„Das nächste Gesetz ist auf dem Weg“

Andrea Nahles verschärft den Ton gegen die Kritiker am Mindestlohn aus den Reihen der Union.

„Sie machen sich zum Büchsenspanner für Interessengruppen, die in Wahrheit mit dem Mindestlohn ihren Frieden nicht gemacht haben“, sagte die Arbeitsministerin SPD.de. Für Änderungen am Gesetz sieht sie keinen Anlass. „Wir wollen, dass der Mindestlohn für alle gilt.“ Zugleich kündigt sie ein Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen an.

SPD.de: Welche Bilanz ziehst du nach 100 Tagen Mindestlohn?
Andrea Nahles: Der Mindestlohn funktioniert. Er kommt an bei 3,7 Millionen Menschen. Er ist eine Erfolggeschichte allen Unkenrufen zum Trotz. Horrorszenarien gab es ja genug. Hunderttausende Arbeitsplätze sollten wegfallen. Doch das stimmt nicht. Im Gegenteil: Wir haben sogar eine Stärkung der Binnenkonjunktur.

SPD.de: Sind denn nun Jobs weggebrochen?

Andrea Nahles: Nein, wir können nichts dergleichen feststellen. Ich würde jetzt noch ein paar Monate warten, um abschließend Bilanz zu ziehen. Wir haben den Mindestlohn einfach zur richtigen Zeit eingeführt. Die Situation am Arbeitsmarkt ist bestens. Wir haben eine gute konjunkturelle Lage. Das hilft natürlich. Der Mindestlohn sorgt für fairen Wettbewerb. Es gibt kein Lohndumping mehr in dem Maße wie bisher. Das scheint sich positiv auf die Wirtschaft auszuwirken.

SPD.de: Und wie hoch ist der bürokratische Aufwand für Unternehmen?


Andrea Nahles: Ich halte den für völlig angemessen und auch nicht hoch. Wir haben für lediglich neun Branchen und für die Minijobs zusätzliche Aufzeichnungspflichten vorgeschrieben. Hier müssen Anfang und Ende der Arbeit aufgeschrieben werden. Das ist nicht wahnsinnig aufwendig. Es hat auch einen Grund, warum in diesen Branchen die Arbeitszeit dokumentiert werden muss. Sie sind im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz aufgeführt, weil es dort in der Vergangenheit eine Häufung von Auffälligkeiten gab. Aber natürlich ist damit nicht jeder einzelne Unternehmer gemeint.

SPD.de: Unsicherheit herrschte anfangs vor allem bei den Sportvereinen und im Ehrenamt. Hat sich die Lage entspannt?
Andrea Nahles: Ja. Wir haben grundsätzlich festgelegt, dass das Ehrenamt vom Mindestlohn ausgenommen ist. Es gab Unsicherheiten, was man jetzt als ehrenamtliches Engagement werten kann und was als bezahlte Arbeit. Diese Unsicherheit haben wir aufgelöst und Rechtssicherheit geschaffen. Dennoch wäre es gut, wenn wir in Deutschland zu einer klareren Definition kommen würden, was Ehrenamt ist und was nicht. Ich wäre dazu bereit, diese Klarstellung zu machen.

SPD.de: Teile der Union verlangen Änderungen am Mindestlohngesetz. Was genau wollen die?
Andrea Nahles: Sie machen sich zum Büchsenspanner für Interessengruppen, die in Wahrheit mit dem Mindestlohn ihren Frieden nicht gemacht haben. Wer zum Beispiel wie Ilse Aigner oder Michael Fuchs dazu auffordert, Kontrollen auszusetzen oder die Minijobs ganz rauszunehmen, der will, dass der Mindestlohn bei diesen Minijobbern nicht wirklich ankommt. Das ist eine klare Aufforderung zur Umgehung des Mindestlohns. Das wird es mit mir nicht geben. Wir wollen keinen „Mindestlohn light“. Wir wollen auch keinen Mindestlohn, der nur für die Ehrlichen gilt. Wir wollen, dass der Mindestlohn für alle gilt. Wir haben auch eine Pflicht, die ehrlichen Arbeitgeber vor Lohndumping zu schützen. Und das sind 99 Prozent der Unternehmen. Da bin ich mir ganz sicher.

SPD.de: Muss darum das Gesetz jetzt geändert werden?

Andrea Nahles: Nein.

SPD.de: Du hast für den Mindestlohn und für bessere Renten gesorgt: Kannst Du Dich jetzt zurücklehnen und Deine Reformen wirken lassen oder hast Du noch was im Köcher für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?


Andrea Nahles: Seit vielen Jahren beobachten wir, dass es bei Leiharbeit und Werkverträgen Missbrauch gibt. Niemand hat etwas gegen Leiharbeit, die Auftragsspitzen abdeckt. Niemand hat etwas gegen Werkverträge, die gibt es schon seit über 100 Jahren in Deutschland. Aber beispielsweise in der Fleischindustrie hat es massenhaft Missbrauch bei den Werkverträgen gegeben. Und es gibt immer noch eine unbefriedigende Situation bei der Leiharbeit. Das packen wir im Mai an. Das heißt, das nächste Gesetz ist schon auf dem Weg.

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