HSH: Theater und Bauchschmerzen

Zur heute in der Hamburger Bürgerschaft stattfindenden Debatte über die Zukunft der HSH-Nordbank veranstaltete das Hamburger Bündnis „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ um 13 Uhr ein politisches Straßentheater auf dem Jungfernstieg (Reesendammbrücke). 100 Meter entfernt beginnt das „Theater“ etwa um 16.30 Uhr – im Rathaus in der Bürgerschaftssitzung.

Auf dem Jungfernstieg ging es recht fröhlich zu: Als Banker verkleidete Aktivisten suchten Schutz unter einem mit Partei-Logos verzierten Rettungs-Schirm. „Ole von Beust“ überreichte dazu einen übergroßen 1,5 Mrd-Geldschein. Banker und „Ole“ versuchten nun ein Miniatur-Modell der HSH-Nordbank mit der Aufschrift „Vorsicht Giftpapiere“ der Bevölkerung unterzujubeln. Ebenfalls von Aktivisten dargstellt – ließ sich diese einen derart schlechten Aprilscherz aber nicht gefallen und trieb unter
dem Schlachtruf „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ Politiker und Krisenprofiteure vor sich her. Ihre Forderungen stattdessen „Bildung für alle!“, „Solidarische Gesellschaft“, „Mensch und Umwelt vor Profit!“ und schließlich „Kapitalismus abschaffen!“

Im Rathaus erklärte derweil GAL-Fraktionschef Jens Kerstan seine Bauchschmerzen – und die seiner Partei:

„Zu der Entscheidung zu kommen, dass wir Grünen das Rettungspaket für die HSH Nordbank mittragen sollen, ist mir sehr schwer gefallen und hat mich viele Nächte um den Schlaf gebracht. Dennoch bin ich zu der Auffassung gekommen, dass es keine verantwortbare Alternative zur Rettung der Bank gibt und dass wir jetzt auch die notwendigen Informationen haben, um diese Entscheidung auf der Grundlage belastbarer Daten treffen zu können.

Das Risiko für Hamburg ist bei einer Insolvenz der HSH um ein Vielfaches höher als bei dem vorgeschlagenen Rettungspaket. Die Option ‚Gar kein Risiko für Hamburg‘ gibt es leider nicht. Es ist eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.

Bei einer Insolvenz der Bank würde die Gewahrsträgerhaftung Hamburgs und Schleswig-Holsteins in Anspruch genommen werden. Die Länder müssten für 64 Milliarden Euro bürgen. Alle Vermögenswerte der Bank, die man bei der Liquidierung verkauft, würden davon abgezogen. Die verbleibende Summe, die Hamburg und Schleswig-Holstein dann sofort bar bezahlen müssten, wird übereinstimmend in einer Spanne von 38 bis 58 Milliarden Euro geschätzt. Hamburgs Anteil daran wären 30 Prozent. Es ist aber eine gesamtschuldnerische Haftung. Die Sparkassen in Schleswig-Holstein wären im Falle der Abwicklung HSH Nordbank über Nacht pleite, da sie ihre Anteile an der HSH noch mit Abermillionen in den Bilanzen stehen haben und diese auf Null abschreiben müssten. Das Land Schleswig-Holstein hat auch gegenüber den Sparkassen eine Gewährsträgerhaftung und müsste deren Anteil ebenfalls übernehmen. Schleswig-Holstein könnte in diesem Fall noch nicht einmal aus den laufenden Einnahmen die Zinsen aus den dafür notwendigen Krediten bezahlen und würde somit zahlungsunfähig. Letztlich müsste Hamburg gesamtschuldnerisch die ganze Summe zahlen. Ob Hamburg das finanziell überleben würde, ist sehr fraglich. Angesichts dieses Horrorszenarios ist es nicht nur vertretbar, sondern absolut notwendig zu versuchen, die Bank zu retten.

Ich kenne niemanden, der mit den Zahlen der HSH Nordbank vertraut ist, der auch nur einen Hauch eines Zweifels daran hegt, dass an diesem Rettungspaket ein Weg vorbei führt. Im Gegenteil: Alle Experten in den Anhörungen – auch die von der Opposition benannten – haben unisono die Auffassung vertreten, dass man das jetzt so machen sollte und dass die Länder drei Milliarden Euro Eigenkapital zur Verfügung stellen sollten.

Auch mir wird angesichts dieser Dimensionen ganz schwindlig. Und ich bin auch wütend und entsetzt, dass es überhaupt soweit kommen konnte. Aber wir Grüne sind jetzt in der Regierung und sind in der Verantwortung, Probleme zu lösen. Auch diejenigen, die wir selber gar nicht verursacht haben. Aus der Verantwortung stehlen sollten wir uns nicht.

Das Thema Nordbank bleibt uns erhalten. Denn eine Entscheidung, was nach der Rettung langfristig mit der HSH passieren soll, muss erst noch getroffen werden.“

„Man könnte denken, es sei ein schlechter Aprilscherz: Statt endlich die Verursacher und
Profiteure der Krise zur Kasse zu bitten, stecken Senat und Bundesregierung Milliarden in
das alte Finanzsystem, das die Krise erst verursacht hat,“ erläutert die 20jährige
Psychologie-Studentin Olga Wlodarczyk vom Jugendnetzwerk Noya.

„Der Fahrplan ist klar: Schwarz-grün versucht sich genauso wie die große Koalition in
Berlin über die Bundestagswahl zu retten. Am Ende sollen dann wie immer die Schwächsten
die Zeche zahlen – nämlich Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Menschen in
Ausbildung“ empört sich Umut Utku Ibis, Landessprecher der Linksjugend [’solid].

„Wir schließen uns deshalb dem Ruf nach demokratischer Kontrolle der Banken und Konzerne
an, treten dabei aber nicht für sinnfreie Verstaatlichung, sondern für eine
Vergesellschaftung unter Kontrolle der Bevölkerung und der Beschäftigten ein“, erläutert
Kai Schulze von der AG Soziale Kämpfe bei Avanti.

Weiter wie bisher, Verluste verstaatlichen, Gewinne, privatisieren und damit letztlich
„auf zur nächsten Krise“ ist das einzige, was den Regierenden einfällt. Die Krise bietet
aber endlich die Chance für eine neue soziale und ökologische Wirtschaftsordnung. Das
bedeutet: Abschied vom Kapitalismus, denn Kapitalismus ohne Krisen ist eine Utopie!“,
schließt Roman Denter, attac Hamburg.

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