Prinzipienreiterei gegen Integrationsklassen

Wie jetzt bekannt wurde hat die Schulbehörde Anfang der Woche die Grundschulen mit Integrationsklassen angewiesen, ab sofort in den 3. und 4. Klassen Notenzeugnisse einzuführen. Die bisher üblichen Berichtzeugnisse sollen lediglich Kinder mit Behinderung erhalten. Damit bricht die Behörde ihr Versprechen gegenüber den Schulen, für Integrationsklassen eine Ausnahmeregelung zu treffen.

Sie sollten von der Pflicht zur Notengebung ausgenommen werden, damit der pädagogische Ansatz der Integration nicht durch Ungleichbehandlung unterlaufen wird. Genau dies wird aber nun vorgeschrieben.

Die GAL-Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch reagiert darauf mit scharfer Kritik: „Es ist eine maßlose Schlamperei, dass die Schulbehörde schlichtweg vergessen hat, eine Ausnahmeverordnung für Integrationsklassen zu erlassen. Der Notenfetischismus der CDU gefährdet nun die pädagogische Arbeit in den Integrationsklassen.“

Christa Goetsch fordert die Schulsenatorin auf, das erneute Chaos in der Schulbehörde schnell zu beenden. „Schulbehörde und CDU müssen jetzt sofort die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit die integrative Praxis der Berichtszeugnisse in Integrationsklassen fortgesetzt werden kann.“

Der SPD-Bildungsexperte Wilfried Buss warf der Schulsenatorin vor, den Gedanken der Integration von behinderten und nicht behinderten Menschen zu untergraben. Nach dem „geplatzten Versuchsballon über Werbung in den Schulen“ liefere die Schulsenatorin einen weiteren Beweis für fehlendes Fingerspitzengefühl und mangelnden politischen Instinkt.

„Kinder in einer Grundschulklasse werden wegen ihrer Behinderung ein anderes Zeugnis ausgestellt bekommen als ihre nicht-behinderten Klassenkameraden. Das zeigt auf erschütternde Weise das fehlende Gespür des Senats für eine konsequente Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in dieser Stadt“, ergänzte der SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf. Die Anweisung sei „Zeichen für Ausgrenzung und gegen die Integration von behinderten Kindern“.

Buss kritisierte weiter, dass die Neuregelung ohne jegliche vorherige Information der Eltern eingeführt wird. „Das zeigt deutlich, wie wenig der CDU-Senat am Elternwillen interessiert ist“, sagte Buss.

Zum Hintergrund:

Mit einer Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes hat die CDU Anfang 2006 einen empfindlichen Einschnitt in die pädagogische Arbeit der Integrationsklassen an knapp 50 Hamburger Schulen beschlossen. Alle Kinder in den 3. und 4. Grundschulklassen sollten nun statt Berichtszeugnissen Noten bekommen – auch wenn Eltern, Lehrerinnen und Lehrer dies gar nicht wollen.

Das trifft die Integrationsklassen an knapp 50 der Hamburger Grundschulen. Dort bekommen alle Kinder das gleiche Zeugnis. Kein Kind soll mit einem Extra-Zeugnis stigmatisiert werden. Obwohl der Zwang zu Noten bereits im letzten Schuljahr in allen Grundschulen hätte umgesetzt werden müssen, gab es in den meisten Integrationsklassen bis heute keine Noten. Die Schulbehörde hatte nach der Gesetzesänderung den Protest der Eltern und Schulen damit beruhigt, dass es bald eine Ausnahmeverordnung gäbe, und sie aufgefordert, an der bewährten Praxis festzuhalten. Nun erging – nach Beginn des Schuljahres – die gegenteilige Aufforderung.

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