PUA, Beust und Pyrrhus

Abweichend von der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts halten es Hamburgs oberste Richter offenbar für zulässig, dass die Parlamentsmehrheit den Auftrag von Untersuchungsausschüssen auch gegen den Willen der Opposition, die den Ausschuss eingesetzt hatte, erweitert. Was das mit Beust und Pyrrhus zu tun hat:

Hintergrund des scheinbar eher akademischen Streits vor dem Hamburgischen Verrfassungsgericht ist das Thema einer Erweiterung des Untersuchungsauftrags PUA- Protokollaffäre. Wollten SPD und GAL mit dem PUA aufklären, auf welchem Wege vertrauliche Protokolle über den Bürgermeister an die Bild-Zeitung gelangten, so will die CDU auch gleich die gesamten Pressekontakte der Oppositionspolitiker durchleuchten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht ließ Präsident Rappe durchblicken, dass er mehr zur Ansicht der Regierungspartei neige. Beide Oppositionsfraktionen reagierten mit Pressemitteilungen, die am Ende im Wortlaut widergegeben sind.

Insgesamt könnte es CDU-Fraktionschef Reinert im Falle eines Sieges gehen wie einst dem König von Epirus: Der hieß Pyrrhus, besiegte die Römer zweimal auf eigenem Platz in Italien und verlor anschließend entscheidend, weil er und sein Heer sich zu sehr verausgabt hatten. Die Opposition könnte die nun für zulässig erklärten Weiterungen im PUA nutzen, um dessen Untersuchungszeit bis vor die nächste Bürgerschaftswahl auszudehnen. Sicher ein unangenehmer Gedanke, heißt doch der Hauptverdächtige nach wie vor Ole von Beust.

Die Erklärung der SPD:

Senatsskandal nicht auf Kosten der Pressefreiheit umschreiben
PUA Protokoll-Affäre vor dem Verfassungsgericht

In der mündlichen Verhandlung vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht über die Ausweitung des PUA Protokoll-Affäre auf Redaktionen und andere Dritte haben die antragstellenden Oppositionsfraktionen heute die Verletzung von Minderheitsrechten gerügt und vor Gefährdungen für die Freiheit der Berichterstattung durch die CDU-Fraktion gewarnt. SPD-Obmann im PUA Dr. Andreas Dressel: „Wir werden nicht zulassen, dass die CDU die Geschichte eines Senatsskandals auf Kosten der Freiheit von Presse und Berichterstattung umschreibt.“ Auch werde im aktuellen Fall das Minderheitsrecht der Opposition auf PUA-Einsetzung verletzt, kritisierte der SPD-Abgeordnete.

Hintergrund: Die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und GAL hatten das höchste Hamburger Gericht im Rahmen eines so genannten Organstreitverfahrens angerufen. Zuvor hatte sich die CDU-Fraktion geweigert, ihr umstrittenes Erweiterungsbegehren für den PUA zurückzuziehen. Nach den beiden Rechtsgutachten von Bürgerschaftskanzlei und Professor Kämmerer (Bucerius Law School) sehe die SPD weiterhin „durchaus Chancen, die CDU per Verfassungsgericht zu zwingen, zu Recht und Gesetz zurückzukehren. Der CDU kann nicht ernsthaft daran gelegen sein, dass der Eindruck entsteht, unliebsame Medienberichterstattung solle unterdrückt werden“, sagte Dressel. Die heute erfolgte Ankündigung der CDU, sie wolle nur wenige Abgeordnete vernehmen, sei zweifelhaft. Schließlich sei in einem Schriftsatz der Bürgerschaftsmehrheit zu lesen:

„Somit kommen als zusätzliche Zeugen lediglich Angehörige der Presseorgane in Betracht, die Zugang zu Sitzungsprotokollen hatten. Der damit angesprochene Personenkreis ist überschaubar und zugleich individualisierbar.“

Dressel: „Damit ist klar: Die CDU-Fraktion hat die Vernehmung von Journalisten bis heute nicht ausgeschlossen.“

Die SPD-Fraktion setze darauf, dass sich das Verfassungsgericht vor demokratische Grundsätze stelle, die das Bundesverfassungsgericht für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse aufgestellt hat: „Das Hamburgische Verfassungsgericht darf nicht hinter das zurückfallen, was Karlsruhe in Sachen Minderheitenschutz garantiert hat.“

Die Erklärung der GAL:

Zu der mündlichen Verhandlung des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu der Frage, ob die durch die CDU vorgenommene Erweiterung des Untersuchungsgegenstands des PUA Protokoll-Affäre zulässig ist erklärt Dr. Till Steffen, GAL-Obmann im PUA Protokoll-Affäre:

„Das Verfassungsgericht hat im Rahmen der Erörterung zwei Fragen gestellt: Ist die Erweiterung schon unzulässig, weil sie einen anderen Gegenstand betrifft als die von der Opposition eingebrachte Untersuchung? Und zum anderen: Führt diese Erweiterung zu einer Verzögerung, die den Abschluss der Untersuchung unmöglich macht? Zu der ersten Frage hat das Gericht deutlich gemacht, dass es den Schutz der Rechte der Opposition deutlich niedriger hängen will als das Bundesverfassungsgericht. Das hätte weit reichende Folgen für das Instrument Untersuchungsausschuss überhaupt: Die Mehrheit hätte weitgehende Möglichkeiten, Aufklärungsarbeit durch die Opposition zu behindern. Im Hinblick auf die Verzögerung ist im Rahmen der Verhandlung deutlich geworden, dass durch die Erweiterung nicht mehr zu garantieren wäre, dass der Untersuchungsausschuss noch in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluss kommt.“

Die Rechtsanwälte, die die CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft vertreten, hatten in einem letzten Schriftsatz behauptet, es sei nur erforderlich, ca. vier weitere Zeugen zu benennen, eine Vernehmung von Journalisten sei nicht beabsichtigt. Im vorherigen Schriftsatz hatten die selben Anwälte noch gesagt, dass die Vernehmung von Journalisten erforderlich sei. Steffen: „Die Mehrheit hat gemerkt, dass durch ihre Erweiterung eine ganz erhebliche Verzögerung eintreten würde. Deswegen widerspricht sie sich jetzt schon selbst.“

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