Primarschule auf Kosten der Risikoschüler?

Die SPD-Schulpolitiker Ties Rabe und Wilfried Buss haben den Senat zu einer Korrektur seiner Schulpolitik aufgefordert. „Statt mit der Primarschule das ganze Schulsystem umzukrempeln, sollten der Senat zielgenau Hamburgs größtes Schulproblem angehen: die so genannten Risikoschüler“, sagte Rabe am Sonntag.

Hamburg habe erheblich mehr schwache Schülerinnen und Schüler als die anderen Bundesländer und OECD-Staaten. „Wir können es uns nicht leisten, 25 Prozent unserer Schüler als Schulverlierer sich selbst zu überlassen. Für diese jungen Menschen brauchen wir ein Programm für Chancengleichheit und bessere Startbedingungen“, sagte der SPD-Schulexperte.

Mit einer Großen Anfrage will die SPD-Bürgerschaftsfraktion jetzt erfahren, was der Senat für die so genannten Risikoschülerinnen und -schüler tut. „Die Enquete-Kommission Schulpolitik hat im Konsens zahlreiche Empfehlungen zu diesem Problembereich beschlossen. Etwa die Einrichtung kleinerer Klassen, verbindliche Ganztagsangebote oder die gezielte Förderung lernschwacher Kinder schon in den ersten beiden Schuljahren. Wir wollen jetzt wissen, ob die Empfehlungen umgesetzt werden, oder ob auch sie auf Kosten des Primarschul-Experiments auf die lange Bank geschoben werden,“ sagte der SPD-Schulpolitiker Wilfried Buss.

Rabe nannte das Hamburger Problem „Risikoschüler“ eine „traurige Hamburgensie“, die seit Jahren bekannt sei. Zahlreiche Lösungsmöglichkeiten seien ausprobiert worden oder lägen in den Schubladen. „Nur einige engagierte Schulen sind hier in eigener Regie aktiv und erfolgreich“, bedauerte der SPD-Abgeordnete. „Eigentlich müsste man nur anfangen, diese Ideen kraftvoll umzusetzen. Aber statt energisch ein Bildungsprogramm für schwächere Schüler zu starten, blockiert Schulsenatorin Goetsch alle Aktivitäten und Gelder für die Einführung ihrer Primarschule. Es macht aber wenig Sinn, in Blankenese und Wellingsbüttel die Schulstruktur zu verändern, wenn in Osdorf, Billstedt und Wilhelmsburg ein Fünftel aller Schüler nicht einmal die Hauptschule schaffen. Geld und Arbeitskraft müssen dort eingesetzt werden, wo es am nötigsten ist.“

„In der Bürgerschaft gab es Einigkeit darüber, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen schnell umgesetzt werden sollen“, betont der SPD-Schulpolitiker Buss. Die Enquetekommission habe ihren Bericht vor knapp einem Jahr dem Bürgerschaftspräsidenten übergeben. „Das ist für uns Grund genug, nach dem Umsetzungsstand zu fragen.“

Wie im November 2008 bekannt wurde hat die PISA-E-Studie ergeben, dass der Anteil der Risikoschüler in Hamburg weiterhin auf hohem Niveau ist. Gut jeder vierte Hamburger Schüler ist nicht in der Lage, ausreichend zu lesen und zu rechnen, um in der Berufswelt bestehen zu können. Nach der im Dezember 2008 veröffentlichen Lese-Studie IGLU beträgt der Anteil der so genannten Risikoschüler bei den 10-Jährigen rund 22 Prozent, bei den 15jährigen sogar 26%.

Hamburgs Bildungsverlierer sind überwiegend Jungen, sie kommen vor allem aus unterprivilegierten Schichten, haben sehr häufig einen Migrationshintergrund und wohnen in bestimmten Stadtteilen. Von den 22 Hamburger Schulentwicklungsregionen konzentrieren sich diese Probleme vor allem auf die drei Regionen Wilhelmsburg, Lurup/Osdorf unf Billstedt/Horn. Dort schaffen mehr als 20 Prozent der Schüler nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Zu den Ursachen stellt die aktuelle Pisa-Studie fest: „Ein sehr hoher Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildung ist in Hamburg und Berlin festzustellen. Er liegt signifikant über dem Mittelwert in Deutschland“, sagte Rabe.

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