Fahimi: „Europa muss sich Friedensnobelpreis noch verdienen“

Mehr als 1.000 Flüchtlinge sind in der vergangenen Woche im Mittelmeer ertrunken. Die Antwort der EU-Staats- und Regierungschefs auf die Katastrophe: Mehr Geld für die europäische Grenzsicherung. „Das reicht aber hinten und vorne nicht“, kritisiert SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi im Interview mit SPD.de – und sagt, was jetzt passieren muss.

SPD.de: Europa will mehr tun, damit sich Flüchtlingskatastrophen wie in der vergangenen Woche nicht wiederholen. Reichen die Beschlüsse des gestrigen Gipfels?

Yasmin Fahimi: Nein. Das reicht hinten und vorne nicht. Viele Flüchtlinge werden weiter in Seenot geraten und um ihr Leben kämpfen müssen. Ich halte es für einen schweren Fehler, das Einsatzgebiet der Frontex-Mission „Triton“ auf die europäische Küste zu beschränken. Da muss die EU rasch nachbessern. Die Schiffskatastrophen der jüngeren Zeit spielten sich in einem ganz anderen Seegebiet ab. Europa muss sich jetzt endlich bewegen und zeigen, dass es den Friedensnobelpreis verdient hat. Wie verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik geht, hat die SPD bereits in November in allen Einzelheiten aufgeschrieben.

SPD.de: Was muss stattdessen passieren?

Yasmin Fahimi: Wir müssen die Seenotrettung auf das gesamte Mittelmeer ausdehnen. Vorbild ist das frühere italienische Programm „Mare nostrum“. Ein solches Programm müssen wir gemeinsam europäisch finanzieren. Längerfristig brauchen Flüchtlinge die Chance, auf legalem Weg nach Europa zu kommen. Alles andere ist ein Konjunkturprogramm für kriminelle Schlepperbanden und Menschenhändler. Und natürlich müssen wir auch die Fluchtursachen bekämpfen, damit die Menschen irgendwann auch in ihrer Heimat wieder eine Perspektive sehen. Jetzt steht aber erst einmal die Rettung der Bootsflüchtlinge im Mittelpunkt.

SPD.de: Und wenn die Menschen dann in Europa angekommen sind?
Yasmin Fahimi: Wir brauchen auf jeden Fall auch eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Es kann nicht sein, dass sich Länder wie Großbritannien aus der Verantwortung stehlen und dass viele EU-Staaten bisher überhaupt gar keine Menschen aufnehmen. Hier müssen wir mit unseren europäischen Partnern zu einem festen Schlüssel kommen.

SPD.de: Jetzt gibt es für die nächsten zwei Jahre insgesamt eine Milliarde Euro Hilfe für Städte und Gemeinden, damit sie die Flüchtlinge besser unterbringen können. Reicht das?
Yasmin Fahimi: Nein, diese Summe reicht angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen nicht aus. Als SPD sehen wir es als nationale Aufgabe an, den Flüchtlingen zu helfen. Deshalb muss der Bund meines Erachtens die Kosten für die Flüchtlingsunterkunft übernehmen – die Kommunen sind damit überfordert. Sie haben genug damit zu tun, diese Menschen zu integrieren. Wir dürfen nicht in eine Situation kommen, in der Städte ihre Schwimmbäder oder Büchereien schließen müssen, weil ihnen wegen der Ausgaben für die Flüchtlinge das Geld fehlt. Sonst sinkt die Akzeptanz unserer Hilfe.

Klar ist auch, dass wir schneller feststellen müssen, wer Anrecht auf Asyl oder einen Flüchtlingsstatus bei uns hat. Dann geht es darum, diese Menschen zügig zu integrieren – in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft. Das heißt: Ihre Fähigkeiten und Qualifikationen ermitteln und Deutschunterricht. So geht verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik.

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