DGB und Kirchen: Mehr Engagement gegen Verarmung

Der DGB und die beiden großen Kirchen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern erwarten von Politik und Wirtschaft, mehr gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die zunehmende Verarmung in unserer Gesellschaft zu tun. Außerdem fordern sie eine gerechtere Lohnpolitik.

Bei ihrem jährlichen Treffen, das diesmal in Lübeck stattfand und an dem 30 Vertreterinnen und Vertreter beider Institutionen teilnahmen, erklärten die Spitzen der beiden christlichen Kirchen und der Gewerkschaften:

Die deutsche Wirtschaft wächst und profitiert von der Globalisierung. Allerdings geht diese Entwicklung einher mit erheblichen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft. Während die Einkünfte aus Kapitalerträgen und die Unternehmensgewinne vielerorts steigen, sinken die realen Einkommen der abhängig Beschäftigten. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung gut verläuft, muss aber der Aufschwung bei allen Menschen ankommen. „Gerechtigkeit erhöht ein Volk.“ Dieses biblische Wort ist auch die Aufforderung, Verteilungsgerechtigkeit zu verwirklichen. Die aktuellen Tarifabschlüsse sollen diesem Ziel in Verantwortung dienen. Das betrifft insbesondere die unteren Einkommensgruppen.

Kirchen und Gewerkschaften beobachten einen besorgniserregenden Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Das zeigt sich zum Beispiel an der großen Zahl von fast 80.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den drei norddeutschen Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, die von ihrem Einkommen nicht leben können und staatlicher Unterstützung bedürfen, sowie der seit 2005 stark gestiegenen Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Zweitjob für ihren Lebensunterhalt benötigen.

Die gegenwärtigen Bemühungen um die Frage eines gerechten Lohnes unterstützen wir mit Nachdruck. Wir setzen auf sachgerechte und menschenwürdige Lösungen in der Frage um einen gesetzlichen Mindestlohn. Gleichzeitig ermöglichten die so eingesparten Transferleistungen dem Staat, andere wichtige gesellschaftliche Projekte, beispielsweise in der Bildung, zielstrebiger zu verfolgen. Erschreckend ist, dass geringe Bildung in Deutschland vererbt wird. Deshalb benötigen wir ein Bildungssystem, das soziale Schranken abbaut. Gute Bildung ist ein wesentlicher Schutz gegen Armut.

Auch wenn die Zahl der Arbeitslosen von fast 5 auf 3,6 Millionen Menschen zurückgegangen ist, muss festgehalten werden: 3,6 Millionen Arbeitslose sind eine offene Wunde in der Gesellschaft. Wir benötigen verstärkt Förderprogramme für Langzeitarbeitslose und Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen.

Seit der Arbeitsmarktreform wird von den Menschen ohne Arbeit zwar viel gefordert, gleichzeitig aber das Fördern entgegen der ursprünglichen Absicht vernachlässigt. Die Bezieher von Arbeitslosengeld II bekommen nur eine Überlebensabsicherung. Diese Menschen brauchen ein echtes sozio-kulturelles Existenzminimum, das ihnen ermöglicht, am gesellschaftlichen und politischen Leben teilzunehmen. Sonst verschwinden sie aus der Gesellschaft. Deshalb müssen die Sätze des Arbeitslosengeldes II deutlich angehoben werden.

Im Management werden zum Teil außergewöhnlich hohe Gehälter und Prämien gezahlt. Manager erhalten zu Recht hohe Gehälter, wenn sie als Unternehmensziel auch die Sicherung von Arbeitsplätzen ansehen und Arbeitslosen und Schulabgängern eine Chance zum Einstieg bieten. Hohe Gewinne zu erzielen und gleichzeitig Mitarbeiter zu entlassen, ist in der Regel ethisch fragwürdig. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestalten den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens durch ihre Arbeitsleistung entscheidend mit. Wir möchten deshalb gerade großen Unternehmen und ihren Managern Mut machen zu einer verantwortungsvollen Zusammenarbeit von Arbeit und Kapital. Wir appellieren an Unternehmer und Manager, ihre besondere Vorbildfunktion für das Allgemeinwohl wahrzunehmen.

Erwerbsarbeit ist von zentraler Bedeutung für den Menschen. Arbeit ist aber mehr. Erziehungs- und Pflegearbeit in den Familien sowie bürgerschaftliches Engagement sind ebenso wichtig und müssen stärker finanziell gefördert werden. Zu einem guten Leben gehört der Wechsel von Arbeit und Ruhe. Deshalb fordern wir Grenzen für die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Das Wochenende muss geschützt werden. Mehr verkaufsoffene Sonntage im Jahr sind nicht akzeptabel.

Die dem heutigen Treffen in Lübeck zugrunde liegende Erklärung „Soziale Ungerechtigkeit als Herausforderung für Gewerkschaften und Kirchen“ unterstützen wir ausdrücklich und werden die Diskussion darüber in Kirchen und Gewerkschaften fortführen. Ein erster Anlass dafür sind die am 1. Mai stattfindenden Kundgebungen und weitere gemeinsame Veranstaltungen.

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