DGB zum Fachkräftemangel im Gastgewerbe: Besser bezahlen

Die Industrie- und Handelskammer Kiel hat heute beklagt, dass 58 Prozent der Ausbildungsbetriebe ihre Lehrstellen im vergangenen Jahr nicht besetzen konnten. Uwe Polkaehn, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nord (DGB Nord), erklärt dazu:

„Der Weg zu mehr Fachkräften führt allein über faire Löhne und gute Ausbildungsbedingungen. Das aber wollen manche Gastrobetriebe immer noch nicht wahrhaben. Wenn der Hotel- und Gaststättenverband sich nicht mehr um Gute Arbeit kümmert, wird die Flucht aus diesem Ausbildungssektor anhalten.“

Der Ausbildungsreport des DGB für Schleswig-Holstein hatte ergeben:

– Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen werden die Auszubildenden schlechter bezahlt, obwohl die Arbeitshetze im Hotel- und Gastgewerbe besonders groß ist. So erhalten 38 Prozent der Azubis gar keinen Ausgleich für geleistete Überstunden.
– 14,1 Prozent der befragten Auszubildenden gibt an, ihre Ausbilder/-innen seien „selten“ bis „nie“ präsent (Bundesschnitt für alle anderen Branchen: 9,9 %). Nur 57 Prozent bewerten die fachliche Ausbildung im Betrieb als „gut“ und „sehr gut“, 18 Prozent vergeben die Noten 4 oder 5.
– 63,4 Prozent der Azubis gaben an, mehr als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Zwei Drittel leisten regelmäßig Überstunden, in anderen Branchen ist es nur ein Drittel. Die Überstunden-Quote verringerte sich gegenüber 2010 um knapp 4 Prozent.
– Fast 60 Prozent der Azubis mit Überstunden leisten mehr als 5 Stunden Mehrarbeit pro Woche – 12 Prozent der mehrarbeitleistenden Auszubildenden sogar mehr als 15 Überstunden wöchentlich. Im Vergleich zu 2010 sind aber die schlimmsten Auswüchse beseitigt worden.
– 52 Prozent der minderjährigen Azubis leisten regelmäßig mehr als 40 Wochenstunden – das Jugendarbeitsschutzgesetz erlaubt nur maximal 40 Stunden pro Woche. 55 Prozent der Minderjährigen leisten regelmäßig Überstunden.
– 30 Prozent der Azubis wurde die Teilnahme am Berufsschulunterricht schon mal verweigert.
– Im Vergleich zu den anderen Branchen wird unterdurchschnittlich bezahlt. In Schleswig-Holstein zahlen die Arbeitgeber ihren Azubis die zweitschlechtesten Vergütungen in den westlichen Bundesländern. Nur 2 Prozent erhalten mehr als 750 Euro – in anderen Branchen sind es 10mal so viele Azubis mit dieser Vergütung.
– Arbeitsdruck: Zwei Drittel der Azubis haben manchmal, häufig oder immer Schwierigkeiten sich in ihrer Freizeit zu erholen (Bundesschnitt für die anderen Branchen: 50 Prozent).
– Zu wenige werden trotz angeblichen Fachkräftemangel übernommen: Im 3. Ausbildungsjahr wissen nur 34 Prozent der Azubis, dass sie übernommen werden.
– Die Chance, 6 Jahre nach Berufsabschluss vollwertig im HoGa-Gewerbe beschäftigt zu sein, liegt nur bei ca. 45 Prozent. Rund 20 Prozent sind arbeitslos, 34 Prozent prekär beschäftigt!

Datenbasis: 674 landesweit befragte Auszubildende aus allen drei Ausbildungsjahren aus den Berufen Hotelfachmann/-frau, Koch/Köchin, Restaurantfachmann/-frau, Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.V., isoplan-Marktforschung GbR Saarbrücken / Berlin, Report 2012

Forderungen

– Die Tarifvertragsparteien sind gefordert, die Auszubildendenvergütung und die Urlaubsansprüche deutlich zu erhöhen und an die Bedingungen in anderen Branchen anzugleichen. Letztendlich konkurrieren die Hotel- und Gaststättenbetriebe auf dem Ausbildungsmarkt um dieselben Jugendlichen.
– Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA e. V. ist dringend gefordert, zusammen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Lösungen zu entwickeln, die eine gute Ausbildung junger Menschen in der Branche sicherstellt und damit Auszubildende nicht länger in gesetzeswidrigen Zuständen belässt. Sollten hier keine Lösungswege erarbeitet werden, so ist auch das Land verstärkt gefordert.
– Die Industrie- und Handelskammern müssen die Qualität der Ausbildung viel stärker überwachen und ggf. die Ausbildereignung entziehen. Ausbildungsbetrieben mit Lösungsquoten über 30 Prozent im Dreijahresmittel, welche gefährdete Auszubildende nicht für die ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) der Arbeitsagentur anmelden und in der Arbeitszeit freistellen, muss die Ausbildereignung automatisch entzogen werden.
– Eine „Soko Jugendarbeitschutz“ muss für die Auszubildenden in Schleswig-Holstein den Arbeitsschutz sowie die Einhaltung der gesetzlichen Mindestvorschriften, insbesondere zu den Arbeitszeiten und dem Ausgleich der Mehrarbeit kontrollieren.
– Minderjährige Auszubildende unterliegen zu Recht besonderen Schutzvorschriften nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz. Das Hotel- und Gastgewerbe muss unter Risiko- und Prioritätsaspekten in einer höheren Gefahrenklasse als bisher eingestuft werden.
– Der Takt der Besichtigungen und Kontrollen im Hotel- und Gastgewerbe muss dichter werden. Darüber hinaus hat das Land den Landesausschuss für Jugendarbeitsschutz baldmöglichst einzuberufen, um weitere Schritte mit allen Beteiligten zu beraten.

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