„Kammern und CDU: Realistisch bleiben!“

Kammern und CDU wollen sich offenbar ihre weihnachtsselige Kuschel-Stimmung nicht vermiesen lassen, meint der DGB, sollten aber ihrerseits die Realität und ihre Ursachen zur Kenntnis nehmen. So kontert der DGB Hamburg die Reaktionen von Vertretern der Handelskammer und der CDU auf den gewerkschaftlichen Jahresrückblick im „Hamburger Abendblatt“.

Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg: „Dass es einen Anstieg sozialversicherter Beschäftigung in Hamburg gegeben hat, konnten wir alle Monat für Monat den Jubel-Pressemeldungen der Wirtschaftsbehörde entnehmen und haben den Zuwachs auch gewürdigt. Doch die im Dunklen sind weit weniger Schlagzeilen wert: Die meisten Erwerbslosen – die Langzeitarbeitslosen – sind im vergangenen Jahr weder in Lohn und Brot gekommen noch hat es der Senat für nötig befunden, ihnen durch eine passende Förderung den Weg dorthin zu ebnen. Was nützen den fast 144 000 erwerbsfähigen ALG II-Empfängern 16 900 mehr Stellen für gut Qualifizierte?“

Um so erfreulicher sei es, so Hamburgs DGB-Vorsitzender, dass jetzt wenigstens auf Bundesebene Schwung kommt in die Frage der öffentlich geförderten Beschäftigung für Langzeitarbeitlose mit besonderen Vermittlungshemmnissen – eine gewerkschaftliche Forderung seit Monaten.

So kündigte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD Klaus Brandner heute an, dass bundesweit zunächst 100 000 dieser Stellen geschaffen werden sollen.

„Ein guter Anfang, der den ALG II-Empfängern mehr Perspektiven verspricht als die Ein-Euro-Jobs – das Lieblingsinstrument von Senator Uldall. Hamburg sollte den Brandner- Vorstoß aktiv unterstützen und auch in der Hansestadt diesen ,ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt‘ einführen. Er bietet – anders als frühere ABM-Maßnahmen – Arbeitslosen, die keine Chance haben auf dem Ersten Arbeitsmarkt, unbefristete Arbeitverhältnisse mit Tätigkeiten, die dem
Gemeinwohl nützen ohne reguläre Stellen zu verdrängen. Außerdem erspart ihnen eine unbefristete Tätigkeit ständige Gänge zur ARGE“, so Erhard Pumm.

Zum Thema Ausbildungsstellenmarkt weist der DGB Hamburg den Vorwurf entschieden zurück, mit falschen Zahlen operiert zu haben und bietet Kammern und CDU gerne an, noch einmal zu erklären, warum in Hamburg mindestens 5000 Lehrstellen fehlen.

„Nach korrekter Rechnung muss man Jugendliche in den Warteschleifen, Schulabgänger, die von den Arbeitsagenturen per Selektion aus der Bewerber-Statistik verbannt wurden sowie die ,Altbewerber‘ hinzuzählen“, erläutert Erhard Pumm. In diesem Jahr seien ca. 70 % aller anerkannten Bewerber Schulabgänger aus den Vorjahren, nur noch 30 % aus dem aktuellen
Schulabgangsjahr. Im vergangenen Jahr lag diese Zahl bei knapp 40%. Die Bugwelle bleibt also groß – trotz des Sonderprogramms des Senats.

„Als Bewerber gelten bei der Arbeitsagentur nur Jugendliche, die nach BA-Auffassung als ausbildungsreif gelten – allein sie gelangen in die Bewerberstatistik, alle anderen werden aussortiert“, so Erhard Pumm. „Dabei wurde die Definition in den vergangenen Jahren immer enger gefasst, um die Statistik besser aussehen zu lassen.“

So gab es in diesem Jahr 13,6 % mehr Jugendliche, die sich ratsuchend an die Arbeitsagentur gewandt haben, aber zugleich wurden von der Arbeitsagentur sieben % weniger von ihnen als Bewerber anerkannt als im Vorjahr!

Das Einstiegsqualifizierungsjahr sei nur ein billiges Vehikel für Unternehmen, Engagement vorzutäuschen: „Es ist ein staatliches finanziertes Praktikum, und zwar keineswegs nur für nicht-ausbildungsreife Jugendliche“, so Erhard Pumm. „Das wird schon daran deutlich, dass selbst Abiturienten im EQJ anzutreffen sind. Jugendliche mit Hochschulreife! Man muss schon von geistiger Verwirrung sprechen, wenn man ihnen die Ausbildungsreife etwa für
eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abspricht, sie aber an der Uni Betriebswirtschaftslehre studieren lässt.“

Der Vorwurf der „parteipolitischen Phrasendrescherei“ sei gänzlich absurd, so Hamburgs DGB-Vorsitzender. „Wir vertreten die Interessen der Arbeitnehmer/innen und Arbeitslosen in Hamburg – und dabei legen wir uns – wenn’s sein muss – mit allen Parteien an.“

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