SPD will U-Untersuchungen zur Pflicht machen

Mit einem Bürgerschaftsantrag (siehe Anlage als PDF) will die SPD-Bürgerschaftsfraktion den Weg für verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder frei machen. Die so genannten U-Untersuchungen könnten – wenn sie zu einer Pflicht gemacht würden – einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern zu verhindern, sagte die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Britta Ernst bei der Vorstellung eines entsprechenden Gesetzentwurfes. Die Ersatzkassen begrüßen die Initiative (Stellungnahme als PDF).

„Wir müssen alles tun, um Kindern in Hamburg das Schicksal der kleinen Jessica zu ersparen. Wer ein dichtes Netz zum Schutz von Kindern knüpfen will, muss die U-Untersuchungen verpflichtend machen“, sagte Ernst, die nach dem Hungertod des Mädchens den Sonderausschuss „Vernachlässigte Kinder“ geleitet hat.

Hamburg hatte nach dem Tod Jessicas zwar auf Druck der Bürgerschaft eine Bundesratsinitiative für mehr Kinderschutz gestartet. „Der Senat hat aber versäumt, deutlich zu machen, dass jedes Bundesland Regelungen für verpflichtende Früherkennungsuntersuchungen verabschieden kann. Diese Lücke wollen wir jetzt schließen“, sagte Ernst.

In der Abwägung zwischen dem Recht der Eltern auf selbstbestimmende Erziehung einerseits und dem Recht von Kindern auf Unversehrtheit stelle sich die SPD „eindeutig und ohne Vorbehalte“ auf die Seite der Kinder. „Wir haben den Mut zu einer klaren und nachvollziehbaren Positionierung – ohne Eltern unter Generalverdacht zu stellen“, betonte die SPD-Parlamentarierin.

Um das Ziel zu erreichen, die U-Untersuchungen verbindlich zu machen, schlägt die SPD-Bürgerschaftsfraktion vor, das Hamburgische Gesundheitsdienstgesetz (HmbGDG) zu ändern. Damit soll folgendes erreicht werden:

Ø Verbindlichkeit der U-Untersuchungen mit dem Ziel einer höheren Beteiligung

Ø Befugnis zur Datenerhebung und Weitergabe, die den Datenaustausch zwischen Meldebehörde, Gesundheitsämtern und der Jugendhilfen ermöglicht

Ø Information der Jugendämter nach festgestellter Verweigerung der Teilnahme, um geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten

und zwar wie folgt:

Ø Einfügen eines neuen § 7a „Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder“

Ø Der Auftrag des ÖGD wird ergänzt um den Satz „Er (der ÖGD) beobachtet und bewertet die förderlichen und abträglichen Bedingungen für eine gesunde Entwicklung von Kindern in ihrem Lebensumfelde

Ø Ein Gesundheitsamt wird als zentrale Stelle für den Datenabgleich benannt

Ø Dem Zentralen Gesundheitsamt werden von Ärzten die Daten zur Früherkennung übermittelt

Ø Das zentrale Gesundheitsamt fordert Eltern, auf die Früherkennungsuntersuchungen durchzuführen und die, die es versäumt haben, auf, dies nachzuholen

Ø Erfolgt dies nicht, wird das örtlich zuständige Gesundheitsamt informiert

Ø Die Eltern über die Bedeutung dieser Untersuchung informiert

Ø Erfolgt weiterhin keine Teilnahme, werden die zuständigen Jugendämter informiert

Der SPD-Gesetzentwurf gehe sensibel mit dem Datenschutz um, betonte Ernst. Sie unterstrich aber, dass aus Sicht der SPD das Wohl kleiner Kinder auch in dieser Hinsicht einen klaren Stellenwert haben müsse.

Zentraler Aspekt des SPD-Gesetzentwurfes ist die Verpflichtung für Eltern, ihre Kinder bei den so genannten U-Untersuchungen vorzustellen. Die Initiative der SPD-Bürgerschaftsfraktion weist dabei Parallelen zu einem Beschluss des Saarländischen Landtages auf. Dort ist bereits ein Gesetz auf den Weg gebracht worden, das die U-Untersuchungen zur Pflicht macht.

Es sei bedauerlich, dass der Senat nach dem Tod von Jessica nicht entsprechend gehandelt hat, sagte Ernst. Es sei schlicht unverantwortlich, auf eigenes Handeln mit Hinweis auf eine mögliche bundeseinheitliche Regelung zu verzichten. Der Senat habe versäumt, seine Kompetenz wahrzunehmen und stattdessen den Kinderschutz auf die lange Bank geschoben, warf Ernst vor.

Kritik übte die SPD gleichzeitig an der Stellungnahme des Senats zum Bericht des Sonderausschusses „Vernachlässigte Kinder“. Die SPD-Abgeordnete Andrea Hilgers bezeichnete die Stellungnahme als „Resultat einer müden, lustlosen Herunterschreiberei“.
Wichtige Punkte habe der Senat unzureichend oder noch gar nicht abgearbeitet. Rund 80 mal heiße es auf den 17 Seiten „es soll“ oder „es ist geplant“ – das sei angesichts dieser Problematik nicht akzeptabel. Hilgers bemängelte gleichzeitig die verspätete Umsetzung von Gesetzesfolgen, etwa im Rahmen des Kinderbetreuungsgesetzes. So sei der Start für ärztliche und zahnärztliche Untersuchungen nicht wie vorgesehen am 1. Januar 2006 erfolgt, sondern erst nach einem „Ermahnungsantrag“ der SPD zum November.

Mit Blick auf die Arbeitsbelastung des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) zeigte sich Hilgers skeptisch, ob die Verstärkungen ausreichen, um wieder „eine effektive aufsuchende Arbeit leisten zu können“. Der Senat rufe zu mehr Zivilcourage und mehr Aufmerksamkeit auf. Er sorge aber nicht dafür, dass diejenigen, die sich um Opfer von Vernachlässigung kümmern, entsprechend gestärkt werden. „So werden Appelle zu einer bloßen Abschiebung von Verantwortung“, kritisierte Hilgers.

Bedauerlicherweise habe der Senat nicht die vom Sonderausschuss „Vernachlässigte Kinder“ angeregte Übernahme des so genannten „Berliner Modells“ umgesetzt. „Stattdessen gibt es in Hamburg jetzt ein sehr kompliziertes dezentrales Modell“, kritisierte Hilgers. Dessen Funktionsweise sei so unbekannt, wie die vom Senat mittlerweile eingerichtete Kinderschutz-Hotline (426 427 428). „Für diese Hotline ist zwar anfangs geworben worden – bekannt ist sie aber längst noch nicht.“

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