Senat bittet Pflegebedürftige zur Kasse

Nach Eltern und Familien sind jetzt pflegebedürftige HamburgerInnen an der Reihe: Rund 2000 Pflegeheimbewohnern drohen zusätzliche Belastungen in Höhe von rund 5000 EUR pro Jahr sowie die Einbringung von bis zu 5200 EUR von ihrem Vermögen.

Dies sind die Folgen des heutigen Senatsbeschlusses zur Streichung der einkommensunabhängigen Einzelförderung. „Dass Senator Wersich nach den Kindern und Familien nun auch bei den Pflegebedürftigen in dieser Weise kürzt, ist mehr als zynisch“, sagte SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf. Gleiches gelte für Wersichs Versuch, die Einschnitte als „Abstellung eines Fehlanreizes“ hinzubiegen. „Hier steht – wie bei den geplanten Gebührenerhöhungen für den Kita-Besuch, ausschließlich die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund“, unterstrich Kienscherf.

Den Senatsplänen entsprechend wird den rund 7350 Bezieherinnen und Beziehern der einkommensabhängigen Einzelförderung die im Durchschnitt monatliche Förderung in Höhe von 403 Euro gestrichen. Etwa 2000 Pflegebedürftige davon, die bisher keine staatliche Unterstützung erhielten, müssen nun aber zusätzlich bis zu 5000 Euro pro Jahr mehr für ihre Heimunterbringung zahlen oder in den Sozialhilfebezug gehen. Gleichzeitig wird das Schonvermögen von derzeit 7800 Euro auf 2600 Euro gekürzt. Die Bezirksämter sollen angewiesen werden, umgehend die Pflegebedürftigen zu überprüfen, Vermögenswerte einsammeln und sogar Angehörige zur Kasse bitten. Und über den Umfang der Beteiligung von Angehörigen der 7350 bzw. 2000 Heimbewohner kann der Senat – wie er selber intern eingesteht – keine Auskunft geben.

„Der Sozialsenator praktiziert Raubrittertum auf Kosten der Schwachen“, kritisierte Kienscherf. Alte, pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen habe man noch vor einem Jahr gedrängt, ihre Vermögenssituation offenzulegen und versichert, dass 7800 Euro auf jeden Fall verbleiben. Darüber hinaus hat man ihnen eine monatliche finanzielle Förderung zugesagt. Nun werden diese Zusagen einkassiert – und die Bezirksämter werden beauftragt, von diesen 7900 Euro ihrerseits rund 5200 einzukassieren. Das führt zu einer enormen, nicht zu rechtfertigenden Verunsicherung der alten Menschen sowie zu einem unglaublichen Vertrauensverlust auch bei den Angehörigen“, sagte Kienscherf.

Als „heuchlerisch“ bezeichnet Kienscherf die Darstellung des Senats, mit der Streichung der Förderung einen „Fehlanreiz zum Heimeinzug“ zu beseitigen. „Ich weiß nicht, in welcher Welt dieser Sozialsenator lebt. Ich kenne keinen Fall, in dem die Förderung dazu geführt hat, dass Menschen leichtfertig in einem Heim untergebracht wurden“, sagte Kienscherf.

Er sieht eine grundsätzliche Gefahr in der aktuellen Entscheidung: „Vor Jahren ist der CDU-geführte Senat aus der öffentlichen Förderung beim Bau und der Modernisierung von Alten- und Pflegeheimen ausgestiegen. Pflegen und Wohnen wurde privatisiert. Auch deshalb steigen mittlerweile in den Einrichtungen die Investitionskosten enorm an, die auf die Bewohner umgelegt werden. Jetzt werden auch noch die direkten Hilfen für diese Menschen gekürzt und damit fast jeder Bewohner in die Sozialhilfe getrieben. Eine aus Sicht von Kienscherf „fatale Entwicklung“.

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