Kienscherf: Mindestlohn für Pflegebranche

SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf hat vor einer weiteren Verschärfung der Situation in der Hamburger Pflege gewarnt. „Hamburg ist vom aktuellen Scheitern der Verhandlungen über einen Mindestlohn in der Pflegebranche besonders betroffen. Und Hamburg drohen jetzt Qualitätseinbußen in der Pflege“, sagte Kienscherf.

Skeptisch äußerte er sich zu Plänen der Bundesfamilienministerin, die Angehörigen ermöglichen will, zwei Jahre lang mit Lohnausgleich Verwandte zu pflegen. Grundsätzlich sei es zwar richtig, die Vereinbarkeit von Pflege naher Angehöriger und eigener Berufstätigkeit gesetzlich zu verankern. „Nicht in Ordnung ist es aber, insbesondere Frauen in die Falle der Altersarmut laufen zu lassen – durch Einbußen in der Rente“, sagte Kienscherf.

In den rund 500 Hamburger Pflegeeinrichtungen arbeiteten mehr als 8500 Fachkräfte. Nur noch knapp 20 Prozent der Beschäftigten in der ambulanten Pflege in Hamburg würden nach Tarif bezahlt. „Diese Menschen machen einen harten und wichtigen Job. Sie fühlen sich jetzt zu Recht vor den Kopf gestoßen.“ Das Thema „Mindestlohn für die Pflegebranche“ bleibe für die SPD auf der Tagesordnung, sagte Kienscherf.

Aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen verabschiedeten sich immer mehr Pflegeanbieter aus den Tarifverträgen. Nach Untersuchungen des Berufsverbands für Pflegeberufe muss in Hamburg zwischen jede dritte Pflegekraft mit sittenwidrigen Löhnen auskommen. „Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns würde hier Abhilfe schaffen und ein Lohndumping in der Pflege verhindern“, sagte Kienscherf.

Selbst Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) vertrete den Standpunkt, dass ein Mindestlohn finanzierbar ist, betonte Kienscherf. Wersich hatte gesagt, die Finanzierung der Pflege stelle kein Problem dar. „Wenn das so ist, dann sollte der Senator seinen Worten auch Taten folgen lassen und sich endlich zu einem Mindestlohn bekennen“, forderte der SPD-Sozialexperte.

Die Initiative der Bundesfamilienministerien klinge gut, berge aber Risiken. „Meist sind es Frauen, die Angehörige pflegen. Viele von ihnen haben bereits Kinder erzogen und deshalb weniger in Rentenversicherung und private Altersvorsorge eingezahlt. Ein zweites Aussteigen aus einem bezahlten Job kann für diese Frauen zu erheblichen Einbußen bei der Rente führen. Hier muss eine vernünftige Regelung her, bevor die Ministerin ihre Pläne umsetzt“, sagte Kienscherf.

Er nannte drei Voraussetzungen, unter denen man das Thema der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf diskutieren sollte: So müsse sicher sein, dass aus einer Wahlmöglichkeit auch in Zukunft kein Zwang wird. „Es muss ausgeschlossen sein, dass die Kostenübernahme der Pflegekassen für ambulante oder stationäre Pflege irgendwann davon abhängig gemacht werden können, ob Kinder oder andere nahe Angehörige gibt, die zur Pflege herangezogen werden könnten.“

Auch die Angehörigenpflege müsse fachlich ordentlich durchgeführt werden. „Das bedeutet: professionelle Anleitung, Unterstützung und Begleitung muss gewährleistet sein – im Interesse der Pflegebedürftigen wie der Pflegenden.“ Wer erwartet, dass Pflegende deutliche Lohn- und Gehaltseinbußen in Kauf nehmen, um die Eltern zu pflegen, „der muss – wie bei der Elternzeit – das Thema Rente und Rentenanwartschaften ernst nehmen und eine Regelung finden, die den Rentenanspruch des Pflegenden aufrecht erhält“.

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