GAL-Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz

photocaseGEFANGEN.jpegDie GAL-Bürgerschaftsfraktion hat ihren Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz eingebracht. „Eine gelungene Resozialisierung von jugendlichen Straftätern ist auch das beste Mittel, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten“, so begründet der rechtpolitische Sprecher Dr. Till Steffen den Ansatz des GAL-Entwurfs.

Dieser entspricht der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, das die Resozialisierung als herausragendes Ziel des Vollzugs bei Jugendlichen beschrieben hat, und ist in intensivem Austausch mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis des Strafvollzugs entstanden. Die GAL möchte den Jugendstrafvollzug modernisieren, ihr Entwurf versteht sich daher als klare Alternative zum Gesetzesentwurf der Hamburgischen Justizbehörde. Diese will der Sicherheit Vorrang vor der Resozialisierung Gefangener einräumen.

„An dieser zentralen Stelle des geplanten Gesetzes geht es dem Senat nicht um rechtliche, wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse, sondern um populistische Thesen“, sagt Steffen. „Entgegen den in der Öffentlichkeit geweckten Erwartungen wird mit der Zurückdrängung der Resozialisierung nicht mehr Sicherheit geschaffen, sondern es entsteht eine Sicherheitslücke, weil mit weniger Resozialisierung die Rückfallkriminalität zwangsläufig steigt.“

Das Bundesverfassungsgericht legt in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 fest, dass der Strafvollzug von Jugendlichen einer speziellen gesetzlichen Regelung bedarf, die der Lebenssituation Jugendlicher angepasst ist. Durch die Kompetenzverschiebungen der Föderalismusreform sind die Länder nun verpflichtet, bis Ende 2007 entsprechende Gesetze zu erlassen.

Die GAL-Fraktion hatte einen ersten Entwurf im Herbst 2006 vorgelegt, der nun nach umfassender Diskussion mit Fachleuten in die Bürgerschaft eingebracht worden ist. Die Hamburgische Justizbehörde hat ihren Entwurf eines Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes am 17. April in die öffentliche Debatte eingebracht. Bis zum 16. Mai haben die Verbände nun die Möglichkeit, ihre Stellungnahme zu diesem Entwurf einzubringen, eine erste parlamentarische Befassung ist noch vor der Sommerpause geplant.

In seinem Urteil zum Jugendstrafvollzug formuliert das Bundesverfassungsgericht sehr deutliche Anforderungen. Als zentrale Elemente gelten die Berücksichtigung der speziellen Lebenssituation Jugendlicher und die Resozialisierung als herausragendes Ziel des Vollzugs. Die GAL verfolgt dementsprechend das Ziel, die Entwicklung der jugendlichen Gefangenen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern.

Die Forderungen:

· Disziplinarmaßnahmen als Reaktion auf Fehlverhalten der Jugendlichen sollen weitgehend durch erzieherische Konzepte ersetzt werden.

· Allen Gefangenen soll nach Möglichkeit in Schulen oder Ausbildungsstätten Bildung und Ausbildung zur Verfügung gestellt werden.

· Die Zusammenarbeit zwischen Jugendvollzug und Jugendhilfe soll gestärkt werden.

· Bei jungen Frauen und Mädchen soll der Vollzug von vornherein auf deren besondere Lebenslage ausgerichtet sein.

Zum Rangverhältnis von Resozialisierung und Sicherungsauftrag sieht der Entwurf der GAL als alleiniges Vollzugsziel eine zukünftige Lebensführung der straffälligen Jugendlichen ohne Straftaten vor. Das Bundesverfassungsgericht hat herausgearbeitet, dass die Sicherheit der Bevölkerung langfristig am Besten durch eine gelungene Resozialisierung gewährleistet werden kann.

Senator Lüdemann hingegen will der Sicherheit der Bevölkerung Vorrang vor der Resozialisierung Gefangener einräumen. In dem vorliegenden Entwurf der Justizbehörde werden in § 2 der Sicherungsauftrag und der Behandlungsauftrag gleichgesetzt, wobei der Sicherungsauftrag (Abs.1) vor dem Behandlungsauftrag (Abs.2) genannt wird.

Aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes leitet sich ab, dass jeder Gefangene einen grundrechtlichen Anspruch auf Resozialisierung hat (vgl. BVerfG, Urteil v. 31.05.06, Rnr. 51 u. 61). Das geltende Strafvollzugsrecht geht davon aus, dass der durch „Behandlung“ intendierte soziale Lernprozess keinen Zwangs-, sondern lediglich einen Angebotscharakter hat. In dem vorliegenden Entwurf der Hamburgischen Justizbehörde wird unter dem Stichwort Chancenvollzug jedoch etwas gänzlich anderes verstanden, nämlich aus Gründen effizienten Ressourceneinsatzes die Förderung der mitarbeitsbereiten und die Ausgrenzung der nicht mitarbeitsbereiten Gefangenen, für die allein eine Grundversorgung bei sicherer Verwahrung vorgesehen ist.

Entgegen diesem Konzept des Chancenvollzugs steht für die GAL der Fördergedanke bei der Gestaltung des Vollzugs im Mittelpunkt. In dem GAL-Entwurf erhalten die Jugendlichen einen Rechtsanspruch auf einen verbindlichen Förderplan, an dessen Entwicklung sie mitwirken. Diese Planung umfasst primär die Partizipation der Jugendlichen an der Vollzugsplanung, die frühzeitige Entlassungsorientierung und die Angleichung der Haftbedingungen an das Leben außerhalb des Vollzuges. Deshalb muss der Vollzug differenzierte erzieherische Angebote zur Verfügung stellen und an den individuellen Bedürfnissen und am Entwicklungsstand jeder und jedes einzelnen Jugendlichen ausgerichtet sein. Anreize werden durch ein differenziertes Belohnungssystem geschaffen, welches auch bei Nichterfüllung der Erwartungen nicht bestrafend wirken soll.

Zugleich hält die GAL Senator Lüdemanns Vorstellung eines Chancenvollzugs für realitätsfern. Steffen: „Diesem Konzept liegt die Vorstellung zugrunde, man hätte nur Gefangene, die auf Anhieb in der Lage sind, selbst an der Lösung ihrer Probleme mitzuwirken. Wäre dies der Fall, bräuchte man keine Gefängnisse. Im Ergebnis führt dieses Konzept dazu, dass diejenigen, die die größten Probleme haben, ohne Hilfe den Vollzug wieder verlassen.“

Um dem Willen des Bundesverfassungsgerichts nach Resozialisierung vollständig nachzukommen, der gewährleisten soll, dass soziale Bindungen aufrecht erhalten und die soziale Integration erprobt werden können, schließt sich die GAL der geltenden Gesetzgebung an und erklärt für Jugendliche den offenen Vollzug als Regelvollzug. Dies soll den schädlichen Folgen des Vollzuges entgegenwirken und die spätere Wiedereingliederung in das Leben in Freiheit erleichtern.

Demgegenüber ist der Entwurf der Justizbehörde ein Rückschritt hinter geltendes Recht, wenn in Zukunft der geschlossene Vollzug als Regelvollzug gelten soll.

Den vollständigen Text des Gesetzesentwurfs können Sie bei der GAL-Pressestelle anfordern.

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