Kriminalität: SPD berichtet sich selbst

SCHATTENMANN.jpegDie SPD-Bürgerschaftsfraktion hat dem Senat schwere Versäumnisse bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität (OK) in Hamburg während der Beust-Schill-Zeit vorgeworfen. Die Sozialdemokraten fertigten einen eigenen Bericht zur Lage der Organisierten Kriminalität in Hamburg an, nachdem sich der Senat geweigert hatte, entsprechend Bericht zu erstatten.

„Die Zahlen belegen: Das Thema OK spielte im Senat seit dem Antritt von Ronald Schill nur eine untergeordnete Rolle. Erst langsam erholt sich die Hamburger OK-Bekämpfung von diesen Missständen. Für die trägt der damalige Polizeipräsident und heutige Innensenator Nagel eine Mitverantwortung“, sagte SPD-Innenexperte Andreas Dressel am Donnerstag bei der Vorstellung eines OK-Lageberichts (siehe Anlage, als PDF).

Aus ihm geht unter anderem hervor, dass der Personaleinsatz der Polizei bei der Bekämpfung der OK von 2001 bis 2003 von 145 auf 81 Mitarbeiter zurückgefahren wurde; erst im Jahr 2005 gab es einen deutlichen Aufwärtstrend.

Die Anklagen gegen OK-Beschuldigte haben sich im Zeitraum von 2001 bis 2005 von 106 auf 54 fast halbiert. Die Verurteilung von OK-Tatverdächtigen zu hohen Haftstrafen ist rückläufig: Wurden 2001 noch 53 OK-Beschuldigte zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt, waren es 2005 gerade noch 13, wie aus dem Bericht hervorgeht. Die SPD-Oppositionsfraktion hatte die 29seitige Zusammenfassung zu Situation und Gefahren der OK erstellt, nachdem Senat und CDU-Mehrheit eine entsprechende Veröffentlichung mehrmals abgelehnt hatten. Der Bericht ist in gedruckter Form auch über die SPD-Bürgerschaftsfraktion zu erhalten.

„Es gibt keinen Grund, den Hamburgerinnen und Hamburgern weniger Informationen über die Lage und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zur Verfügung zu stellen, als den Bürgerinnen und Bürgern vieler anderer Bundesländer“, sagte Dressel. Er verwies darauf, dass in vielen Bundesländern die regelmäßige Information über OK üblich sei. „Organisierte Kriminalität bekämpft man nicht dadurch, dass man sie totschweigt“, so Dressel.

Er bezog sich dabei auf erkennbare Wissenslücken in Behörden und Verwaltung in Hinblick auf die Gefährdung durch Organisierte Kriminalität. Ein entscheidendes Instrument im Kampf gegen die OK sei deshalb die Sensibilisierung von Verwaltung, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft.

„Wenn der Hamburger Wirtschaftssenator Uldall in einer öffentlichen Ausschusssitzung etwa erklärt, er habe den Namen Osmani nicht gekannt, dann zeigt das, wie notwendig eine detaillierte und strukturierte Aufklärung über die Organisierte Kriminalität und ihre Akteure in Hamburg ist“, sagte Dressel: „Wie müssen sich die Kollegen bei Polizei und Staatsanwaltschaft fühlen, die gerade eine schwierige Ermittlungsarbeit zu leisten haben, wenn parallel staatliche Behörden ahnungs- und bedenkenlos Vertragsbeziehungen mit Leuten unterhalten, die der Bildung einer kriminellen Vereinigung verdächtig sind?“

Dressel lobte ausdrücklich die Arbeit der Ermittler um Hamburgs obersten OK-Bekämpfer Thomas Menzel. „Die Kolleginnen und Kollegen dort machen einen guten und schwierigen Job – häufig nicht wegen, sondern trotz der politischen Führung in der Innenbehörde.“ Dressel übte im gleichen Zusammenhang Kritik an der Informationspolitik von Innensenator Nagel. „Wir würden uns wünschen, dass das Thema OK-Bekämpfung für ihn nur halb so wichtig ist wie das Thema ´Führerschein mit 17´“, sagte der SPD-Innenpolitiker.

Der SPD-Innenexperte forderte Senat und CDU-Fraktion erneut auf, die Erstellung eines regelmäßig erscheinenden OK-Lageberichts nicht länger zu blockieren. „Die SPD-Fraktion wird die Berichterstattung übernehmen, solange der Senat sich weigert, die notwendigen Informationen in lesbarer Form bereitzuhalten“, sagte Dressel. Eine entsprechende Große Anfrage für das Jahr 2006 sei bereits in Vorbereitung.

Zum Inhalt des OK-Lageberichts 2001 – 2005

Die SPD-Fraktion hat die Informationen, die sich aus öffentlich zugänglichen Quellen (parlamentarische Anfragen, Lagebilder des Bundes und anderer Länder) über die Organisierte Kriminalität in Hamburg ergeben, ausgewertet und in Berichtsform zusammengestellt. Der 29-seitige Bericht bildet damit genau jene Erkenntnisse ab, die vergleichbar auch in anderen Bundesländern in pressefreien Kurzfassungen für die interessierte Öffentlichkeit aufbereitet werden.

Kernerkenntnisse:

* Der Rückgang bei den Hamburger OK-Verfahren seit 2001 liegt ausweislich des Bundesvergleichs deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Insofern muss bezweifelt werden, ob ausschließlich – wie vom Senat behauptet – die bundesweit einheitlich engeren Erfassungskriterien hierfür ausschlaggebend sind. Im Jahre 2005 ergab sich in Hamburg und bundesweit wieder ein leichter Anstieg bei den OK-Verfahren.

* Die organisierte Wirtschaftskriminalität (2001: 54%; 2005: 66%) hat gegenüber OK-Gewalttaten (2001: 35%; 2005: 23%) deutlich an Bedeutung gewonnen. Der Bereich OK-Rauschgift-Handel/ Schmuggel nimmt daneben wieder einen ähnlich großen Raum ein wie noch 2001. Die OK-Schleuserkriminalität hält Rang 3 der Hamburger OK-Kriminalitätsbereiche. Die registrierte OK-Einflussnahme auf Politik, Wirtschaft, Medien und Verwaltung hält einen konstanten Anteil um rund 10%.

* Mit fast 60% (gegenüber rund 40% bundesweit) dominieren deutsche Tatverdächtige das Hamburger OK-Geschehen. Mit deutlichem Abstand folgen türkische (knapp 12%) und serbisch-montenegrinische (gut 4%) OK-Tatverdächtige.

* Die Zahl der Strafanzeigen im OK-Bereich hat sich von 2001 bis 2005 von 22 auf 11 nahezu halbiert. Die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, von Akteuren aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft Hinweise zu geben, ist damit dramatisch gesunken. Die Gründe hierfür sind nach wie vor in der Furcht der Geschädigten vor weiteren Repressalien oder aber auch in der nicht seltenen Einbindung der Opferseite in das kriminelle Milieu zu sehen.

* Der Personaleinsatz der Polizei im Rahmen der Ermittlungen gegen Organisierte Kriminalität wurde bis 2003 (145 auf 81 Mitarbeiter) erheblich zurückgefahren. Auch 2004 verharrte der personelle Ressourceneinsatz noch auf niedrigem Niveau. Erst 2005 ist eine Trendumkehr zu erkennen. Das personelle Niveau von 2001 wurde 2005 geringfügig übertroffen.

* Die Zahl der Anklagen gegen OK-Beschuldigte hat sich von 2001 bis 2005 von 106 auf 54 fast halbiert.

* Die Verurteilung von OK-Tätern zu – insbesondere hohen – Haftstrafen ist rückläufig. Wurden 2001 noch 91 OK-Beschuldigte zu Freiheitsstrafen verurteilt, waren es 2005 gerade noch 20. Wurden 2001 noch 53 OK-Beschuldigte zu mehr als zwei Jahren Gefängnis verurteilt, waren es 2005 gerade noch 13.

* Der zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität unerlässliche Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden (Telefonüberwachung z. B.) ist von 2001 bis 2005 rückläufig (von 28 auf 20 Maßnahmen).

* Die Gewinnabschöpfung durch Strafverfolgungsbehörden in Hamburger OK-Verfahren ist von 4,5 Mio. Euro (2001) auf klägliche 89.913 Euro (2004) bzw. immerhin 1,58 Mio. Euro (2005) zurückgegangen. Durchschnittlich wurden damit 2001 285.030 Euro je OK-Verfahren abgeschöpft, in 2004 12.844 Euro und 2005 143.727 Euro.

* Die OK-Zeugenschutzmaßnahmen sind rückläufig. Waren 2001 noch 30 Personen in solchen Programmen, waren es 2004 ganze fünf, 2005 immerhin wieder 17 Personen.

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