Bleiberecht: „Unzureichend“ oder „Schritt voran“?

Hamburgs GAL-Fraktion nennen die Beschlüsse der Innenministerkonferenz zum Bleiberecht „völlig unzureichend“, die SPD spricht von einem „Schritt vorwärts“. Beide halten die Regelungen für unzureichend. Der DGB-Nord nennt sie gar „unmenschlich und menschenverachtend“.

„Das ist ein völlig unzureichender Kompromiss, der an 90 Prozent der seit vielen Jahren hier geduldeten Personen vorbei geht“, kommentiert Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, den Beschluss der Innenminister zum Bleiberecht. „In der Regel wurde den Betroffenen bisher stets die Arbeitserlaubnis verweigert, wenn sie ein Arbeitsangebot hatten. Nun werden diese Menschen dafür noch einmal bestraft. Die Suche nach fester Arbeit innerhalb von zehn Monaten, nur mit einer kurzfristigen Duldung in der Tasche, wird zu einem unwürdigen Wettrennen gegen die Zeit und gegen die anderen Betroffenen.“

Nach den bisherigen Äußerungen des Senats fürchtet die GAL, dass der Senat keinerlei Hilfestellung für die geduldeten Hamburgerinnen und Hamburger geben wird. Im Gegenteil muss man erwarten, dass er vor allem am schnellen Aussortieren derjenigen interessiert sein wird, die möglicherweise nicht unter die Bleiberechtsregelung fallen.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat den Kompromiss beim Bleiberecht im Grundsatz begrüßt. „Dass es nun immerhin einen Schritt vorwärts geht, war überfällig. Von einem wirklichen Durchbruch kann man aber erst sprechen, wenn der Bundesgesetzgeber seine weitergehenden Vorstellungen in ein Gesetz gießt. Schäuble darf hier gegenüber der Phalanx der CDU-Landesinnenminister nicht lockerlassen“, erklärten die Innen- und Migrationsexperten Andreas Dressel und Aydan Özoguz.

Enttäuscht sei man jedoch, dass vom konstruktiven Hamburger Beitrag, den der Bürgermeister versprochen habe, nichts zu sehen gewesen sei: „Einmal mehr rächt es sich, einen Innensenator zu haben, der in Kopf und Herz seinem bayerischen Landsmann Beckstein deutlich näher steht, als der Geisteshaltung einer liberalen und weltoffenen Metropole wie Hamburg“, so die Abgeordneten: „Nagel war immer gegen eine Bleiberechtsregelung.“

Die Hamburger SPD-Initiative zum Bleiberecht war gestern in der Bürgerschaft in den Innenausschuss überwiesen worden. Zu einer klaren Zustimmung habe sich die CDU-Fraktion nicht durchringen können, so Dressel. Die im SPD-Antrag enthaltenen Eckpunkte entsprächen allerdings exakt den Forderungen des Ersten Bürgermeisters. Dressel: „Ein Bleiberecht für seit langem gut integrierte und nicht straffällige Ausländer, die wesentlich für sich selbst sorgen können, kann auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens bauen.“

Bislang hatte die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft eine Bleiberechtsregelung immer abgelehnt – zuletzt im Innenausschuss der Bürgerschaft im Februar 2006. Im Ausschussbericht heißt es dazu: „Die CDU-Fraktion lehne eine generelle Bleiberechtsregelung ab…. Die CDU-Fraktion wolle an der bestehenden Rechtslage festhalten und sich dafür einsetzen, die Rechtslage rechtlich durchzusetzen.“

Kürzlich hatte sich auch Innenstaatsrat Ahlhaus öffentlich deutlich gegen den Bleiberechtsvorschlag von Innenminister Schäuble (CDU) positioniert. Dressel: „Die Hamburger CDU-Fraktion ist weiter auf Tauchstation. Ihr passt offenbar die ganze Richtung nicht.“

Der DGB Nord-Vorsitzende Peter Deutschland hat die Bleiberechtsregelung für Ausländer, auf die sich die Innenminister geeinigt haben, verurteilt. Sie sei ein typischer politischer Kompromiss, der auf dem Rücken von Menschen ausgetragen werde, die es nicht aus touristischen Gründen nach Deutschland verschlagen habe, sondern schiere Not und Angst um körperliche Unversehrtheit und das eigene Leben und das ihrer Angehörigen.

Über vielen von ihnen schwebe seit Jahren das Damoklesschwert der mit dem Duldungsstatus ständig möglichen Ausweisung auch in Länder, die Kriegsgebiete seien, wie Irak und Afghanistan. Davon seien allein in den drei norddeutschen Bundesländern knapp 14.7000 Menschen betroffen (Hamburg: 9.121, Schleswig-Holstein: 3.110, Mecklenburg-Vorpommern: 2.461). Eine Aufenthaltserlaubnis für diese Gruppe an Arbeit zu knüpfen, halte er für unmenschlich und realitätsfremd. Eine Aufenthaltserlaubnis müsse von der Aufnahme einer Arbeit getrennt werden.

Zudem bestehe die Gefahr eines „Lumpenproletariats“, das zu jeder Arbeit zu jedem Preis bereit sei. Deutschland: „Ich sehe die Gefahr einer neuen Form von Zwangsarbeit herauf ziehen, denn Menschen, die nur dann nicht ausgewiesen werden, wenn sie eine Arbeit haben, sind Ausbeutung und Erpressung durch skrupellose Arbeitgeber hilflos ausgeliefert.“ Er frage sich, wie Deutschland fortan Zwangsarbeit und Ausbeutung in anderen Ländern anprangern wolle, wenn es diese Dinge selber zulasse.

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