EVG Tarifabschluss – Trend zur Arbeitszeitsouveränität geht weiter

Gewerkschaftliches Engagement zahlt sich aus: Pünktlich zu Weihnachten hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in den Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG (DB AG) für über 100.000 Bahnangestellte einen Tarifabschluss erreicht, der sich sehen lassen kann. Die gut koordinierten Warnstreiks in ganz Deutschland haben vergangene Woche dazu beigetragen, insbesondere die drei Kernforderungen der Tarifrunde 2018 im Bereich Lohn, Arbeitszeitkonten und betrieblicher Altersvorsorge erfolgreich durchzusetzen.

Die Deutsche Bahn erhöht ab dem 01.01.2020 ihren Beitrag zur betrieblichen Altersvorsorge um 1,1 % auf nun 3,3 % des Monatsbruttolohns, garantiert aber einen Mindestbetrag von 75 EUR, um auch für die geringeren Lohngruppen einen Zuwachs ihrer Pension zu gewährleisten. Auch bei ihrer Forderung nach Lohnerhöhung kann die EVG einen Erfolg vorweisen: In zwei Stufen wird der Lohn der Beschäftigten um insgesamt 6,1 % angehoben (3,5 % mehr zum 01.07.2019, weitere 2,6 % mehr zum 01.07.2020). Die Tarifverträge haben nicht – wie noch vor dem Streik von der DB AG angeboten – eine Laufzeit von 34 Monaten, sondern nur von 29 Monaten.

Das Besondere ist: Wie im vorangegangenen Tarifabschluss kommt bei der Ausgestaltung der Lohnerhöhung das EVG-Wahlmodell zum Tragen: die Beschäftigten können sich bei der zweiten Stufe der Lohnerhöhung zwischen einem Lohnzuwachs um 2,6 %, sechs Tagen mehr Urlaub oder einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde entscheiden. Zusammen mit der in der Tarifrunde ebenfalls erkämpften schnelleren, selbstbestimmten und flexiblen Zeitentnahme aus dem Langzeitkonto entspricht die EVG damit den unterschiedlichen Bedürfnissen der Beschäftigten nach Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit.

Zahlen zur Inanspruchnahme des EVG-Wahlmodells aus der letzten Tarifrunde belegen die Attraktivität einer Wahlmöglichkeit für Beschäftigte zwischen Lohnerhöhung und längerem Urlaub bzw. kürzerer Wochenarbeitszeit: 56 % der Bahnangestellten entschieden sich für eine Erhöhung ihrer Urlaubstage, 42 % für die klassische Lohnerhöhung.

Dieser Trend zu mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit beschränkt sich nicht nur auf die Branche Eisenbahn und Verkehr. Auch die IG Metall ermittelte in einer Umfrage bei einem großen Teil ihrer Mitgliedschaft eine Präferenz für die Arbeitszeitsouveränität und setzte in den Tarifverhandlungen im Frühjahr 2018 entsprechende Möglichkeiten durch, insbesondere für Beschäftigte, die Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder im Schichtbetrieb arbeiten. Ähnliche Ergebnisse konnte ver.di in diesem Jahr in den Tarifverhandlungen mit der Telekom und die IG BCE 2017 für die Chemische Industrie Ost verzeichnen.

All diese Abschlüsse zeigen, wie sich moderne Tarifpolitik und Beschäftigtenvertretung in Zeiten der Veränderung von individuellen Lebensentwürfen erfolgreich umsetzen lässt. Gewerkschaften kämpfen eben nicht nur erfolgreich für mehr Lohn, sondern auch für bessere Arbeit und für mehr Freizeit – für ein gutes Leben!

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