Licht und Schatten auf Sylt

Ergebnisse der Pendler-Umfrage des DGB: Mehr Mindestlohn, weniger Wertschätzung

Der gesetzliche Mindestlohn wirkt – auch auf Sylt. Während 2012 noch jede/r vierte befragte Beschäftigte auf der Insel weniger als 8,50 Euro pro Stunde bekam, ist es derzeit jede/r Zwölfte, so die aktuelle Sylt-Pendlerbefragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie ergab weiter, dass es sich in diesen Fällen nicht um tariflich vereinbarte Branchen-Ausnahmen handelt und damit gegen das seit Januar 2015 geltende Mindestlohngesetz verstoßen wird.

Deshalb müssen nach Auffassung des DGB nun die Fahnder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf Sylt aktiv werden, denn der Niedriglohn ist aufgrund des Mindestlohngesetzes seit dem 1. Januar illegal. 472 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich an der diesjährigen Sylt-Umfrage beteiligt – 2012 waren es 402 gewesen. Offenkundig ist: Die Beschäftigten fühlen sich gehetzt und unter extremem Zeitdruck. Sie brauchen endlich mehr Anerkennung und Wertschätzung für ihre harte Arbeit.

Einige Ergebnisse der aktuellen Sylt-Pendlerbefragung des DGB:

• Der Mindestlohn hilft Geringverdienern. Während 2012 noch jeder Vierte weniger als 8,50 Euro in der Stunde verdiente, gilt dies im Jahr 2015 nur noch für knapp jeden Zwölften.

• Die Hälfte aller befragten Sylt-Beschäftigten findet nur eine geringe Wertschätzung ihrer Leistung. Die Arbeitgeber auf Sylt verhalten sich damit deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt (30 Prozent). Im Reinigungsgewerbe und in der Gastronomie sieht es noch schlimmer aus: Hier fühlen sich drei Viertel der Beschäftigten nicht wertgeschätzt; auch Handel und Baugewerbe liegen negativ über dem Bundesschnitt.

• Knapp zwei Drittel aller Sylt-Beschäftigten fühlen sich gehetzt und unter Zeitdruck. Die Quote liegt damit weit höher als im ohnehin bedenklichen Bundesschnitt. Im Reinigungsgewerbe leiden 71 Prozent und in der Gastronomie sogar 85 Prozent der Beschäftigten unter Zeitdruck und Arbeitshetze.

• Für rund 70 Prozent aller befragten Sylt-Beschäftigten trifft der Eindruck voll oder eher zu, immer mehr in der gleichen Zeit schaffen zu müssen. Seit 2012 hat sich hier kaum etwas verbessert.

• Mehr als die Hälfte der befragten Sylt-Beschäftigten bekommen ihre Überstunden selten oder nie bezahlt.

• Im Falle der korrekten Überstundenvergütung verbessert sich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Situation auf Sylt dann, wenn es einen Betriebsrat in ihrer Firma gibt.

• Tourismus und Immobilienhaie haben die Arbeitnehmer von der Insel vertrieben: Nur knapp ein Viertel aller Befragten würde überhaupt noch auf Sylt wohnen wollen.

Wie geht es zu auf dem Arbeitsplatz Sylt? Wird fair bezahlt, gibt es einen Betriebsrat? Welche Wertschätzung erfahren die Arbeitnehmer? Das wollte die DGB Region Schleswig-Holstein Nordwest mit ihrer neuen Fragebogen-Aktion in Erfahrung bringen. Vom 17 bis zum 20. August wurden an den Bahnhöfen in Niebüll und Klanxbüll, Keitum und Westerland die an- und abreisenden ArbeitnehmerInnen und Auszubildenden zu ihrer Situation, den Sorgen und Wünschen befragt. Eine ähnliche Umfrage hatte der DGB bereits 2012 durchgeführt und so erhebliche Probleme dokumentiert. Auf der Insel Sylt arbeiten mehr als 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, dazu kommen fast 2.500 MinijobberInnen – in der Sommersaison pendeln täglich bis zu 4.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihren Arbeitsplätzen auf die Insel.

„Unsere Umfrage ist ein Alarmsignal für alle, die gute Arbeit nicht nur in Sonntagsreden im Mund führen. Gerade für Arbeitgeber, die auf Sylt den Mangel an Fachkräften und Auszubildenden beklagen, gibt es einiges zu tun. Neben fairer Bezahlung gehört dazu ganz zentral, den Druck und den Zeitstress von den Beschäftigten zu nehmen. Unsere Zufallsstichprobe fiel 2015 so groß aus wie noch nie. Die Umfrageergebnisse sind noch aussagekräftiger und ein Aufruf, die Lage der ArbeitnehmerInnen deutlich zu verbessern. Sylt ist ein schönes Ziel für Urlauber, aber immer noch eine Stress-Insel für die Beschäftigten“, so DGB-Regionsgeschäftsführerin Dr. Susanne Uhl. Auf Sylt arbeiten, das heiße unverändert: mehr Arbeitsverdichtung und mehr Stress für weniger Geld und weniger Mitbestimmung. „Sylt braucht mehr „Gute Arbeit“. Das heißt: fairer Lohn, faire Arbeitszeiten, soziale Sicherheit, mitreden und mitgestalten, wirksamer Arbeits- und Gesundheitsschutz – und vor allem Wertschätzung und Respekt. Die diesjährige Sylt-Umfrage wirft ein Schlaglicht auf Themen, die die ArbeitnehmerInnen beschäftigen und über die der DGB mit ihnen weiter im Gespräch bleiben will. Nur gemeinsam können wir die Beschäftigungsqualität der Insel verbessern“, so Uhl.

DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach nahm im Rahmen ihrer Sommertour an der Präsentation der Ergebnisse teil. „Die Sylt-Umfrage basiert auf dem Index Gute Arbeit, den der DGB entwickelt hat“, sagte Buntenbach: „Auch auf Sylt hat die Umfrage positive und negative Aspekte der Arbeitswelt aufgezeigt. Positiv: Der Mindestlohn wirkt. Negativ: Viele Beschäftigte fühlen sich gehetzt. Es wird höchste Zeit, dass die Landesregierung aus dem Schlaglicht Sylt ein Flutlicht macht und alle Menschen im Land zu ihren Arbeitsbedingungen befragt.“

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