Verschleiernde Zahlen (I)

ZAHLEN.jpegDer DGB Hamburg rät genau hinzuschauen, wenn morgen Handels- und Handwerkskammer mit der Arbeitsagentur und dem Senat auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Bilanz zum Ausbildungs-Stellenmarkt vorlegen.

„Bei allem Bemühen, mit staatlichen Sonderprogrammen unversorgten Lehrstellenbewerber noch eine Chance auf Ausbildung zu geben, steht bereits fest: Es fehlen mindestens 5000 Ausbildungsplätze in Hamburg, es wird nicht ehrlich umgegangen mit Zahlen und Statistiken und die Unternehmen stehlen sich weiterhin aus ihrer Ausbildungs-Verantwortung“, sagt Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg.

Pumm weiter: „So bilden nur 16 Prozent der Hamburger Firmen in Hamburg aus, obwohl 40 Prozent dazu berechtigt wären! Damit bildet die Hansestadt bundesweit das traurige Schlusslicht. Die Unternehmen müssen erkennen, dass sie nicht mit Billigkräften und Praktikanten auskommen, sondern dass auch ihre Zukunftsfähigkeit davon abhängt, ob sie rechtzeitig in Ausbildung und damit in leistungsstarke Fachkräfte von morgen investieren!“

Rund ein Drittel der Bewerber kommen aus den umliegenden Bundesländern. Wer als Jugendlicher bereit sei, seinen Heimatort zu verlassen, zähle zu den flexiblen und starken Bewerbern, so Hamburgs DGB-Vorsitzender. „Natürlich sind wir in der Großstadt auch mit Schulabgängern aus schwierigen sozialen Lagen konfrontiert, und natürlich kann ein schlechter Schüler aus Hamburg nicht mit einem guten Schüler aus Parchim mithalten – aber eine ,wachsende Stadt‘ Hamburg mit Metropolfunktion darf sich nicht nur die Rosinen picken.“

Angesichts der künftig weiterhin hohen Schulabgängerzahlen – allein im Jahr 2010 verdoppelt sich die Zahl der Gymnasiasten durch das Abi nach 12 Jahren – wird sich das Ausbildungsplatz-Problem nicht von alleine lösen. Erhard Pumm: „Wenn zwei Abi-Jahrgänge in einem Jahr auf den Ausbildungsmarkt drängen, werden bei unveränderten Bedingungen Real- und Hauptschüler sowie Jugendliche ohne Schulabschluss überhaupt keine Chance mehr haben. Wir müssen heute handeln, damit wir in vier Jahren nicht vor einem noch größeren
Ausbildungs-Desaster und damit vor gewaltigen sozialen Problemen stehen.“

Fakten, die zu denken und Anlass für kritische Fragen geben:

– Die Diskrepanz zwischen der realistischen Zahl unversorgter Lehrstellenbewerber und derjenigen, die von der Arbeitsagentur als ausbildungsfähig eingestuft, also als Bewerber anerkannt werden und zur Vermittlung in die Statistik gelangen, beträgt mehrere Tausend Jugendliche.

27 419 Ratsuchende sind für Hamburg bei der BA registriert, 13,6 % mehr als im Vorjahr, davon wurden 7 187 Jugendliche als Bewerber von der BA anerkannt, das sind 6,6 % weniger als im Vorjahr

– Verglichen mit dem damaligen Tiefpunkt-Jahr 94/95 sank die Zahl der Ausbildungsplätze im dualen System bis heute nochmals um 25 %.

– Nur 16 % der Hamburger Unternehmen in Hamburg bilden aus, obwohl 40 % dazu berechtigt wären! Damit steht die Hansestadt bundesweit am Ende der Skala. In Bayern bilden 23 % der Betriebe aus.

– Es entstand so eine gewaltige Bugwelle von Altbewerbern – rund 70 % aller Hamburger Bewerber in 2006 sind Jugendliche, die schon in früheren Jahren leer ausgingen! Nur rund 30 % der als Bewerber deklarierten Jugendlichen sind Schulabgänger aus dem diesem Jahr – die Bugwelle wird also zu einem Tsunami, wenn nichts geschieht!

– Nur rund 35 % der Bewerber eines Jahres landen in der dualen Berufsausbildung (11 000 Plätze). In den sog. Warteschleifen verharren Tausende Jugendliche, die lieber heute als morgen in eine reguläre duale Ausbildung wechseln würden: Sie alle müssten ebenfalls zu den „Unversorgten“ gezählt werden.

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