Schülerkammer ruft zum Bildungsstreik auf

Die schülerInnenkammer hamburg fordert bessere Bildungsbedingungen, solidarisiert sich mit dem deutschlandweiten Bildungsstreik am 17. Juni und ruft die Hamburger Schülerinnen und Schüler dazu auf, ihre demokratischen Grundrechte wahrzunehmen.

Das Vorhaben des Bildungsstreikbündnisses, am 17.06.09 für bessere Bildungsbedingungen zu demonstrieren, wird von der skh unterstützt. Die schülerInnenkammer hamburg solidarisiert sich mit den streikenden SchülerInnen, so, wie viele weitere Organisationen in Hamburg, zum Beispiel der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft).

Die Demonstration am Mittwoch, den 17. Juni, wird von einem offenen SchülerInnen- und Studierendenbündnis organisiert.

„Um zu bekräftigen, dass die skh nicht nur auf die Missstände im Bildungswesen hinweist, sondern aktiv einen Beitrag leisten möchte um sie zu beheben, erklären wir unsere eigenen Kernforderungen, die viele Hamburger SchülerInnen auf diversen Veranstaltungen immer wieder einforderten“, erklärt Frederic Rupprecht, Landesvorsitzender der skh.

Die Kernforderungen der skh für den Bildungsstreik 2009 sind:

1. Demokratisierung in der Schule

2. Chancengleichheit und individuelle Förderung

3. Verpflichtendes Feedback innerhalb der Schulen

4. Etablierung jahrgangs- und fächerübergreifenden Unterrichts

5. Differenziertere und detailliertere Leistungsrückmeldungskultur in der Schule

6. Verbesserte Lehrbedingungen und Lernmittelfreiheit

7. Berufsorientiertes und praxisnahes Lernen

8. Sprachförderung und frühkindliche Bildung

9. Längeres gemeinsames Lernen

„Für diese Forderungen lohnt es sich friedlich zu demonstrieren!“, verkündet Daniel Völkoi, stellvertretender Vorsitzender der skh.

———————————————————————————-

Im Folgenden geben wir eine nähere Beschreibung der einzelnen Kernforderungen:

1. Demokratisierung in der Schule

In vielen Fällen wissen noch nicht hinreichend viele Schülerinnen und Schüler über ihre eigenen Rechte in der Schule Bescheid oder leben diese nicht genug aus. Andererseits machen immer noch viel zu viele Schülerinnen und Schüler die Erfahrung, in ihrem Engagement ausgebremst, in ihrer Person, z. B. als SchülerInnenvertreterIn, banalisiert und ignoriert zu werden. Die Forderung der skh, Demokratisierung an Schule voran zu bringen ist über unsere Eigenmotivation hinaus eine Forderung, die im Schulgesetz empfohlenen und vorgeschriebenen Vorgaben endlich besser zu erfüllen. Die spezielle Förderung von SchülerInnenmitwirkung, der stärker nachgekommen werden muss, ist zum Beispiel Bestandteil des Schulprogramms (HmbSG §51 (1) ).

Ein Lösungsvorschlag der skh ist die „Einführungsstunde für SchülerInnenvertretungsarbeit (ESSV)“ am Anfang jedes Schuljahres, dessen Umsetzung als Pilotprojekt in den nächsten Wochen konkretisiert wird.

2. Chancengleichheit

Der Zugang zu Bildung und Ausbildung darf nicht von der Herkunft, dem Geschlecht, dem sozialen Status oder finanziellen Bedingungen abhängen. Jeder Mensch hat das Recht auf bestmögliche Förderung.

Dies geht einher mit dem Umdenken, individuelle Förderung endlich als Chance zu begreifen, von der alle Leistungsspektren innerhalb einer Lerngruppe profitieren. Gleichmacherische Beschulung hilft weder dem leistungsschwachen Schüler, der mehr Förderung bedarf, als auch dem leistungsstarken Schüler, der nicht genug gefordert ist.

3. Verpflichtendes Feedback innerhalb der Schulen

Ein professionelles Feedback von Schülerinnen und Schülern für ihre Lehrerinnen und Lehrer, als auch umgekehrt von Lehrerinnen und Lehrern für ihre Schülerinnen und Schüler, würde stark zu einer verbesserten Unterrichtsentwicklung beitragen. Viele Lehrer haben Feedbackmethoden schon wie selbstverständlich in ihren Unterricht integriert und können so viel gezielter auf ihre Lerngruppen eingehen. Schülerinnen und Schüler betreiben die Qualitätssicherung ihres eigenen Unterrichts mit und Lehrerinnen und Lehrer können individueller auf Schülerinnen und Schüler eingehen, die gelernt haben konkret rückzumelden, welches Lob beziehungsweise welche Kritik und welche Anregungen sie persönlich haben.

Mindestens einmal im Halbjahr sollte in jedem Fach ein ausführliches Feedback getätigt werden. Die Faktorisierung der Lehrerarbeitszeit muss dies berücksichtigen.

4. Etablierung jahrgangs- und fächerübergreifenden Unterrichts

Merkmal für einen differenzierteren Unterricht ist die Grundannahme, dass nicht die Homogenisierung (durch Ausgleich der Unterschiede der SchülerInnen und Schüler einer Klasse), sondern das Ausschöpfen der Lernmöglichkeiten aller Schülerinnen und Schüler die Zielsetzung in der Schule ist.

Konkret ist etwa bei jahrgangsübergreifendem Unterricht die gegenseitige Erziehung, etwa bei Grundschulkindern unterschiedlichen Alters, zu nennen. Kooperationsformen, Patenschaften, Hilfssysteme und die Relativierung von Rangfolgen Gleichaltriger, entwickeln jahrgangsübergreifende Lerngruppen besonders gut.

Für mehr fächerübergreifenden Unterricht spricht, dass viele Realsituationen sich nicht unter dem Dach einer Fachrichtung vereinen lassen und der Raum für eine ausführliche Beschäftigung, etwa im Rahmen von freier Projektarbeit sinnvoll wäre. Die Vermittlung von Methodenkompetenz der Schülerinnen und Schüler stellt einen wesentlichen Aspekt des fächerübergreifenden Unterrichts dar. So werden anhand von komplexen, Fächergrenzen überschreitender Problemstellungen Lösungsstrategien bzw. Methoden erarbeitet, die im Nachhinein auch auf fachspezifische Fragestellungen anwendbar sind und eine Schlüsselqualifikation in der Ausbildung darstellen. (Betrachtung einer Fragestellung unter verschiedenen Aspekten, z. B. Klimaveränderung – ökologisch, ökonomisch, sozial und wirtschaftlich betrachtet.)

5. Differenziertere und detailliertere Leistungsrückmeldungskultur in der Schule

Ziffernnoten ermöglichen zwar einen einfachen Vergleich, können aber in ihrem Wesensgehalt für sehr zweifelhaft gehalten werden. Ein 8-jähriges Kind (Noten werden oftmals ab Klasse 3 vergeben), das schon gut liest aber noch eher ausreichend gut schreibt bekommt die Note 3. Seine Klassenkameradin kann noch überhaupt nicht gut lesen, sich dafür jedoch alles gesagte merken und aus dem Gedächtnis wiedergeben: Note 3. Dies zeigt: Zahlen als abstrakte Rückmeldung für eine Leistung sind vor allem bei jüngeren Schülerinnen und Schülern geradezu motivationsgefährdend, weil sie sich nicht konkret auf einzelne Leistungsmerkmale beziehen. Ziffernnoten bilden vielmehr einen Mischwert, dessen Bestandteile für die Betroffenen oft nicht verknüpfbar sind und deshalb auch nicht zu der gewünschten konkreten Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit ihren bereits etablierten Fähigkeiten und ihren Defiziten führt.

Die skh fordert daher die verspätete Einführung von Ziffernnoten frühestens in der 5. Klasse. In Leistungsportfolios mit konkreten Rückmeldungen über zuvor für die Schülerinnen und Schüler gesetzte Lernziele kann motivierender und zielorientierter bewertet werden.

6. Verbesserte Lehrbedingungen und Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit

Individualisierter Unterricht kann nicht produktiv genug in Lerngruppen von heutiger Größenordnung funktionieren. Viele Lehrer sind überlastet, Chemiekurse müssen zum Teil geteilt werden, um überhaupt experimentieren zu können. Daher fordert die skh die Absenkung der Klassenfrequenzen auf 22 Schülerinnen und Schüler pro Klasse, konkludent also, mehr Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen.

Die Wiederabschaffung des Büchergeldes und die Forderung nach besserer Ausstattung (etwa durch bessere räumliche Ausstattung, neue Medien etc.) an Schulen verstehen sich von selbst, denn unser Land braucht gut ausgebildete Menschen. Schulpsychologen wären eine notwendige Instanz an Schulen, unter anderem um Schülerinnen und Schülern eine neutrale professionelle Bezugsperson zu bieten.

7. Berufsorientiertes und praxisnahes Lernen

Besserer Berufsorientierung könnte zum Beispiel durch ein zweites Betriebspraktikum und die verstärkte Kooperation von Schulen mit Betrieben oder Hochschulen erreicht werden. Trotz vieler positiver Beispiele an Schulen, werden viele Schülerinnen und Schüler nicht hinreichend auf die zukünftige Berufswahl vorbereitet.

8. Sprachförderung und frühkindliche Bildung

Mangelnde Sprachkenntnis verwährt vielen Schülerinnen und Schülern den Zugang zu Bildung. Der Resignation vieler Schülerinnen und Schüler in Grundschulen und der Sekundarstufe 1, muss gute und frühe Sprachförderung entgegen gesetzt werden.

9. Längeres gemeinsames Lernen

Die Bildungsreform in Hamburg ist ein Schritt in die richtige Denkrichtung. Der Aussortierung von 10-jährigen Kindern am Ende der 4. Klasse ist mehrfach ihre Unsinnigkeit in vielerlei Hinsicht nachgewiesen worden. Die Leistungsbeurteilung mit Hilfe von 6 Zahlen, von Menschen die gerade in ihrer vielfältigsten Entwicklungsphase sind, ist fragwürdig und geschieht sozial unverträglich, ist nicht adressatenorientiert und wenig aussagekräftig. Ein Kind aus einer nicht Akademikerfamilie hat, bei gleichem Leistungsstand, eine um ein vielfaches geringere Chance, eine Gymnasialempfehlung zu erhalten, als ein Kind aus einer Akademikerfamilie. Auch in ökonomischer Hinsicht ist dies in Zeiten von Fachkräftemangel ein Potenzialverschleiß, den wir uns nicht mehr leisten können.

Der Besorgnis, „schwächere“ SchülerInnen würden die „starken“ in ihrer Entwicklung hemmen, muss ernst und zugleich entschieden entgegengetreten werden. Einerseits entwickeln sich Menschen unterschiedlich schnell und haben völlig verschiedene Begabungen von denen sie gemeinsam profitieren können. Andererseits wird oft unterschätzt, wie mit den richtigen Methoden auch der in einem Bereich „lernstarke“ Schüler von der Vermittlung seines Wissens an andere profitiert.

Längeres gemeinsames Lernen, mit individuellen Förderung der in unwahrscheinlich vielfältigen Art und Weise begabten Kinder, gewährleistet erst die von vielen geforderte Chancengleichheit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.