Schlechte Noten für Ahlhaus und Steffen

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat auch der schwarz-grünen Innenpolitik zur Halbzeit der Legislatur ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.

„Die beiden Koalitionsparteien haben auch nach zwei Jahren in diesem sensiblen Politikfeld keine gemeinsame Linie. In der Umsetzung des Koalitionsvertrages blockieren sich CDU und GAL gegenseitig. Statt Freiheitsrechte einerseits und Sicherheitsanforderungen andererseits in Einklang zu bringen, bleiben beide Zielsetzungen auf der Strecke“, kritisierte SPD-Innenexperte Andreas Dressel.

Die SPD-Rechtsexpertin Jana Schiedek zog gleichzeitig eine gemischte Bilanz der bisherigen Justizpolitik unter Schwarz-Grün in Hamburg. Zwar habe Justizsenator Till Steffen (GAL) bei der Neufassung von Strafvollzugs- und Untersuchungshaftgesetz Fehler der CDU-Vergangenheit korrigieren können. Gleichzeitig habe sich die GAL bei richtigen Forderungen – etwa nach Einführung eines Korruptionsregisters oder der Neuordnung des Maßregelvollzuges – bislang von der CDU über den Tisch ziehen lassen.

Beide Koalitionsparteien schafften es ferner nicht, den Streit über die Praxis der Blutprobenentnahme bei alkoholisierten Autofahrern zu beenden. „CDU und GAL blockieren sich gegenseitig – dieser Befund gilt sowohl für die Justiz- als auch für die Innenpolitik“, sagten Dressel und Schiedek.

In der Innenpolitik würden die Folgen dieser Selbst-Blockade vor allem im Themenfeld „Polizei“ sichtbar, so Dressel. Dass sich CDU und GAL seit fast zwei Jahren nicht auf eine Korrektur des teilweise verfassungswidrigen Polizeirechts hätten einigen können, sei „ein peinliches Versäumnis und für die vorgebliche Bürgerrechtspartei GAL beschämend“, sagte Dressel.

Seit Inkrafttreten des umstrittenen CDU-Polizeigesetzes Ende Juni 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht wiederholt polizeirechtliche Bestimmungen anderer Bundesländer für verfassungswidrig erachtet, die mit dem Hamburgischen Polizeirecht vergleichbar sind. Auch bei Wohnraum- und Telefonüberwachung habe das Bundesverfassungsgericht Vorgaben gemacht, denen das Hamburger Polizeirecht in seiner jetzigen Form nicht gerecht wird.

„Die Regelungen zu Rasterfahndung und Kennzeichenlesegeräten sowie die Vorschriften zum Kernbereichsschutz bei Wohnraum- und Telefonüberwachung müssen neu gefasst werden“, forderte Dressel. Entsprechende Änderungen habe der Senat zuletzt für den Sommer 2009 zugesagt. Die SPD-Fraktion hatte bereits im Herbst 2008 einen Korrekturentwurf vorgelegt.

Auch die von CDU und GAL versprochene Evaluation der Videoüberwachung liege noch immer nicht vor – „wahrscheinlich, weil sich die Koalitionäre nicht auf eine gemeinsame Lesart verständigen können“, so Dressel. Im Umgang mit der Videoüberwachung agiere der Senat planlos. „Erst lässt der Innensenator am Kriminalitätsbrennpunkt Hansaplatz die Kameras abbauen – wenige Tage, nach dem dort prügelnde Gewalttäter durch Bilder der Kameras überführt werden konnten. Und dann will sich der Polizeipräsident – offenbar ohne jede Rückkoppelung und Rechtsgrundlage – in alle Kamera-Überwachungen beim HVV reinschalten. So sieht planlose Politik aus“, sagte Dressel.

Besonders hart ging der SPD-Innenpolitiker mit der Personalpolitik von CDU und GAL ins Gericht: „Bei der Polizei setzt Schwarz-Grün den Stellenabbau fort. Immer weniger Polizeibeamte sind auf der Straße unterwegs. Die Polizeipräsenz steigt allein in den Führungsetagen der Innenbehörde – eigentlich hatte Schwarz-Grün den Bürgern das Gegenteil versprochen“, sagte Dressel. Vor dem Hintergrund der Einsparungen bei der Polizei sei die Idee des Innensenators, eine Reiterstaffel einzuführen, nicht nachzuvollziehen: „Hier sind Schwarz-Grün offenbar alle Gäule durchgegangen.“

Die Bemühungen des Senats zur Eindämmung der Waffen in Hamburg bezeichnete Dressel als „weitgehend gescheitert“. Die von der SPD geforderte Entwaffnungsstrategie lasse weiter auf sich warten. „Keine Aufklärungskampagne, keine neuen Waffenverbotszonen und eine halbherzige Umsetzung der Amnestieregelung – CDU und GAL scheinen sich nicht einmal bei diesem Thema einig zu sein“, sagte Dressel: „Der Jahrestag des Amoklaufs von Winnenden mahnt uns, da nicht locker zu lassen.“

Die Bereiche Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Katastrophenschutz würden im Koalitionsvertrag mit keiner Silbe erwähnt, so Dressel. „Und in diesem Bereich hat die Senatskoalition nicht viel zu bieten – allenfalls die brandgefährliche Zusammenlegung der beiden Feuerwachen im Hamburger Südwesten, verbunden mit massivem Personalabbau“, sagte Dressel.

Dressel prognostizierte abschließend, die schwarz-grünen Konflikte „im Minenfeld Innenpolitik werden größer, je näher die nächste Wahl rückt. Das Ergebnis könnte eine Fortsetzung des Polit-Mikado der letzten zwei Jahre sein, getreu dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Kein gute Perspektive für verantwortliche Innenpolitik.“ Die Frage, wie der Senat mit der Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte umgeht, werde zum Lackmustest für Schwarz-Grün.

SPD-Justizexpertin Jana Schiedek sagte, die Bilanz von zwei Jahren schwarz-grüner Justizpolitik falle zwar besser aus, als die der Innenbehörde. Für übertriebene Selbstzufriedenheit habe Justizsenator Till Steffen (GAL) aber keinen Grund. Einerseits habe er – mit Unterstützung der SPD-Opposition – mit den neuen Gesetzen zu Strafvollzug und Untersuchungshaft zwar die „gröbsten Gesetzes-Exzesse der Ära Kusch-Lüdemann beseitigt. Beim anderen wichtigen und im Koalitionsvertrag formulierten Zielen sei Steffen aber kaum vorwärts gekommen. Schiedek nannte beispielsweise die praktische Ausgestaltung des Strafvollzugs. Hier hatte Steffen angekündigt, er werde die Vermeidung von Rückfällen in den Mittelpunkt stellen – „wir warten auf Ergebnisse.“

Der Blick in den Koalitionsvertrag zeige weitere wichtige Probleme, deren Lösung die schwarz-grüne Justizpolitik bislang nicht / kaum näher gekommen ist. Beim Maßregelvollzug etwa sei seit dem Regierungswechsel nichts passiert. „Die CDU hat den Maßregelvollzug im Klinikum-Nord mit dem Verkauf der Hamburger Krankenhäuser privatisiert. Die damit verbundene Übertragung massiver Eingriffsrechte auf Private wurde auch von den Rechts- und Verfassungsexperten der GAL als verfassungswidrig kritisiert“, unterstrich die SPD-Rechtsexpertin. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag heiße es dazu unmissverständlich: „Es wird geprüft, wie der Maßregelvollzug wieder als staatliche Maßnahme wahrgenommen werden kann.“ – Diese Prüfung dauere jetzt aber fast zwei Jahre. „Wenn die GAL sich weiter als Garant für die Wahrung der Freiheits- und Bürgerrechte darstellen will, muss sie die Politik der CDU auch hier korrigieren.“

Auch beim Thema Korruptionsregister habe die GAL ihre richtige Überzeugung zurückgestellt. CDU und GAL hätten zwar im Koalitionsvertrag vereinbart: „Hamburg bemüht sich innerhalb eines Jahres um ein mit den Nachbarländern vernetztes Korruptionsregister. Bei Nicht-Gelingen wird eine Hamburger Einzellösung gesucht.“ – Aus dem einen Jahr sind jetzt bald zwei geworden und passiert ist weiterhin nichts. Die Justizbehörde beschränke sich darauf, Sondierungsgespräche mit anderen norddeutschen Bundesländern zu führen. „Das Warten auf andere, den Bund oder Nachbarländer darf aber keine Ausrede für eigenes Nichthandeln sein“, sagte Schiedek.

Schließlich gebe es auch beim Datenschutz reichlich Handlungsbedarf. Während der Justizsenator zu Recht die „Offensive zur Verbesserung des Datenschutzes in Hamburgs Wirtschaft“ des Datenschutzbeauftragten unterstütze, lasse er die Bestellung von Datenschutzbeauftragten in den Fachbehörden schleifen. So gebe es ausgerechnet in den sensiblen Behörden für Soziales, Familie und Gesundheit, in der Wirtschaftsbehörde sowie in Innen- und Finanzbehörde noch immer keine Datenschutzbeauftragten. „Es handelt sich ausnahmslos um CDU-geführte Behörden. Der grüne Justizsenator muss bei seinem Koalitionspartner offensichtlich noch Überzeugungsarbeit in Sachen Datenschutz und Vorbildfunktion des Staates leisten“, sagte Schiedek.

Der noch immer nicht gelöste schwarz-grüne Streit um den Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme von alkoholisierten Autofahrern zeuge ebenfalls vom Fehlen einer einheitlichen Linie in der schwarz-grünen Justizpolitik. Die CDU sehe gesetzgeberischen Handlungsbedarf, der Justizsenator nicht. „Gleichzeitig geht die Blutprobenentnahmen dramatisch zurück – und betrunkene Autofahrer können ungeschoren davon kommen“, kritisierte die SPD-Justizexpertin. „Ein Richtervorbehalt, der nicht jederzeit umgesetzt werden kann und zu einer Formsache reduziert wird, ist nicht viel wert.“ Wenn zahlreiche prominente Praktiker an der praktischen Umsetzbarkeit zweifeln und auch die Fakten dagegen sprechen, dann sollte der Richtervorbehalt hier zurückgenommen werden. Ein nachträglicher Rechtsschutz muss ausreichen. Es geht hier ja immerhin um die Sicherheit des Straßenverkehrs.

Schiedek betonte abschließend, der Justizsenator sei mit Vorschusslorbeeren in die laufende Legislaturperiode gestartet. „Wir haben ihn bei seinen Gesetzesinitiativen zur Neuordnung von Strafvollzug und Untersuchungshaft unterstützt, und wir haben seinem Justizhaushalt zugestimmt. Wenn der Senator das als Blankoscheck missverstanden hat, ist das sein Problem“, sagte Schiedek. Mittlerweile tauchten erste Zweifel daran auf, ob der Vertrauensvorschuss aus dem Frühjahr 2008 gerechtfertigt war.

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