Erklärung von Nordkirche und DGB Nord

Bündnis gegen Rechtspopulismus und Hass – für Gerechtigkeit und sozialen Frieden
Wahlmüdigkeit und rechtspopulistische Wahlerfolge haben ihre Ursache auch in der fortwährenden sozialen Spaltung der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund verabredeten Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), und Uwe Polkaehn, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nord (DGB Nord), ein Bündnis gegen Rechtspopulismus, Hass, Rassismus und rechtsextremistische Gewalt. Zugleich werden sie sich in den kommenden Jahren verstärkt gemeinsam für Gerechtigkeit, sozialen Frieden, demokratische Teilhabe und eine Willkommenskultur gegenüber Fremden einsetzen, teilten der Vorsitzende des DGB Nord und der Landesbischof heute (12. Mai) in einer Erklärung mit.

Anlass sind die sinkende Wahlbeteiligung, das Erstarken rechtsextremer Parteien und rechtspopulistischer Bewegungen ebenso wie gewalttätige Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Personen, die Flüchtlinge schützen oder politisch unterstützen. Angesichts der wachsenden Zahl von Menschen, die auf Grund von Krieg, Verfolgung und Not ihre Heimat verlassen, um unter Lebensgefahr Zuflucht auch in Europa zu suchen, treten Gewerkschaften und Nordkirche für Solidarität mit den Schwachen ein.

„Menschen, denen Arbeit und Bildung, soziale Sicherheit und Teilhabe vorenthalten wurden, dürfen nicht weiter abgehängt werden“, heißt es in der Erklärung. Ihnen müsse eine persönliche Perspektive in der Demokratie aufgezeigt werden: „Wir erwarten auch von allen demokratischen Kräften und Parteien, dass sie ausgrenzenden und Vorurteile schürenden Positionen im politischen Alltag eine Absage erteilen.“ Medien dürften Ressentiments nicht noch verstärken.

„Ängste dürfen nicht auf dem Rücken der Schwachen ausgetragen werden.“

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieses Verfassungsprinzip ist auch Grundlage für kirchliche und gewerkschaftliche Arbeit“, betonen Landesbischof Ulrich und DGB-Bezirksvorsitzender Polkaehn in ihrer gemeinsamen Erklärung: „Für Christen ist jeder Mensch Gottes Ebenbild. Die Gewerkschaften sind den humanistischen Traditionen unserer Kultur verpflichtet.“ Energisch wenden sich DGB Nord und Nordkirche gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Propaganda und Praxis. Zugleich setzen sie sich für gerechte Lebensverhältnisse ein, für den Bestand des Sozialstaates und eine Willkommenskultur für Flüchtlinge und Zuwanderer: „Eine Gesellschaft ohne Solidarität verliert ihren Zusammenhalt. Ängste dürfen nicht auf dem Rücken der Schwachen ausgetragen werden.“

Ökonomie auf Allgemeinwohl und Lebensdienlichkeit ausrichten

Der Landesbischof der Nordkirche und der Vorsitzende des DGB Nord rufen alle demokratischen Kräfte und Parteien dazu auf, ausgrenzenden und Vorurteile schürenden Positionen im politischen Alltag eine Absage zu erteilen. Gleichzeitig fordern sie „eine in die Gesellschaft eingebettete Ökonomie, die auf Allgemeinwohl und Lebensdienlichkeit ausgerichtet ist“.

Die Wirtschafts- und Finanzpolitik müsse den Menschen ins Zentrum stellen und dürfe nicht nur auf die Stabilität von Märkten und die Absicherung von Investoren ausgerichtet sein, heißt es in der Erklärung. Der gesetzliche Mindestlohn dürfe nicht aufgeweicht und umgangen werden. Langzeitarbeitslose, junge Arbeitslose mit schlechter Schulbildung, Flüchtlinge und alte Menschen mit geringem Einkommen benötigten Förderung und soziale Sicherung. „Um Gewalt zu verhindern, muss auch der soziale Frieden geschützt werden.“

Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus stärker fördern

Der Vorsitzende des DGB Nord und der Landesbischof der Nordkirche fordern, gesellschaftliche Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus politisch stärker zu fördern. „Der rechtsextremen und rechtspopulistischen Propaganda stellen wir die Gemeinsamkeit und Entschlossenheit der Demokratinnen und Demokraten, der Kirchen und Gewerkschaften entgegen.“ Auch das NPD-Verbotsverfahren müsse auf der Tagesordnung bleiben.

Erklärung im Wortlaut:

„Gemeinsam gegen Rechtspopulismus, Hass und rechte Gewalt – für Arbeit, Gerechtigkeit und Teilhabe“

Gewerkschaften und Kirchen eint das Streben nach Gerechtigkeit. Gemeinsam wollen und können wir die Schwachen schützen. Gerade im Angesicht einer weltweiten Finanzkrise müssen wir unsere Anstrengungen verstärken, die Spaltung der Welt und unserer Gesellschaft in Arm und Reich zu überwinden. Auch Wahlmüdigkeit, Politikverdrossenheit und rechtspopulistische Wahlerfolge hierzulande werden durch die fortwährende soziale Spaltung der Gesellschaft verstärkt.

Vor diesem Hintergrund treten die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und der Deutsche Gewerkschaftsbund Nord (DGB Nord) im Bündnis gegen Rechtspopulismus, Hass, Rassismus und rechtsextremistische Gewalt auf. Gemeinsam werden sie sich in den kommenden Jahren zugleich verstärkt für Gerechtigkeit, sozialen Frieden, demokratische Teilhabe und eine Willkommenskultur gegenüber Fremden einsetzen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieses Verfassungsprinzip ist auch Grundlage für kirchliche und gewerkschaftliche Arbeit. Für Christen ist jeder Mensch Gottes Ebenbild. Die Gewerkschaften sind den humanistischen Traditionen unserer Kultur verpflichtet. Es darf keine Herabsetzung dieser Würde aufgrund der Stellung eines Menschen im ökonomischen Prozess, aufgrund rassistischer, sexistischer oder nationalistischer Auffassungen geben.

Allen Menschen kommen die gleichen unveräußerlichen Menschenrechte zu – unabhängig von Beruf, Geschlecht, Hautfarbe und nationaler Herkunft. Ökonomische Krisen und persönliche Abstiegsängste dürfen nicht missbraucht werden gegen Demokratie und Menschenrechte. Kirche ist immer Kirche für andere, und Gewerkschaften treten für Gleichheit und Teilhabe aller Menschen weltweit ein.

Deshalb wenden sich der DGB Nord und Nordkirche energisch gegen jede Form rechtsextremer und rechtspopulistischer Propaganda und Praxis. Zugleich werben sie gemeinsam dafür, gerechte Lebensverhältnisse herzustellen, den Sozialstaat zu erhalten und eine Willkommenskultur zu entwickeln. In der aktuellen Auseinandersetzung über den gesetzlichen Mindestlohn und sichere Beschäftigung ergreifen sie Partei für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie für diejenigen, die Arbeit suchen. Menschen, denen Arbeit und Bildung, soziale Sicherheit und Teilhabe vorenthalten wurden, dürfen nicht weiter abgehängt werden – ihnen muss eine persönliche Perspektive in der Demokratie aufgezeigt werden.

Mit dem Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien bei der Europawahl 2014 und der Entstehung einer rechtspopulistischen Bewegung gegen Ausländer und Flüchtlinge wie Pegida hat die Auseinandersetzung mit rechten Ideologien noch einmal an Bedeutung gewonnen. Die gewalttätigen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sowie Personen, die Flüchtlinge schützen oder politisch unterstützen, sind ein weiterer Ausdruck dieser Entwicklung.

Wichtig ist aber auch, auf die Ursachen von Entwicklungen zu schauen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 hat die sozialen Abstiegsängste in Deutschland erheblich verstärkt. Immer mehr Menschen wird eingeredet, dass wir uns Gerechtigkeit, Solidarität und „Fairness für Alle“ nicht länger leisten können. Insbesondere die Solidarität mit den Schwachen wird als nicht mehr unabdingbar für unser Gemeinwesen interpretiert, und gleiche Rechte für alle werden in Frage gestellt. Ausgerechnet Deutschland, die stärkste ökonomische Macht Europas, wird als ökonomisch überfordert dargestellt.

Das ist Ausdruck eines neoliberalen Denkens, das im Zuge der ökonomischen Durchdringung fast aller Lebensbereiche dazu geführt hat, alles und jeden in der Gesellschaft nach ökonomischen Effizienzkriterien zu bewerten. Auch wer Zuwanderungspolitik ausschließlich nach Nützlichkeitskriterien und Konfession betreibt, schürt Vorurteile und Fremdenhass.

Gerade die Alternative für Deutschland (AfD), die durch eine Mischung aus rechtskonservativer bis extrem rechter und neoliberaler Ideologie geprägt ist, greift diese Ideen auf, um sie politisch zu nutzen. In Teilen Mecklenburg-Vorpommerns hat die NPD ein Klima des Hasses geschaffen. Der Überfall von Neonazis auf eine Mai- Kundgebung in Weimar ist ein Vorfall, der uns empört und erschüttert.
Eine Gesellschaft ohne Solidarität verliert ihren Zusammenhalt. Ängste dürfen nicht auf dem Rücken der Schwachen ausgetragen werden.

Andererseits sind viele Menschen in unserem Land verunsichert. In dieser Situation müssen Staat und Zivilgesellschaft klare Perspektiven für eine Politik des Gemeinwohls bieten. Wir erwarten auch von allen demokratischen Kräften und Parteien, dass sie ausgrenzenden und Vorurteile schürenden Positionen im politischen Alltag eine Absage erteilen. Wir brauchen wieder eine in die Gesellschaft eingebettete Ökonomie, die auf Allgemeinwohl und Lebensdienlichkeit ausgerichtet ist. Das betrifft Mensch und auch Natur. Dies ist eine langfristige Aufgabe und braucht einen begleitenden zivilgesellschaftlichen Diskurs.

Wir benötigen eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die den Menschen in das Zentrum ihrer Politik stellt und nicht nur auf die Stabilität von Märkten und die Absicherung von Investoren ausgerichtet ist. Jede und jeder muss vom Lohn der Vollzeitarbeit auch leben können. Es geht um die Förderung und soziale Sicherung der Schwachen (Langzeitarbeitslose, junge Arbeitslose mit schlechter Schulbildung, Flüchtlinge, Alte mit geringen Einkommen u.v.m.). Der gesetzliche Mindestlohn darf nicht aufgeweicht und umgangen werden, er sollte auch für Langzeitarbeitslose gelten. Unsere Gesellschaft braucht eine gut ausgestattete öffentliche Daseinsvorsorge, durch die die Existenz auch der Menschen mit geringen Einkommen dauerhaft gesichert wird. Würde kennt keine Ausnahmen.

Die gesellschaftliche Arbeit gegen Rassismus und die Bekämpfung des Rechtsextremismus müssen aufgewertet und politisch stärker gefördert werden. Bewusstseinsarbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit muss die nötige Anerkennung erhalten. Medien dürfen Ressentiments nicht noch verstärken. Der rechtsextremen und rechtspopulistischen Propaganda stellen wir die Gemeinsamkeit und Entschlossenheit der Demokratinnen und Demokraten, der Kirchen und Gewerkschaften entgegen. Das NPD- Verbotsverfahren bleibt auf der Tagesordnung.

Um Gewalt zu verhindern, muss auch der soziale Frieden geschützt werden. Wer die Demokratie stärken will, muss demokratische Rechte nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene einfordern. Die Demokratisierung der alltäglichen Lebensbereiche wie auch der Wirtschaft und die gerechte Verteilung des Wohlstandes gehören zu den Grundbedingungen einer humanen Gesellschaft, in der sich alle nach ihren Fähigkeiten entfalten können und die immun ist gegen Ausgrenzung und Hass.

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