Erhaltungsverordnung im Schneckentempo

Zurückhaltend hat SPD-Stadtentwicklungsfachmann Andy Grote auf die Ankündigungen der Prüfung einer Sozialen Erhaltungsverordnung für St. Georg reagiert: Das Verfahren laufe im Schneckentempo. Ähnlich äußerte sich für die LINKE Dr. Joachim Bischoff.

Grote: „Das Verfahren läuft quälend langsam. Seit spätestens September 2009 liegt die positive Voruntersuchung aus dem Bezirk Mitte bei Stadtentwicklungssenatorin Hajduk auf dem Tisch. Nach fast einem Jahr Stillstand wird nun die nächste Untersuchung eingeleitet. Das ist inakzeptabel langsam. Was hat Senatorin Hajduk seitdem getan, wenn ihr das Thema angeblich doch so sehr am Herzen liegt?“ Die elend lange Verfahrensdauer lasse sich auch nicht durch bundesgesetzliche Vorgaben rechtfertigen. München schaffe in wenigen Monaten, wofür der Senat mehrere Jahre braucht.

„Soziale Erhaltungsverordnungen sind ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Verdrängungstendenzen. Die von diesen Tendenzen betroffenen Bezirke machen seit langem Druck. Der Senat verschleppt das Verfahren aber mehr als er es fördert. „Seit Sommer 2009 liegen der Stadtentwicklungsbehörde die positiven Ergebnisse der Voruntersuchung vor. Der Senat hat fast ein ganzes Jahr gebraucht, um zu entscheiden, dass er selbst nun auch eine Untersuchung durchführen will. Das ist angesichts der weiter laufenden udd – wie Senatorin Hajduk heute betonte – weiter beschleunigenden Verdrängungsprozesse in St. Georg und anderen Stadtteilen unfassbar langsam!

Wenn der Senat nun erst für April 2011 das Inkrafttreten der Erhaltungsverordnungen in Aussicht stellt, bedeute dies etwa für St. Georg eine Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren seit dem Ursprungsbeschluss der Bezirksversammlung im Jahre 2008. Das ist den betroffenen in den Stadtteilen nicht vermittelbar. Die Bewohner der betroffenen Quartiere brauchen schnelle Unterstützung. Wieder einmal fehlt es der Senatorin an der notwendigen Entschlossenheit und Prioritätensetzung“, bedauerte Grote.

Er verwies auf die Bearbeitungszeit in München. Dort dauere das Verfahren zum Erlass sozialer Erhaltungsverordnungen nur wenige Monate. In der bayerischen Landeshauptstadt gebe es bereits 15 solcher Verordnungen. „Die Senatorin kann die Verzögerung deshalb auch nicht durch bundesgesetzliche Vorgaben rechtfertigen, die gelten in München auch. Der Senat sollte sich an München ein Beispiel nehmen. Er muss die Verfahren beschleunigen. Sonst kommen die Verordnungen für die Menschen zu spät, die von Verdrängungstendenzen bedroht werden“, sagte Grote.

Bei Joachim Bischoff (LINKE) bekommt auch der Bezirk Mitte sein Fett weg:

„Dass nun die zweite (Prüfungs-) Phase hinsichtlich einer sozialen Erhaltungsverordnung eingeleitet wird, ist für viele St. GeorgerInnen und ihre Initiativen ein Erfolg. Es ist insbesondere dem Einwohnerverein St. Georg zu verdanken, dass dieses Thema seit Ende der neunziger Jahre dauerhaft am Kochen gehalten wurde. Im Frühjahr 2002 war es ja sogar schon einmal soweit, dass nicht nur der Stadtteilbeirat, sondern ein von der Stadtentwicklungsbehörde beauftragter Gutachter zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen war, eine soziale Erhaltungssatzung schnellstmöglich zu realisieren. Doch damals scheiterte die Einführung an der bezirklichen Mehrheit aus SPD und CDU. Wenn jetzt offenbar ein Umdenken eingesetzt hat, ist das zu begrüßen“, erklärt Dr. Bischoff.

Der Vertreibungsdruck in St. Georg hätte schon vor acht Jahren maßgeblich reduziert werden können. Seit dem Jahr 2000 sind nach Angaben von Frau Hajduk 66 Wohnhäuser umgewandelt worden. Aus den rund 500 bis 600 überwiegend günstigen Mietwohnungen – gut 10 % des gesamten Wohnungsbestandes in St. Georg – sind inzwischen z.T. sehr
teure Eigentumswohnungen mit Spitzenwerten von bis zu 6.000 Euro je Quadratmeter geworden. Dies ist zu einem Gutteil der Bezirks- und Senatspolitik der vergangenen Legislaturperioden zu ‚verdanken‘: die Verdrängung von Hunderten, weniger betuchten St. GeorgerInnen, die aus ihren Wohnungen herausgeflogen sind und mit weit überdurchschnittlich steigenden Mietpreisen konfrontiert werden.“

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