Jugendgewalt: Handeln statt Reden!

photocaseGEWALT.jpegEinen Tag nach der Vorstellung der Kriminalstatistik 2006 hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion ein 11-Punkte-Konzept gegen die wachsende Jugendgewalt vorgelegt: „Beide CDU-geführten Senate waren mit der vollmundigen Ankündigung angetreten, die Jugendgewalt deutlich zu reduzieren – die Ergebnisse belegen das Scheitern der CDU-Politik.“

Notwendig sei ein politischer Neuanfang, der gleichermaßen auf Prävention und Repression setze: „Wir müssen Wege finden, Jugendgewalt erfolgreicher zu vermeiden“, erklärte SPD-Innenexperte Dr. Andreas Dressel bei der Vorstellung der achtseitigen Initiative.

Anders als der CDU-Senat setzen die Sozialdemokraten insbesondere auf eine eingehende Beschäftigung mit Formen, Entstehungszusammenhängen und Ursachen von Jugendgewalt. Um herauszufinden, wie Jugendgewaltkriminalität wirkungsvoller vermieden werden könne, fordern sie eine systematische, qualifizierte und objektive Evaluation der in den vergangenen Jahren erprobten Gegenmaßnahmen. Dressel: „Es gibt aus den letzten Jahren einen bunten Maßnahmenstrauß, der bisher nicht ausreichend evaluiert wurde. Die besorgniserregenden Fallzahlen sollten Anlass genug sein, alle Programme sorgfältig auf den Prüfstein zu stellen.“

Das sind die zentralen Bausteine des 11-Punkte-Konzepts, das in der kommenden Bürgerschaftssitzung zur Abstimmung steht und maßgeblich auf eine Initiative der SPD-Innenpolitiker Sabine Boeddinghaus, Aydan Özoguz und Andreas Dressel zurückgeht:

1. Gewalteskalationen vorbeugen: Anti-Gewalt-Trainings schon in der Frühphase einer kriminellen Karriere, nicht erst bei Intensivtätern; Entwaffnungsstrategie insbesondere bei Jugendlichen

2. Gewaltpräventive Medienpolitik: Mehr Medienfrüherziehung; verlässliche Kontroll- und Sicher-heitsstandards für Videoverleihautomaten, Verbot von Killerspielen und Gewalt verherrlichender Videos.

3. Gewaltpräventionsarbeit in Kitas und Schulen stärken: Gewaltprävention muss bereits in der Kita beginnen; weitere Stärkung der Gewaltprävention an Schulen

4. „Cop wirklich 4 You“: Das „Cop4U“-Programm ist dahingehend umzustellen, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten diese Aufgabe nicht als zusätzliche Funktion, sondern mit ausreichenden zeitlichen Kapazitäten als wesentlichen Teil ihres Dienstes versehen können. Dies würde notwendigerweise eine Reduzierung ihres sonstigen Aufgabenspektrums erfordern.

5. Die Eltern notfalls in die Verantwortung zwingen: Das Familienrecht ist so zu überarbeiten, dass familiengerichtliche Maßnahmen hinsichtlich schwerwiegend verhaltensauffälliger, insbesondere straffälliger Minderjähriger erleichtert werden. Die Erziehungsberechtigten müssen zur Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen verpflichtet werden. Als ultima ratio bleibt – mit neuem Konzept und neuem milieufernen Standort – die Geschlossene Unterbringung.

6. Haus des Jugendrechts: Pilotversuch schon zum 1. Januar 2008. Nach Stuttgarter Vorbild sollen die Jugendsachbearbeiter der Polizei, die Jugendstaatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe zusammengefasst werden, um so ein effektives Fallmanagement und eine Beschleunigung der Verfahren zu ermöglichen.

7. Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen: Zügige Verfahren sind gerade bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität von elementarer Bedeutung. Mit verbindlichen Verfahrensleitlinien zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten soll dafür Sorge getragen werden, dass das vereinfachte Jugendverfahren bzw. das beschleunigte Verfahren wesentlich intensiver in geeigneten Fällen zur Anwendung kommt. Auch bei den herkömmlichen Verfahren sind neue Anstrengungen der Justiz erforderlich, um eine Beschleunigung zu erreichen.

8. Das Jugendstrafrecht wird weiterentwickelt – d.h.:

-Das vereinfachte Jugendverfahren sowie auch das beschleunigte Verfahren für Heranwachsende ermöglichen eine rasche gerichtliche Reaktion und müssen verfahrensmäßig besser flankiert werden: Die Gerichte sollen einen Vorführungsbefehl erlassen kön-nen, wenn Angeklagte nicht zur Hauptverhandlung erscheinen.

-Konsequente Anwendung des Jugendarrestes als wichtiges Instrument klarer Grenzsetzung, um kriminelle Karrieren in geeigneten Fällen zu stoppen.

-Ein bis zu dreimonatiges Fahrverbot soll im Jugendstrafrecht zu einer eigenständigen, nicht auf Taten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr beschränkten Sanktion ausgebaut werden. So eine Anordnung kann nachhaltige erzieherische und auch „Denkzettel“-Wirkung erzielen.

-Zur Klarstellung sollte der Katalog der Weisungen im Jugendgerichtsgesetz um eine Meldepflicht erweitert werden. Damit kann einem jungen Straftäter beispielsweise unmöglich gemacht werden, bestimmte Veranstaltungen zu besuchen.

– In bestimmten extremen Einzelfällen und unter strengen Voraussetzungen soll die nachträgliche Sicherheitsverwahrung auch für Jugendliche und Heranwachsende vorgesehen werden.

9.Der Jugendstrafvollzug ist entlang des SPD-Vorschlags erstmals auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Ein guter Behandlungsvollzug ist der beste Opferschutz von morgen.

10.Aktive und Aktivitäten bündeln: Die verschiedenen Ansätze präventiver und repressiver Bekämpfung der Jugendgewalt müssen in geeigneter Weise gebündelt, die Akteure aus den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen kontinuierlich vernetzt sein. Dafür sollen die bezirklichen Fachkommissionen gestärkt und eine zentrale, mit angemessenen personellen Ressourcen ausgestattete Einrichtung geschaffen werden (z.B. nach dem Vorbild der Berliner „Landeskommission gegen Gewalt“). Im Bereich Jugendgewalt arbeiten noch zu viele Stellen ahnungslos nebeneinander her.

11.Strenges Controlling: Sämtliche laufenden Programme (etwa der Innenbehörde, der Sozialbehörde und der Bildungsbehörde) im Bereich der Jugendgewalt sollen qualifiziert evaluiert und die Ergebnisse der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Der Senat muss der Bürgerschaft halbjährlich über den Fortschritt berichten.

Dressel und Özoguz: „Konsequent gegen die Ursachen, konsequent gegen die Erscheinungsformen von Jugendgewalt – das ist unsere Maxime. Und alle Maßnahmen begleitet von einem effizienten Controlling. Das ist der Schlüssel gegen die anhaltend hohe Jugendgewalt, die immer neue Opfer schafft und die Bürger verunsichert.“

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