellen
Eigenarten begründet werden. Gewalt gegen Frauen ist ein Kapitalverbrechen – egal wie sie benannt wird – ob Ehrenmord, Inzest, Vergewaltigung, erweiterter Suizid.

DIE LINKE. Hamburg fordert eine ausreichende, kontinuierliche und abgesicherte Finanzierung für Schutzräume, unter anderem Frauenhäuser sowie ein gesichertes Aufenthaltsrecht für Frauen, unabhängig von Status der Ehemänner. Außerdem benötigt Hamburg spezielle Schutzräume für Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund, einen Ausbau von interkulturellen Beratungsstellen. Wir plädieren zudem für Präventionskampagnen in Schulen zu Vorurteilen und Rollenzuweisungen und/oder Plakataktionen nach Berliner Vorbild: Ehre ist, für die Freiheit meiner Schwester zu
kämpfen.

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