Freifahrtschein für CDU-Abzocker

Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) und seine Behörde waren frühzeitig über die Mietbetrügereien des CDU-Deputierten Kuhlmann Bescheid, haben aber bewusst monatelang nichts gegen ihn unternommen. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion hervor.

„Kuhlamm hatte eine Art behördlichen Freifahrtsschein, um sich auf Kosten von Hartz-IV-Empfängern und Allgemeinheit zu bereichern“, sagte SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf. Irritierend sei, dass es beim Sozialsenator kein Zeichen von Unrechtsbewusstsein oder Einsicht gebe. „Der Senator hätte aufgrund seines besonderen Verhältnisses zum CDU-Deputierten und Vermieter Kuhlmann alles unternehmen müssen, um die Verdachtsfälle aufzuklären und der Miet-Abzocke ein Ende zu setzen“, sagte Kienscherf.

Mit der Beantwortung der Großen Anfrage räumt der Senat erstmals ein, dass der Fachbehörde die Problematik seit Anfang Oktober 2009 bekannt war. Das hatte er in der Antwort auf eine voran gegangene Kleine Anfragen nicht zugegeben. Damit stelle sich jetzt erneut die Frage, was Sozialsenator Wersich von diesem Zeitpunkt an unternommen hat, um den Betrugsfällen Kuhlmanns entgegenzuwirken. Das betreffe auch die Frage, ob Wersich versucht hat, den Deputierten zur Aufgabe seines Mandats zu bewegen. „Dazu hat sich der Senator bis heute nicht äußern wollen. Er hat Gelegenheit, das nachzuholen“, sagte Kienscherf. Die Strategie Wersichs, das Problem Kuhlmann auszusitzen, sei jedenfalls gescheitert.

Kienscherf verwies in diesem Zusammenhang auf die Antwort des Senats, in der er einräumt, dass es trotz der schwerwiegenden Verdachtsfälle seitens der Beteiligten und der Fachbehörde keine Überlegungen gab, die Zusammenarbeit mit dem Vermieter Kuhlmann in Frage zu stellen (Antwort 11; siehe unten). „Im Gegenteil. Man gab sich offenbar mit einer ersten und nachher als falsch erkannten Einschätzung zufrieden, dass es seitens staatlicher Stellen angeblich keine Eingriffsmöglichkeiten gibt. Ernsthaft geprüft wurde das nicht. Stattdessen wurden die Betroffenen in Pflicht genommen und sogar Umzüge unterstützt. lediglich bei neuen Wohnungsangeboten sollte genauer geprüft werden. Alte Mietverträge des CDU-Deputierten sollten weiter gelten – zu Lasten der Allgemeinheit“, sagte Kienscherf.

Von den Monate später ergriffenen Maßnahmen staatlicher Stellen war zunächst keine Rede. „Das alles lässt nur einen Schluss zu: Der CDU-Deputierte Kuhlmann sollte durch die Leitung der Behörde geschützt werden. Denn erst mit der erneuten und mehrfachen Presseberichterstattung im Februar 2010 – also vier Monate später -, kam Bewegung in den Fall Kuhlmann. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Anzeichen dafür, dass die Leitung der Sozialbehörde von ihrem Deputierten Kuhlmann eine Erklärung gefordert hat“, sagte Kienscherf. Senator Wersich habe die Chance verpasst, die Vorwürfe zu entkräften und die Affäre zu beenden. „Aber er bleibt in der Pflicht: Er muss der Öffentlichkeit erklären, warum er monatelang nicht gehandelt hat. Er muss erläutern, warum er das Agieren Kuhlmanns nicht gestoppt hat – und warum er ihn sogar geschützt hat.“

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Auszug aus der Großen Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion und der Antwort des Senats:

11. Dem Vernehmen nach soll es im November 2009 eine behördenübergreifende Besprechung gegeben haben, bei der es um die Vermietungspraxis der Kuhlmann Grundstücks GmbH gegangen sein soll. Dort soll team.arbeit.hamburg angewiesen worden sein, die Zusammenarbeit mit dem Vermieter Kuhlmann nicht grundsätzlich zu beenden, weil es auch positive Erfahrungen gebe und es sich um einen großen und für die Stadt wichtigen Vermieter handele. Gab es im November 2009 oder zu einem anderen Zeitpunkt eine solche behördenübergreifende Besprechung?
Wer waren die Teilnehmer und was waren konkret Inhalt und Ergebnis dieser Besprechung?

Zu 11.:

Auch im November 2009 fand die monatliche „Fachliche Dienstbesprechung Leistung“ von team.arbeit.hamburg statt. Teilnehmer sind die zuständigen Geschäftsbereichsleiter, Fachexperten und die Teamleitungen der Leistungsteams der Job Center. Regelmäßig entsenden die Agentur für Arbeit und die BSG einen Vertreter zu dieser Besprechung.

Ausweislich des Protokolls („Sonstiges“) informierte eine Teilnehmerin anlässlich einer Anfrage aus der Bürgerschaft und aktueller Berichterstattung zu einem Mietverhältnis mit der Fa. Kuhlmann mit, dass Kunden bei Problemen mit dem Vermieter an den Mieterverein zu verweisen sind. Gegebenenfalls ist je nach Lage des Falles ein Grund für einen Umzug anzuerkennen. Da team.arbeit.hamburg nicht Vertragspartner des Vermieters ist, hat ausschließlich der Mieter selbst die Möglichkeit, rechtlich gegen den Vermieter vorzugehen. Team.arbeit.hamburg hat keine rechtlichen Möglichkeiten. Die Teamleiter werden gebeten, zweifelhafte Wohnungsangebote eingehend zu prüfen. Grund der Anfrage in der Bürgerschaft: Die vermietete Wohnung soll kleiner als im Mietvertrag ausgewiesen und in einem „renovierungswürdigen“ Zustand gewesen sein. Auffälligkeiten bzw. Häufungen bei bestimmten Vermietern sollten der Zentrale gemeldet werden.“

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