Psychiatrie darf privatisiert werden

Das Bundesverfassungsgericht hat heute bestätigt, dass der Maßregelvollzug für psychisch kranke oder drogenabhängige Straftäter unter bestimmten klaren Bedingungen von privaten Trägern durchgeführt werden kann. In Hamburg findet dies bereits in der privatisierten Asklepios Klinik Nord statt.

„Es ist gut, dass sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit der Frage befasst und klare Regeln für die Übertragung des Maßregelvollzugs auf private Träger geschaffen hat“, so Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. „Wenn uns das Urteil in vollem Wortlaut vorliegt, werden wir genau prüfen, ob es gegebenenfalls an der gesetzlichen Grundlage in Hamburg Änderungsbedarf gibt. Nach einer ersten Prüfung der Leitsätze bestätigt das Urteil aber grundsätzlich die bestehende Praxis in Hamburg.“ In der Hansestadt wird der Maßregelvollzug in der Asklepios Klinik Nord durchgeführt.

Die Richter stellten in ihrem Urteil (Az: 2 BvR 133/10) heraus, dass nicht finanzielle Erwägungen für eine Privatisierung den Ausschlag geben dürfen, sondern dass die qualitativen Vorteile des organisatorischen und fachlichen Verbunds der Maßregelvollzugkliniken und der allgemeinen psychiatrischen Einrichtungen der Träger entscheidend sind. Wie die im konkreten Fall geprüfte private Vollzugseinrichtung in Hessen erfüllt auch die Asklepios Klinik Nord diese Voraussetzungen. „Der Maßregelvollzug ist ein Spezialgebiet der Psychiatrie. Ohne Anbindung an ein psychiatrisches Krankenhaus würde der fachliche, organisatorische und personelle Austausch fehlen, was mittelfristig zu einem Qualitätsverlust führen könnte“, so Prüfer-Storcks weiter. Bei der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts wurden auch die bisherigen guten Erfahrungen in privatisierten Maßregelvollzugseinrichtungen berücksichtigt.

Das Bundesverfassungsgericht hob auch hervor, dass für eine zulässige Privatisierung entscheidend sei, wie die parlamentarische Kontrolle, die staatliche Aufsicht und die aufgabengemäße Ausstattung der Kliniken gewährleistet werden. In Hamburg ist die Kontrolle u.a. durch die Aufsichtskommission und ihre regelhafte Berichterstattung an die Bürgerschaft sowie die enge Fach- und Rechtsaufsicht durch die Gesundheitsbehörde gegeben.

Die SPD-Fraktion hat die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum privatisierten Maßregelvollzug als „wichtige Klarstellung auch für Hamburg“ begrüßt. „Wir werden das Urteil sorgfältig auswerten und prüfen, inwieweit es auch für den Hamburger Maßregelvollzug Konsequenzen nach sich zieht. Uns war und ist wichtig, dass es eine hinreichende demokratische Legitimation für das Handeln Privater in diesem grundrechtssensiblen Bereich gibt. Da gibt uns das Bundesverfassungsgericht wertvolle Hinweise“, erklärte SPD-Gesundheitsexperte Martin Schäfer am Mittwoch.

Das Bundesverfassungsgericht hatte heute die Verfassungsbeschwerde eines Maßregelvollzugspatienten zurückgewiesen, der sich gegen die Anordnung und Durchführung einer besonderen Sicherungsmaßnahme (Einschluss) durch Bedienstete einer privatisierten Maßregelvollzugseinrichtung in Hessen wandte. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte in den vergangenen Jahren mit Blick auf das staatliche Gewaltmonopol wiederholt konkretere Vorgaben für die demokratische Legitimation und Kontrolle beim privatisierten Maßregelvollzug in Hamburg eingefordert – dazu gibt das Bundesverfassungsgericht jetzt Hinweise, die auch für Hamburg relevant sind.

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