Nord: Streit um Bezirksamtsleitung

In der der Bezirksversammlung Hamburg-Nord streiten sich die Fraktionen um eine wichtige Personalie: CDU und GAL, die kurz vor Abschluss ihres Koalitionsvertrages stehen, wollen eine Person nach eigenem Gusto, während SPD und LINKE auf Fortsetzung der begonnenen Ausschreibung bestehen. Wir dokumentieren drei Positionen.

Aus der Pressemitteilung der SPD:

In der Sitzung der Bezirksversammlung Hamburg-Nord haben sich Schwarz-Grün – vor Abschluss eines Koalitionsvertrages – noch schnell die wichtige Position des Bezirksamtsleiters reserviert. Die beiden Fraktionen setzten mit ihrer Mehrheit einen Verzicht auf eine Ausschreibung der Position des Bezirksamtsleiters durch.

„Es wird eine überzeugende Persönlichkeit werden“ so die Fastkoalitionäre. Leider konnten, oder wollten sie das Geheimnis; wer denn nun KandidatIn wird nicht lösen.

„Transparente Entscheidungen sind die Grundlage unserer Demokratie“ so der SPD Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kopitzsch: „Gegen diesen demokratischen Grundgedanken verstoßen die Mehrheitsfraktionen mit ihrer Hinterzimmerpolitik in geradezu eklatanter Weise.

Es ist besonders unerfreulich, dass beide Fraktionen noch vor relativ kurzer Zeit es als Selbstverständlichkeit angesehen haben, eine solche Leitungsaufgabe öffentlich auszuschreiben. Das würde auch dem bundesweit geübten Standard entsprechen“.

Pikant an der jetzigen Beschlusslage ist, dass die zuständige Finanzbehörde schon seit langem mit der Ausschreibung begonnen hat.

Es gibt hier durchaus ernsthafte Zweifel, ob ein Verzicht auf eine Ausschreibung überhaupt noch möglich sei. Bei Schwarz-Grün werden solche Probleme zur zeit zwar mit Geheimabsprachen geregelt, die SPD Fraktion wird dieses aber auch noch eigenständig juristisch prüfen lassen.

Hingegen erklärt die GAL:

Auf der gestrigen Sitzung der Bezirksversammlung haben mit Hinweis auf die fast
abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen CDU und GAL den Verzicht auf eine Ausschreibung
der Position der Leitung des Bezirksamtes beschlossen. Das Gesetz sieht diese Möglichkeit
ausdrücklich vor.

Dazu der Fraktionsvorsitzende der GAL, Holger Koslowski: „Mehr als fünfzig Jahre hat die
SPD die Bezirksamtsleitung aus ihren Reihen gestellt. Das Wahlergebnis hat der SPD
inzwischen eine Rolle als Opposition zugewiesen. Heute kritisiert die SPD im Bezirk ein
Verfahren, das sie früher bei der Wahl ihrer Kandidaten völlig selbstverständlich in
Anspruch genommen hat.“

Die LINKE meint:

DIE LINKE in der Bezirksversammlung Nord kritisiert heftig, dass CDU und GAL offensichtlich einen noch namenlosen Kandidaten ihrer Wahl alternativlos durchpeitschen wollen. „Ein solcher Bezirksamtsleiter wird sich kaum um Bürgerbeteiligung kümmern, sondern sich ausschließlich an den Machtverhältnissen in der Bezirksversammlung orientieren“, erklärt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN Angelika Traversin.

Der linke Abgeordnete Franz-Josef Peine kritisierte schwarz-grün mit heftigen Worten: „So undemokratisch wie Sie könnte ich nicht mal besoffen sein.“

Als höchst interessant bewertet DIE LINKE Redebeiträge aus Kreisen der GAL und CDU, die nahe legen, die Bezirksversammlung sei ein Parlament und der Bezirksamtsleiter eine Art Bezirksbürgermeister. „Wollen die beiden etwa per Verfassungsänderung endlich die Rechte der Bezirke nach dem Vorbild Berlins stärken?“ fragt der linke Abgeordnete Franz-Josef Peine. Dies fordert DIE LINKE auch in Ihrem Hamburger Wahlprogramm.

„Oder ist dies wieder nur die alte Masche: im Bezirk bürgernah reden und dann in der Bürgerschaft alles beim alten belassen?“ fragt Traversin.

2 Gedanken zu „Nord: Streit um Bezirksamtsleitung“

  1. Aus der Pressemitteilung der GAL:

    „Dazu der Fraktionsvorsitzende der GAL, Holger Koslowski: “Mehr als fünfzig Jahre hat die SPD die Bezirksamtsleitung aus ihren Reihen gestellt.“

    Offenbar kann Herr Koslowski nicht rechnen, denn die SPD stellt seit 1973 den Bezirksamtsleiter. Das sind aber sogar weniger als 40 Jahre. Der von 1955 bis 1973 amtierende Bezirksamtsleiter Kurt Braasch hatte hingegen sein Amt als Mitglied der reaktionären „Deutschen Partei“ zu Zeiten bekommen, als der sogenannte Hamburg-Block (CDU, FDP, Deutsche Partei) unter Kurt Sieveking die Mehrheit stellte.

  2. Als Sohn des verstorbenen Kurt Braasch kann ich versichern, dass obige Feststellung, Kurt Braasch sei Mitglied der Deutschen Partei gewesen, absoluter Unsinn ist. Mein Vater hegte einen gewissen öffentlichen Stolz, dass er als einziger der damaligen Bezirksamtsleiter keiner Partei angehörte, während, bis auf Helge von Beust (Wandsbek)CDU, alle anderen Bezirksamtsleiter der SPD angehörten. Der Senat (sehr prägend der Senatssyndikus Harder als zuständiger Fachbeamter)pflegte Verwaltungsjuristen zu ernennen, was er auch ungehindert konnte, da die bezirksversammlung nur eine Meinung abgab, aber die Bezirksamtsleiter nicht wählte.

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