Horror am Ausbildungsmarkt

photocaseARBEIT.jpegSo wenig Ausbildungsplätze wie nie zuvor, nur noch 29 % der erfolgreichen Bewerber stammen aus dem aktuellen Abschlussjahr, nur ein Drittel der Betriebe bildet aus: Der DGB hat ein wahres Horror-Szenario ausgemacht, spricht von mindstens 5.000 Hamburger Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz und fordert ein Landesgesetz für eine Umlage-Finanzierung.

Die offizielle Ausbildungsstatistik in Hamburg verschweigt mehr als dass sie zur Erhellung der Lehrstellenmisere beiträgt, kritisiert der DGB Hamburg, der im Rahmen einer Pressekonferenz umfangreiches Material (hier als PDF) vorlegte. Die Diskrepanz zwischen der realistischen Zahl unversorgter Lehrstellenbewerber und derjenigen, die von der Arbeitsagentur als Bewerber anerkannt werden und überhaupt in die Statistik gelangen, betrage mehrere Tausend Jugendliche.

Zudem gäbe es eine große Zahl von Altbewerbern, und es verharrten Tausende von Bewerbern in sogenannten Warteschleifen, die lieber heute als morgen in eine reguläre duale Ausbildung wechseln würden: Sie alle müssten ebenfalls zu den „Unversorgten“ gezählt werden.

„Mindestens 5000 Jugendliche in Hamburg brauchen tatsächlich noch einen Ausbildungsplatz“, sagte Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg heute im Rahmen eines Hintergrundgesprächs zur Ausbildungsplatzsituation. „Für eine Stadt wie Hamburg, deren Wirtschaft boomt und die mit ihrer Metropolstellung wirbt, ist es ein Armutszeugnis, dass sie so vielen Jugendlichen keine Chance auf eine berufliche Perspektive bietet.“

Im Jahr 1994/1995 sei man auf dem damaligen Tiefpunkt der Berufsausbildungsstellen angelangt – es wurden Anstrengungen für Ausbildungs-Sonderprogramme unternommen. Was seinerzeit niemand für möglich hielt, ist aber heute Realität: Verglichen mit dem Jahr 94/95 sank die Zahl der Ausbildungsplätze im dualen System bis heute nochmals um 25 Prozent.

Pumm: „Insofern ist der strukturellen Lehrstellenmisere mit einem einmaligen Sofortprogramm
von 1000 Ausbildungsplätzen, wie es der Senat gerade verkündet hat, allein nicht beizukommen; die von Senator Uldall sogenannte ,Bugwelle‘ der ,Altbewerber‘ nicht nachhaltig abzubauen. Im Juli 06 waren 71 Prozent aller Hamburger Bewerber Jugendliche, die schon in früheren Jahren leer ausgingen!“

Der „herbeiappellierte“ Bewusstseinswandel, doch endlich in den eigenen Nachwuchs zu investieren und sich der Ausbildungsverantwortung zu stellen, habe sich bei den meisten Unternehmen leider nicht eingestellt, so Hamburgs DGB-Vorsitzender. Deshalb müsse das Problem nun mit mehr politischem Druck und über Geld gelöst werden.

„Der DGB Hamburg fordert deshalb ein Landesgesetz für eine nachfrageorientierte Kammerumlage, die ausbildende Unternehmen unterstützt und dem Ausbildungsengagement der anderen auf die Sprünge hilft: Wer nicht ausbildet, soll in einen Umlagefonds zahlen“, so Erhard Pumm. „Maßstab für diese Umlage muss die tatsächliche Zahl unversorgter Jugendlicher sein. Denn angesichts der künftig weiterhin hohen Schulabgängerzahlen – allein im Jahr 2010 verdoppelt sich die Zahl der fertigen Gymnasiasten durch das Abi nach 12
Jahren – wird sich das Ausbildungsplatz-Problem nicht von alleine lösen. Wir müssen heute handeln, damit wir in vier Jahren nicht vor einem noch größeren Ausbildungs-Desaster stehen. Wenn zwei Abi-Jahrgänge in einem Jahr auf den Ausbildungsmarkt drängen, werden bei unveränderten Bedingungen Real- und Hauptschüler sowie Jugendliche ohne Schulabschluss überhaupt keine Chance mehr haben.“

Zahlen – Daten – Fakten (Quelle: DGB-Hamburg)

* Im Juli 2006 gab es vier Prozent weniger gemeldete Berufsausbildungsstellen
als im Vorjahr und 25,2 Prozent weniger als vor 12 Jahren, dem damaligen
vorläufigen Tiefpunkt

* 27 419 Ratsuchende sind aktuell für Hamburg bei der BA registriert, 13,6
Prozent mehr als im Vorjahr

* davon wurden 7 187 Jugendliche als Bewerber von der BA anerkannt, das sind
6,6 Prozent weniger als im Vorjahr

* Nur noch 29 Prozent aller Hamburger Bewerber stammen aus dem aktuellen
Schulabgangsjahr,
* 71 Prozent sind so genannte Altbewerber

* Nur rund 35 Prozent der Bewerber eines Jahres landen in der dualen
Berufsausbildung

* Nur rund 16 Prozent der ausbildungsberechtigten Hamburger Betriebe bilden
aus

* In Hamburg gibt es ca. 11 000 Ausbildungsplätze im dualen System, davon
sind 8000 – 9000 Stellen bei der BA registriert

* Die Zahl der Jugendlichen, die derzeit auf einen Ausbildungsplatz hoffen,
setzt sich zusammen aus Bewerbern aus dem Umland, Altbewerbern, aktuellen
Schulabgängern und „Rückkehrern“ aus „Warteschleifen“ und beträgt rund 20 000
– die BA erkennt jedoch lediglich rund 7200 als Bewerber an. Damit bleiben
mindestens 5000 Jugendliche in Hamburg tatsächlich unversorgt.

* Im Jahr 2005 gab es 15 166 Schulabgänger in Hamburg. Die Zahl der
Schulabgänger in Hamburg wird in den nächsten Jahren stets über dem Niveau
von 2005 liegen – allein im Jahr 2010 verdoppelt sich die Zahl der
Abiturienten, weil dann durch das Abi nach 12 Jahren zwei Jahrgänge die
Schule beenden. Durch die dann auf den Ausbildungsmarkt strömenden
Abiturienten werden Haupt- und Realschüler sowie Jugendliche ohne
Schulabschluss völlig chancenlos sein.

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