SPD will Landesgesetz für Vorsorgeuntersuchungen

BABY_SCHREI.jpegIm Zusammenhang mit der Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau der „Arche“ hat SPD-Fraktionschef Michael Neumann das ehrenamtliche Engagement in den Hamburger Stadtteilen gewürdigt. Neumann mahnte die politisch Verantwortlichen in Hamburg gleichzeitig, sich nicht auf Kosten der Ehrenamtlichen von ihrer Verantwortung zu entlasten. In diesem Zusammenhang bekräftigte Neumann die Forderung der SPD-Bürgerschaftsfraktion nach einem Hamburgischen Gesetz für verbindliche Vorsorgeuntersuchungen von Kindern.

Der Fachsprecher für Sozialpolitik der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, forderte Sozialsenatorin Schnieber-Jastram auf, ihren Widerstand gegen eine Hamburger Regelung aufzugeben: „Wir brauchen verbindliche U-Untersuchungen. Frau Schnieber-Jastram aber versteckt sich hinter ihrer halbherzigen und überholten Bundesratsinitiative. Sie nutzt nicht die Möglichkeiten, die sie als Hamburger Regierungsmitglied hat.“ Das CDU-regierte Saarland oder jüngst das SPD-geführte Bundesland Bremen zeigten, dass es möglich und sinnvoll ist, im Bundesrat und parallel auf der Ebene der Landespolitik für das Wohl unserer Kinder zu kämpfen.

Kienscherf, Obmann der SPD-Fraktion im damaligen Sonderausschuss „Vernachlässigte Kinder“, verwies in diesem Zusammenhang auf einen Gesetzesvorschlag der SPD, der über den öffentlichen Gesundheitsdienst zu verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen – den so genannten U-Untersuchungen – führt. „Ein Signal von der CDU – und wir bringen den Gesetzentwurf in die nächste Bürgerschaft ein“, so Kienscherf. Im Januar hatte die CDU den Entwurf noch ohne Ausschussberatung abgelehnt („Gesetz zum Schutz von Kindern vor Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung“ – Drs. 18/5537).

„Es ist bedauerlich, dass CDU und Senat nach dem Tod von Jessica und weiteren schrecklichen Fällen nicht mit den Mitteln der Landesgesetzgebung entsprechend gehandelt haben“, so Kienscherf. Es sei schlicht unverantwortlich, hier mit Hinweis auf eine mögliche bundeseinheitliche Regelung Zeit zu verlieren, die Gesundheit und Leben von Kindern gefährden könne. Nach Schätzungen von ASD-Mitarbeitern gibt es in Hamburg bis zu 700 Fälle von verwahrlosten Kindern. Diese Zahl, so die SPD-Abgeordnete Andrea Hilgers, zeige, wie groß der Handlungsbedarf in Hamburg weiterhin ist. „Der Senat muss hier den Mut haben, sich klar zu positionieren“, sagte Hilgers. Sie bedauerte insbesondere, dass sich der Senat gegen ein zentrales Dezernat für Delikte gegen Schutzbefohlene entschieden hat. Dieses Modell wird in Berlin erfolgreich angewandt.

Kienscherf erinnerte daran, dass Bundesfamilienministerin von der Leyen bereits im Oktober 2006 ein „Frühwarnsystem“ angekündigt hatte, das noch 2006 in fünf Städten in Norddeutschland starten sollte. Anfang 2007 hätten gemäß von der Leyens Ankündigungen weitere Bundesländer folgen sollen (vgl. u. a. „Die Welt“ vom 13.10.2006 und „Frankfurter Rundschau“ vom 14.10.2006). „Wir haben keinen Grund und wir haben keine Zeit zu warten. Wir können heute handeln“, so Kienscherf.

In der Abwägung zwischen dem Recht der Eltern auf selbstbestimmende Erziehung einerseits und dem Recht von Kindern auf Unversehrtheit andererseits stelle sich die SPD „eindeutig und ohne Vorbehalte“ auf die Seite der Kinder, sagte die SPD-Familienpolitikerin Carola Veit. „Wir haben eine klare Positionierung, ohne Eltern unter Generalverdacht zu stellen“, sagte Veit.

Um die U-Untersuchungen verbindlich zu machen, schlägt die SPD-Bürgerschaftsfraktion vor, das Hamburgische Gesundheitsdienstgesetz (HmbGDG) zu ändern. Damit soll folgendes erreicht werden:

 Verbindlichkeit der U-Untersuchungen mit dem Ziel einer höheren Beteiligung

 Befugnis zur Datenerhebung und Weitergabe, die den Datenaustausch zwischen Meldebehörde, Gesundheitsämtern und der Jugendhilfen ermöglicht

 Information der Jugendämter nach festgestellter Verweigerung der Teilnahme, um geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten

und zwar wie folgt:

 Einfügen eines § 7a „Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder“

 Der Auftrag des ÖGD wird ergänzt um den Satz „Er (der ÖGD) beobachtet und bewertet die förderlichen und abträglichen Bedingungen für eine gesunde Entwicklung von Kindern in ihrem Lebensumfelde

 Ein Gesundheitsamt wird als zentrale Stelle für den Datenabgleich benannt

 Dem Zentralen Gesundheitsamt werden von Ärzten die Daten zur Früherkennung übermittelt

 Das zentrale Gesundheitsamt fordert Eltern auf, die Früherkennungsuntersuchungen durchführen zu lassen und die, die es versäumt haben, auf, dies nachzuholen

 Erfolgt dies nicht, wird das örtlich zuständige Gesundheitsamt informiert

 Die Eltern werden über die Bedeutung dieser Untersuchung informiert

 Erfolgt weiterhin keine Teilnahme, werden die zuständigen Jugendämter informiert, die dann mit ihren Instrumenten tätig werden können

Die SPD-Fraktion hat den Gesetzentwurf auf die Vereinbarkeit mit den Erfordernissen des Datenschutzes geprüft. Die Verbände der Ersatzkassen – VdAK/AEV-Landesvertretung Hamburg – hatten den SPD-Gesetzesvorschlag ausdrücklich begrüßt (vgl. Pressemitteilung vom 17. Januar 2007).

Ein mittlerweile beschlossenes Gesetz des CDU-regierten Saarlandes, an dem sich der Hamburger SPD-Vorschlag eng orientiert, war dort auf Zustimmung bei CDU und SPD sowie bei Grünen und FDP gestoßen. Auch in Bremen ist ein vergleichbares Gesetz im April verabschiedet worden. Zuletzt hatte im Mai der Deutsche Ärztetag verbindliche ärztliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder gefordert: „Jugendhilfe und öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖDG) sollen in einem gesetzlich verankerten Meldewesen Eltern, die ihr Kind nicht zu den Früherkennungsuntersuchungen bringen, über ein Erinnerungsverfahren zur Teilnahme auffordern“ (vgl. Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 17.05.2007).

Zitate aus Reihen der CDU zum Thema bzw. zum Sonderausschuss „Vernachlässigte Kinder“ und zur Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen:

Sozialsenatorin Schnieber-Jastram in der Bürgerschaft vom 01.02.2006 zum Bericht des Sonderausschusses: „ (..) werden wir die Empfehlungen des Ausschusses umsetzen (..). Ich nenne hier beispielsweise die Initiative, die U 1- bis U 9-Untersuchung verpflichtend zu machen.“ Und zum Thema Zusammenarbeit: „Ich würde mich freuen, wenn mich mein Eindruck nicht trügt, dass wir jetzt am Schluss des Sonderausschusses erreicht haben, dass für das Wohl von Hamburgs Kindern alle an einem Strang ziehen.“

Bgm. von Beust: „Unser Ehrgeiz muß sein, daß kein Kind in Hamburg durchs Rost fällt.“ Und: „Wenn sich im Haushalt ein gewisser Spielraum ergeben sollte, bin ich dafür, ihn dafür zu nutzen, daß kein Kind durchs Rost fällt.“ (jeweils Ole von Beust auf dem CDU-Landesparteitag am 17.11.2005; Quelle: Hamburger Abendblatt 18.11.2005)

Justizsenator Lüdemann: „Wir müssen an allen erdenklichen Schrauben drehen, um mögliche Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen“ (30.11.2006 auf der Justizministerkonferenz in Brüssel).

Egbert von Frankenberg (CDU-Obmann im Sonderausschuss) in der Bürgerschaft vom 01.02.2006 zum Bericht des Sonderausschusses: „Der Sonderausschuss hat seinen Auftrag erfüllt, aber die Arbeit geht weiter. Entscheidend für den Erfolg ist, dass der Gedanke ‚Gemeinsam handeln für Hamburgs Kinder’ weiter lebt. Dafür werden wir gemeinsam weiter arbeiten.“ Und zur Wirksamkeit von U-Untersuchungen: „Dadurch wird Vorsorge verbindlicher und das Gitter wird engmaschiger, mit dem man Fälle von Vernachlässigung aufdecken kann.“

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