Wer hat nun eigentlich die Mehrheit?

Wer die Titelseiten der Tageszeitungen betrachtet, könnte auf den Gedanken kommen, Ole von Beust habe mit seiner CDU die Wahl gewonnen. Natürlich ist dies Unfug – mit 42,6 % und 56 Bürgerschaftssitzen gewinnt man keine Wahl. Und Bürgermeister bleiben kann er nur, wenn bei den möglichen Partnern der Drang zum Fleischtopf die Moral übersteigt.

Wer weiterblättert, kommt zu den Diagrammen mit der künftigen Sitzverteilung in Hamburgs Parlament – und sieht: Es gibt eine Mehrheit links von der CDU, und der SPD käme in dieser Mehrheit die führende Rolle zu.

Damit wäre unter normalen Bedingungen alles klar: Beusts Kraftwerk ist nicht kleiner geworden, seine aberwitzige U-Bahn nicht vernünftiger, die Abschaffung der Lernmittelfreiheit nicht sozialer, und all die vielen, vielen anderen Fehlentscheidungen zu Lasten der Hamburgerinnen und Hamburger sind nicht besser geworden. Wenn es am Sonnabend noch richtig war, dass er aus dem Amt gehört, dann ist dies am Montag nicht falsch.

Wäre da nicht das unseelige „Nie!“ des SPD-Spitzenkandidaten. Er hat aus nachvollziehbaren Gründen stets darauf bestanden, mit der Linken weder koalieren noch sich von ihr tolerieren lassen zu wollen. Der Landesvorsitzende Ingo Egloff äußerte sich ähnlich. Nur haben die Wähler jetzt anders entschieden: Ohne die Linke geht derzeit links von der CDU nichts.

Das gilt in Hamburg, das gilt in Hessen, und das hätte übrigens auch gegolten, wenn der SPD-Parteivorsitzende sich weniger tolpatschig verhalten hätte. Die Linke wäre auch dann im Parlament, und ein oder zwei Prozent mehr hätten der SPD in dieser Frage nichts genützt.

Jetzt kommt es darauf an, was mehr zählt:

– Ist es wichtiger, mit rotgrünem Senat und linker Tolerierung Gesetze zu verabschieden, so wenigstens die gröbsten Fehler der Beust-Jahre zu beseitigen und den Menschen in der Stadt zu zeigen, dass man eben doch etwas bewegen kann?

– Oder ist wichtiger, „ein Mann, ein Wort“ zu verteidigen und mit den Linken vorerst nicht zusammenzuarbeiten, weil die andere Variante als „Wortbruch“ verstanden werden könnte?

Hamburgs Sozialdemokraten wären nicht sie selbst, würden sich nicht über diese Frage schon wieder Lager formieren. Sogar mögliche Kandidaten für das Bürgermeisteramt werden schon diskutiert für den Fall, dass Michael Naumann bei seinem „Njet!“ bleibt, eine Mehrheit aber für Rotgrünrot votiert. Alles noch etwas undurchsichtig – aber spannend werden die nächsten Wochen gewiss.

Außer, die GAL würde sich mit der CDU einigen. Aber angesichts der Tatsache, dass sie gestern ein Drittel ihrer Abgeordneten verloren hat ist wohl auch das mehr als fraglich.

5 Gedanken zu „Wer hat nun eigentlich die Mehrheit?“

  1. Ein Mann ein Wort, so ein Quatsch. Der Wähler entscheidet, nicht die Politiker. Doch das werden die wohl nicht mehr lernen…
    Die GAL sollte sich was schämen. Konservativ und Realo passt nunmal nicht zusammen, sonst können die sich gleich wieder mit der SPD vereinigen. Deren „Ruck zur Mitte“ war es doch, der Platz für neue Parteien links von der SPD ermöglicht haben. Offensichtlich sind alle Parteien auf der Suche nach Wählerstimmen so weit in Richtung Mitte gewandert, dass sie sich inzwischen auf der rechten wiederfinden. Was bleibt also einem Wähler der nicht sehen will wie Politiker IHR Ding durchziehen, sondern für MEINE Interessen gerade stehen, als denn die Linke zu wählen!? Die Prestigesüchtigen und Geltungsbedürftigen Poltiker hängen mir jedenfalls zum Hals raus!

  2. Pingback: Hansjörg Schmidt

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