SZ-Journalisten lehnen Nannen-Preis ab

Eklat bei der Verleihung des Henri-Nannen-Preises im Schauspielhaus: Drei ausgezeichnete Redakteure der „Süddeutschen Zeitung“ ließen die Büste stehen – weil die Jury diesmal auf die spektakuläre Idee gekommen war, in derselben Kategorie auch Macher der BILD-Zeitung zu ehren. Was hätte wohl Henri Nannen dazu gesagt?

„Wirbel um Privatkredit – Hat Wulff das Parlament getäuscht?“ lautete der BILD-Bericht aus dem Dezember 2011 zum Skandal um den früheren Bundespräsidenten. Dafür erhielten die „Bild“-Schreiber Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch den Nannen-Preis und die Bronzebüste „Henri“ – schon bei der Nominierung hatte es Buhrufe aus dem Publikum gegeben, wo der eine oder andere Zuschauer der Aufführung wohl auch die zahlreichen Rügen des Presserats gegen das Blatt in Erinnerung hatte.

Es werde eine Kampagne des Boulevards statt seriösem Journalismus gewürdigt, meinte Antje Vollmer, bis 2005 Vizepräsidentin des Bundestags, in einem Gastbeitrag für die FR, die Ehrung sei ein Ritterschlag für Bild-Chef Diekmann und zugleich ein Alarmsignal: „Davon wird sich der Henri-Nannen-Preis nicht erholen.“ Auch die „Nachdenkseiten“ fragten die Jury, ob sie wisse, was sie da tue.

Da fügte es sich irgendwie, dass heute ebenfalls in der Kategorie „Beste investigative Leistung“ die SZ-Redakteure Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter ausgezeichnet werden sollten – sie hatten die „Formel-1-Affäre“ bei der BayernLB enthüllt. Als sie nach den BILD-Leuten auf die Bühne gebeten wurden, lehnte Leyendecker die Auszeichnung aus Protest ab, auch im Namen seiner Kollegen.

Und die Medienstadt Hamburg bekam so eine gepfefferte neue Schlagzeile.

Der Verlag Gruner + Jahr und das Magazin stern vergeben den Henri-Nannen-Preis jedes Jahr als Auszeichnung für die besten journalistischen Arbeiten in deutscher Sprache.

Der Jury, die Texte und Preisträger auswählte, gehören an: Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur Die Zeit), Helmut Markwort (Herausgeber Focus), Georg Mascolo (Chefredakteur Der Spiegel), Thomas Osterkorn (Chefredakteur Stern), Jan Eric Peters (Chefredakteur Welt-Gruppe/Axel Springer), Ines Pohl (Chefredakteurin taz), Ulrich Reitz (Chefredakteur Westdeutsche Allgemeine Zeitung), Nils Minkmar (Ressortleiter Feuilleton Frankfurter Allgemeinen Zeitung), Felix E. Müller (Chefredakteur Neue Züricher Zeitung am Sonntag), Richard David Precht (Autor), Anja Reschke (Moderatorin).

Berichten zufolge hatte Jury-Mitglied Peter-Matthias Gaede (Chefredakteur Geo) bereits vor dem Festakt die Jury verlassen – wegen der Preisverleihung an BILD.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.