GAL zum Leben in der Illegalität

„Der Senat verschließt die Augen vor der gesellschaftlichen Realität, dass in Hamburg tausende Erwachsene und etliche Kinder ohne legalen Aufenthalt leben und arbeiten“, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion Antje Möller zu den Antworten des Senats auf eine Große Anfrage der GAL zum Leben in der Illegalität.

Weder verfüge der Senat über eine annähernde Schätzung der Zahl der Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, noch könne der Senat eine einzige Institution benennen, die mit Unterstützung der Stadt humanitäre Hilfe für Menschen in der Illegalität anbiete, um deren teilweise menschenunwürdigen Lebensumstände zu erleichtern.

Dabei stehen auch nicht legal in Hamburg lebende Menschen unter dem Schutz des Rechtssystems. Die allgemeinen Menschenrechte geben JEDER und JEDEM Schutz vor Ausbeutung und garantieren ein Mindestmaß an medizinischer Hilfe. Für schulpflichtige Kinder gilt das Recht auf Bildung.

In München wurde schon im Jahr 2001 vom Stadtrat eine wissenschaftliche Studie über das Leben in der Illegalität in Auftrag gegeben. Die Verfasser der Studie gehen von 30.000 bis 50.000 erwachsenen Personen und mehreren hundert Kindern in München aus und haben konkrete Vorschläge entwickelt, die vom Sozialausschuss der Stadt München aufgegriffen wurden.

Gesundheitsversorgung

In Hamburg ist der anonyme Zugang zu medizinischen Untersuchungen nach Angaben des Senats nur in der Zentralen Beratungsstelle für sexuelle Krankheiten möglich. Außerdem können sich Frauen in Notfällen bei pro familia gynäkologisch untersuchen lassen und es gibt die Mobile Hilfe der Caritas Hamburg für Obdachlose.

Diese Angebote haben jedoch schon mehr als genug mit ihren eigentlichen Zielgruppen zu tun. Von einem risikolos nutzbaren Angebot der medizinischen Grundversorgung kann in Hamburg keine Rede sein. Die Folgen sind, dass in Hamburg Menschen aus Angst vor Entdeckung und vor unabsehbaren Kosten zu spät oder gar nicht in ärztliche Behandlung gehen. Dadurch werden Krankheiten für die Betroffenen gefährlicher und für die Allgemeinheit in der Regel teuerer. Praktische Hilfe bieten in Hamburg nur zivilgesellschaftliche Initiativen, die jenseits des staatlichen Gesundheitssystems medizinische Hilfe vermitteln.

In Hamburg sollte ähnlich wie z.B. in München die Gründung eines Fonds zur Finanzierung der medizinischen Versorgung initiiert werden. In München hat ein Kreis aus Vertreterinnen und Vertretern der Stadt, der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände und weiterer Organisationen sowie engagierten Ärztinnen und Ärzten einen Trägerverbund für einen Gesundheitsfonds (Münchner Modell) ins Leben gerufen. In Berlin bietet die „Malteser Migranten Medizin“ eine Anlaufstelle für Menschen in der Illegalität.

Schutz vor Ausbeutung

Migrantinnen und Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis sind auf Arbeit in der so genannten Schattenökonomie angewiesen. Die Nachfrage nach illegaler Arbeit gibt es vor allem in der Baubranche, im Hotel- und Gaststättengewerbe, der Unterhaltungsbranche aber auch zunehmend in Privathaushalten, z.B. für Putzjobs oder Pflegearbeiten. Studien haben festgestellt, dass Lohnbetrug häufig vorkommt und Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen die Tatsache ausnutzen, dass illegal Beschäftigte ihren Lohn nicht einklagen können.

Das Menschenrecht auf Schutz vor Ausbeutung ist in Hamburg praktisch kaum durchsetzbar. Nach Angaben des Senats gibt zwar die von der Stadt Hamburg betriebene Öffentliche Rechtsauskunft die Daten der Hilfesuchenden nicht an die Ausländerbehörde weiter, sie berät aber ausschließlich über Möglichkeiten, die Illegalität zu verlassen. Zu der durch den Berliner Senat erfolgten Klarstellung, dass Arbeitsgerichte in der Regel nicht verpflichtet sind, den ausländerrechtlichen Status der Klagenden zu erfragen, bezieht der Hamburger Senat keine Position. Die GAL fordert in diesem Zusammenhang den Hamburger Senat auf, sich der Berliner Position anzuschließen und eine ähnliche Klarstellung gegenüber den Arbeitsgerichten auszusprechen.

Der offenkundige Mangel an Schutz macht illegale Beschäftigung für potentielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eher attraktiver und wirkt sich auf dem Hamburger Arbeitsmarkt nach Einschätzung der GAL eher negativ aus. Der Senat ist verpflichtet, auch in diesem Bereich den grundlegenden Menschenrechten Geltung zu verschaffen. Als ersten Schritt fordert die GAL, den Beratungsauftrag der öffentlichen Rechtsauskunft entsprechend zu erweitern.

Recht auf Bildung

Das in Hamburg geltende Recht auf Bildung gilt auch für Kinder, deren Familien ohne legale Papiere hier leben. Die beabsichtigte Aufdeckung des Aufenthaltstatus aller Schülerinnen und Schüler durch das Schülerzentralregister wird im Zweifel dazu führen, dass Kinder aus diesen Familien von den Schulen genommen werden oder nicht mehr angemeldet werden, um eine Abschiebung zu vermeiden. Faktisch wird das Recht auf Bildung damit ausgehöhlt. In der Folge werden Kinder jegliche Bildungs- und Integrationschancen genommen. Dieses Vorgehen als einzigen Weg zur Wahrung des Kindeswohls zu bezeichnen, ist aus Sicht der GAL äußerst zynisch und ignorant gegenüber der Lebenssituation der betroffenen Familien.

Das Hamburger Recht auf Bildung hat aus Sicht der GAL eindeutigen Vorrang. Kinder, die in Hamburg zur Schule gehen, brauchen mit ihren Familien einen wirksamen Schutz vor Abschiebung, um die Schule zu beenden.

Veranstaltungshinweis:

Leben im Schatten – Ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte!

Freitag, 08. Dezember 2006, 18.30 Uhr, Rathaus, Bürgersaal

Beiträge und Diskussion zur Situation der Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Hamburg:

Norbert Cyrus, Interdisziplinäres Zentrum für Bildung und Kommunikation in Migrationsprozessen, Oldenburg)

Katrin Naumann, Annette Quentin, Christiane Hess, Medizinische Beratungs- und Vermittlungsstelle für Flüchtlinge und MigranntInnen, Hamburg

Peter Bremme, Ver.di, Fachbereichsleiter Besondere Dienstleistungen

Einleitung und Moderation: Antje Möller, MdHB

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