Integration zum Nulltarif?

Im Grundsatz wird das vom Senat endlich vorgelegte Integrationskonzept begrüßt – aber es gibt viele Zweifel daran, ob es ernst gemeint ist. Vor allem die finanzielle Ausstattung wird als völlig unzureichend eingeschätzt.

Zum Handlungskonzept zur Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern sagt Nebahat Güçlü, migrationspolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion: „Die CDU hat viele unserer Forderungen aufgegriffen und daraus ein ganz ordentliches Konzept entwickelt. Allerdings steckt der Teufel im Detail: Viele Handlungsansätze im Bildungsbereich und in der beruflichen Integration sind reine Prüfaufträge, die keine Garantie auf Umsetzung geben. Zudem will der Senat keinen zusätzlichen Euro in die Finanzierung des umfassenden Konzeptes stecken. Dabei ist Integration nicht umsonst zu haben!“

Auch Aydan Özoguz, Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion für Zuwanderung und Integration, hat das vom Senat vorgelegte Integrationskonzept begrüßt, gleichzeitig aber auf Mängel bei den Verantwortlichkeiten für dessen Umsetzung hingewiesen. Die Aufgabenteilung der Behörden müsse klar nachvollziehbar sein, damit die Umsetzung des Konzepts klappt, sagte Özoguz. Sie zeigte sich gleichzeitig skeptisch, ob die „Ziele des Integrationskonzeptes ohne einen einzigen zusätzlichen Euro zu erreichen sind“.

Güçlü kritisiert auch, dass das Handlungskonzept die Gruppe der Migrantinnen und Migranten ohne verfestigten Aufenthaltsstatus ausschließe. „Hamburg ist eine Stadt der Vielfalt, der alle hier lebenden Menschen angehören. Auch Menschen ohne festen Aufenthaltsstatus sollten von den Integrationsangeboten profitieren können. Integration darf sich nicht nur an rein wirtschaftlichen Erwägungen orientieren, sondern muss auch als soziale und humanitäre Gesellschaftsaufgabe verstanden werden.“

Die SPD-Abgeordnete wies darauf hin, dass in den Haushaltsplanungen der Behörden ein Integrationskonzept bisher nicht zu erkennen ist. „Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob wir es bei dem Konzept mit einem Wunschzettel oder mit einer konkreten Handlungsanweisung zu tun haben“, bedauerte Özoguz. „Der Handlungsbedarf in den Bereichen Sprachförderung über Bildungsdefiziten bis zu Jugendarbeitslosigkeit ist zu anspruchsvoll als dass man ohne eine einzige zusätzliche Investition erfolgreich Abhilfe schaffen kann.“ Die Erfahrungen mit dem so oft angekündigten wie verschobenen „Welcome Center“ oder der bisher ausgebliebene Beschluss über die angekündigten Nachbarschaftszentren böten Grund zur Skepsis.

Erfreulich sei, dass der Senat in der Integrationsdebatte den Wert des Spracherwerbs jetzt höher bewerte als bisher, so Özuguz. „Allerdings ist fraglich, warum der Senat in diesem Bereich Haushaltsmittel hin- und herschiebt, statt sich eindeutig auf eine Verstärkung der Sprachförderung festzulegen“, sagte die Abgeordnete. Dass es zu Kürzungen in der Sprachförderung ausgerechnet in Vierteln kommt, die diese Form der Integrationsunterstützung besonders nötig haben und dass inzwischen fünf Jahre verstrichen seien seit der Integrationsbeirat diese Forderung stellte, sei „weiterer Beleg für die Widersprüchlichkeit des Senats bei den Themen Integration und Zuwanderung“, sagte Özoguz. „Berühmt ist die Senatorin für Rhetorik, aber leider nicht für hilfreiche Politik.“ Ähnlich widersprüchlich sei es, dass die Sozialsenatorin an einem Integrationspapier arbeiten lasse, während der Innensenator Flüchtlingsfamilien in den afghanischen Winter abschieben will.

Hüseyin Yilmaz, DGB-Migrationsexperte, Mitglied des Integrationsbeirats und beteiligt an den Arbeitsgruppen zum Integrationskonzept: „Das Integrationskonzept ist wichtig und überfällig. Daran beteiligt waren neben der Behörde verschiedendste Gruppen und Organisationen – wenn das Integrationskonzept von der Gesamtheit getragen werden soll, muss der Senat
auch Sorge dafür tragen, dass alle Punkte in der praktischen Umsetzung berücksichtigt und von ihm ,ungeliebtere Ziele‘ nicht auf dem Papier stehen gelassen werden. Sollte das gelingen, kann das Hamburger Integrationskonzept bundesweit ein positives Signal aussenden. Doch dazu muss auch Geld in die Hand genommen werden.“

Wichtig sei zum Beispiel die Förderung und den Erhalt der Bilingualität in den Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen: „Doch dafür braucht es zusätzliches Personal. Wir wollen hoffen, dass der Senat es ernst meint mit der Realisierung des Ziels und die Stellen aufstockt“, so Yilmaz. „Gelungene Integration bedeutet schließlich nicht nur, dass alle deutsch zu sprechen haben.“

Die auffällige Bildungsarmut unter Migranten könne auch durch eine generelle Umstellung des Schulsystems behoben werden. Hüseyin Yilmaz: „Es gibt überproportional viele Migrantenkinder ohne Schulabschluss oder mit schlechten Abschlüssen, die keine Perspektive fürs Berufsleben bieten. Deshalb brauchen wir die ,Schule für alle‘ bis zur Klasse 10, wo Kinder mit Startschwierigkeiten nicht nach vier Jahren auf die verschiedenen Schulformen
sortiert werden und ihr Schicksal quasi besiegelt ist, sondern gemeinsam mit den Stärkeren lernen. Das käme auch vielen Deutschen zu Gute.“

Auch das angestrebte Ziel, die Quote der Auszubildenden mit Migrationshintergrund in der Hamburger Verwaltung zu erhöhen, müsse gründlich evaluiert werden.

Die GAL-Bürgerschaftsfraktion hat mit ihrem Integrationskonzept FORMEL Vielfalt ein eigenes Modell gezeigt, wie die „Einwanderungsstadt Hamburg“ gestaltet werden kann. Güçlü fordert nun von der CDU, über die Auflistung bestehender Integrationsangebote und über Prüfaufträge hinauszugehen: „Die CDU kann zeigen, dass sie es mit der Integration ernst meint, zum Beispiel mit einer Initiative zur Einstellung von Migrantinnen und Migranten in Bildungsberufe, mit einer Einbürgerungskampagne und mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für Menschen mit ausländischem Pass.“

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