Feuerbergstraßen-Fazit: Schnieber-Jastram hat sich nie um Jugendliche und Beschäftigte gekümmert

Nach Bewertung von SPD-Obmann Thomas Böwer ist Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) „Hauptverantwortliche für eine Serie von Rechtsbrüchen“ in der geschlossenen Einrichtung in der Feuerbergstraße. Den kompletten Minderheitenbericht (87 Seiten) können Sie hier herunterladen (PDF).

„Schnieber-Jastram hat sich nie wirklich um die Beschäftigten und die untergebrachten Jugendlichen gekümmert. Sie hat Missstände, Zwischenfälle und Rechtsverstöße ignoriert, vertuscht und geleugnet. Sie ist ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht geworden“, sagte Böwer am Dienstag, zwei Tage vor der Vernehmung des ehemaligen Innensenators Ronald Barnabas Schill.Im unterdessen eingereichten Minderheitenvotum der SPD-Bürgerschaftsfraktion zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße befänden sich keine Aussagen über das Handeln Schills und seiner Behörde in Zusammenhang mit der Einrichtung.

Entsprechende Bewertungen waren aufgrund der Aussagen der vernommenen Zeugen nicht möglich. Das bezieht sich insbesondere auf die Hintergründe eines Vermerkes, der von der Innenbehörde verfasst im Juli 2003 in das Büro des Ersten Bürgermeisters geschickt wurde. In diesem Vermerk beschreibt die Innenbehörde ´Handlungsbedarf bei Frühintervention und geschlossener Unterbringung`. „Unabhängig von den bislang aufgeklärten Sachverhalten bleiben Fragen, die der PUA durch die Aussagen der bisher vernommenen Zeugen nicht beantworten konnte. Es bleibt also auch nach der Formulierung unseres Votums Aufklärungsbedarf“, sagte Böwer.

Er unterstrich, die Einrichtung laufe auch nach fünf Jahren nicht reibungslos. Erst am Rande der letzten regulären PUA-Sitzung am 5. Oktober 2007 hatte die SPD unter Berufung auf Senatsangaben mitgeteilt, dass ein eingewiesener Jugendlicher seit Mitte September flüchtig sei. Am Tag zuvor hatte die CDU in einer Pressekonferenz erklärt, es habe beim Betrieb der 2002 eröffneten Einrichtung lediglich „Anfangsschwierigkeiten“ gegeben.

Um die Auslastung in halbwegs akzeptablem Rahmen zu halten, werde das Heim seit Einsetzung des PUA zunehmend mit Jungen belegt, die gar nicht aus Hamburg stammten. So seien vier der derzeit sechs geschlossen untergebrachten Minderjährigen aus anderen Bundesländern. Die Sozialsenatorin hatte dies verschwiegen und stets betont, das Heime diene dazu, „Hamburger Probleme in Hamburg“ und nicht anderswo zu lösen.

Zudem verweigere Sozialsenatorin Schnieber-Jastram bis heute eine qualifizierte, unabhängige Evaluation der GU Feuerbergstraße, obwohl sie die Durchführung einer solchen externen Überprüfung in ihrer Reaktion auf das Gutachten Prof. Bernzens ausdrücklich zugesagt hatte.

Der PUA Feuerbergstraße hat eine Kette von Rechtsbrüchen und Schwachstellen beim Betrieb der Einrichtung aufdecken müssen. Auch habe die Aufklärungsarbeit der Oppositionsabgeordneten erhebliche Planungs- und Organisationsfehler ans Tageslicht gebracht. Böwer bezog sich dabei auf Größe, Auslastung und Kostenentwicklung beim Betrieb der Einrichtung.

Auch habe sich herausgestellt, dass eine erfolgversprechende Umsetzung des pädagogischen Konzeptes unter den gegebenen Rahmenbedingungen von Anfang an unmöglich war. „Wer – wie die CDU in ihrer Bewertung des PUA – vor diesem Hintergrund von Anfangsschwierigkeiten spricht und ernsthaft behauptet, die verantwortliche Senatorin Schnieber-Jastram habe sich intensiv um die Arbeit der Einrichtung gekümmert, leugnet die Realität“, sagte Böwer.

In Wahrheit habe sich die Sozialsenatorin nie in angemessener Weise um die Einrichtung, die Beschäftigten sowie die eingewiesenen Jugendlichen gekümmert. „Sehr wohl muss aber auch die politische Spitze einer Behörde sich mit außergewöhnlichen Fällen befassen, wenn sie zu ihrer Kenntnis kommen, insbesondere bei öffentlich erhobenen Vorwürfen“, zitierte Böwer aus dem CDU-Minderheitenbericht zum PUA „BAGS“ aus der 16. Legislaturperiode.

Die Senatorin habe sich in keiner Weise um die Umsetzung dieses Projektes gekümmert, das auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU, Schill-Partei und FDP und einen Senatsbeschluss zurückging. Sie habe sich – nach eigener Aussage – nicht um sachliche und personelle Ausstattung der Einrichtung gekümmert, sich mit Fragen der Kosten der Geschlossenen Unterbringung allenfalls „am Rande“ beschäftigt, die hohe Personalfluktuation ebenso wie den hohen Krankenstand in der Einrichtung nicht hinterfragt. Sie konnte sich nicht daran erinnern, in die Abberufung des Geschäftsführers des Trägers der Einrichtung im April 2003 eingebunden gewesen zu sein.

„Nicht einmal von den Versuchen Jugendlicher, sich in der Feuerbergstraße das Leben zu nehmen, hat die zuständige Senatorin etwas mitbekommen“, kritisierte Böwer.

Im Ergebnis scheine selbst die CDU unzufrieden mit dem Verhalten der Sozialsenatorin in der Angelegenheit Feuerbergstraße zu sein. „Das einzige, was die CDU in ihrer „Politischen Gesamtbewertung“ über die Senatorin schreibt, ist, dass sie sich „im Rahmen ihrer politischen Verantwortung stets klar und deutlich zur Einrichtung bekannt“ hat, sagte der SPD-Obmann im PUA.

Schnieber-Jastram habe die Beschäftigten in der Feuerbergstraße im Stich gelassen. „Die Beschäftigten befanden sich in ihrer täglichen Arbeit oft am Rande der Legalität, weil die verantwortliche Senatorin in vielen Bereichen nicht für klare und nachvollziehbare Rahmenbedingungen gesorgt hat – auch nicht, nachdem die Belegschaft der Einrichtung um entsprechende Klarstellungen gebeten hat“, sagte Böwer.

Er nannte beispielhaft Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung körperlichen Zwangs, bei der Arbeit des Sicherheitsdienstes oder bei der Vergabe von Psychopharmaka. Hier wäre es zu vielen Fehlern nicht gekommen, wenn die verantwortliche Sozialbehörde die Bediensteten rechtzeitig und unmissverständlich darüber informiert hätte, welche Vorschriften bei Einweisung und Unterbringung der Jugendlichen zu beachten sind. Dass den Mitarbeitern des Familieninterventionsteams und der GU Feuerbergstraße diese Unterstützung immer wieder versagt wurde, sei ein besonders trauriger Ausdruck des „politischen und verwaltungstechnischen Dilettantismus, mit dem die Behördenleitung die Einrichtung eröffnet und geführt“ habe.

Auch den untergebrachten Minderjährigen habe Schnieber-Jastram die kalte Schulter gezeigt. Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der GU Feuerbergstraße müsse nach Ansicht der SPD-Fraktion sein, ob sich der Aufenthalt in der Einrichtung positiv auf die dort untergebrachten Jugendlichen ausgewirkt hat. Hier zeige sich jedoch erneut das Desinteresse der Sozialsenatorin, monierte Böwer.

Denn die Behörde habe die weitere Entwicklung ihrer Schützlinge gar nicht verfolgt. Eine wissenschaftliche Evaluation gibt es nicht, Daten über die Straffälligkeit oder den Schulbesuch der Jungen wurden nur anlässlich parlamentarischer Anfragen und nur bis zu deren 18. Geburtstag erhoben. Die wenigen vorhandenen Daten sprechen nicht dafür, dass die Feuerbergstraße den Jungen gut getan hat. Dies zu behaupten, so Böwer, „hat bisher nicht einmal Senatorin Schnieber-Jastram gewagt“.

In einigen Bereichen habe es nicht nur Rechtsunsicherheiten sondern eindeutige Rechtsverstöße gegeben. Das betreffe etwa unzulässige Einschränkungen im Verhältnis zwischen Betreuten einerseits und den Verfahrenspflegern und Rechtsanwälten andererseits oder den Umgang mit dem Briefgeheimnis. Mehrfach seien Briefe an Jugendliche rechtswidrig geöffnet worden. „Wenn diejenigen Leute, die die eingewiesenen jungen Leute auf ein Leben nach Recht und Gesetz vorbereiten sollen, es mit geltendem Recht nicht so genau nehmen, ist das ein erhebliches Problem.“

Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss betonte, Senat und Bürgermeister hätten die Probleme in der Feuerbergstraße „erst im Herbst 2005 wahrgenommen, nachdem die Medien über erste Ergebnisse des PUA berichtet hatten. Erst drei Jahre nach Inbetriebnahme der geschlossenen Unterbringung ist dem Senat klar geworden, dass in der Feuerbergstraße vieles falsch lief. Wer vor diesem Hintergrund von Anfangsschwierigkeiten spricht, leugnet die Realität – so wie es der Bürgermeister und seine Stellvertreterin vorgemacht haben“, sagte Böwer. Der PUA habe dazu geführt, dass Klarheit über die tatsächlichen Verhältnisse in der geschlossenen Unterbringung geschaffen worden sei.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion halte die Einrichtung einer geschlossenen Unterbringung für notwendig, betonte Böwer. Dies sei allerdings nicht als Forderung nach einem „weiter so!“ zu verstehen. „Wir wollen eine geschlossene Einrichtung, die den Sicherheitsinteressen von Bürgerinnen und Bürgern ebenso gerecht wird, wie denen der in Einrichtung Beschäftigten. Ziel der Einrichtung muss aber gleichzeitig sein, die Jugendlichen auf ein Leben nach Recht und Gesetz vorzubereiten.“ Denkbar sei eine gemeinsame Einrichtung der norddeutschen Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Es dürfe in jedem Fall nicht länger sein, dass es „eine direkte S-Bahn-Verbindung von der geschlossenen Unterbringung zum Hamburger Kiez gibt“, sagte Böwer.

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