Der Bluff mit den jungen Straftätern

Der heutige Justizsenator und frühere Staatsrat Lüdemann ist für die jahrelange Täuschung der Öffentlichkeit mit falschen Zahlen über Jugendliche Straftäter persönlich verantwortlich, resümiert die GAL. Lüdemann musste zugeben: Fast alle Veröffentlichungen der letzten Jahre zum Thema waren falsch. Auch SPD-Innenmann Dressel kritisiert den Senator.

Zuvor hatte das „Hamburger Abendblatt“ berichtet, dass die Justizbehörde jahrelang falsche Zahlen über die Verurteilungen jugendlicher Straftäter veröffentlicht hat. Nachdem bis zum Antritt der CDU-Schill-FDP-Koalition im Jahr 2001 rund 60 Prozent der Jugendstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurden, mussten – so die offizielle Statistik der Justizbehörde – seit 2002 plötzlich rund 70 Prozent der verurteilten Straftäter ins Gefängnis. In Wahrheit aber habe sich an der Praxis der Verurteilungen so gut wie nichts geändert.

Lüdemanns persönliche Verantwortung sei durch die Geschichte der öffentlichen und parlamentarischen Auseinandersetzung zu diesem Thema belegt. Als Staatsrat hatte Lüdemann 2004 – 2006 die Anfrage der Abgeordneten Till Steffen und Klaus Peter Hesse (CDU) zu den Zahlen im Jugendstraffvollzug zu genehmigen (u.a. GAL-Anfragen v. 9.11.04 und 21.10.05, CDU Anfrage vom 13.09.05 ). Diese Anfragen offenbarten den deutlichen Widerspruch zwischen Verurteilungszahlen und der Belegungszahlen im Jugendvollzug. Dass dieser Widerspruch von Lüdemann nicht erkannt wurde, obwohl die GAL in Medien und Parlament wiederholt darauf hingewiesen hatte, ist nicht glaubwürdig.

Gegenüber den Medien hat die Justizbehörde jetzt zugegeben, seit vier Monaten von den falschen Zahlen gewusst zu haben. Tatsächlich wurde der Senat aber bereits am 31.5.2007 vom Hamburger Kriminologen Prof. Bernhard Villmow nach einer Erklärung für die irritierenden Zahlen befragt. (Geantwortet wurde ihm am 10.8.2007.)

Trotzdem hat der Senat auf eine Anfrage von Steffen vom 6.11.2007, in der erneut auf die auffällige Diskrepanz hingewiesen wurde, den Fehler in der Statistik geheim gehalten. Auch auf den Hinweis von Steffen in der Plenardebatte vom 12.12.2007, dass die Zahlen über Verurteilungen nicht stimmen können, hat Lüdemann keinen Anlass gesehen, sein Wissen preiszugeben.

Steffen: „Es kann natürlich ohnehin erwartet werden, dass ein Staatsrat und ein Senator öffentliche Debatten über neue Tendenzen bei den Verurteilungen junger Straftäter verfolgen und die Belegung der Gefängnisse kennen. Lüdemann hatte die Daten aber selbst schwarz auf weiß auf dem Tisch und hat sie selbst freigegeben Damit ist er verantwortlich für die Täuschung von Parlament und Öffentlichkeit.“

Im Wahlkampf 2001 war die Praxis der Jugendgerichte zentrales Wahlkampfthema. Der spätere Koalitionspartner von Ole von Beust, Ronald Schill, forderte die „Zerschlagung des Kartells strafunwilliger Jugendrichter“. In diese Kritik an den Jugendrichtern stimmte auch die CDU ein.

Diese Forderung wurde zum 1.4.2004 umgesetzt, indem das für ganz Hamburg zuständige Bezirksjugendgericht aufgelöst wurde und die Aufgaben auf die Stadtteilgerichte verlagert wurde. Diese organisatorische Änderung führte dazu, dass nunmehr die Jugendgerichtshilfe nicht mehr in der Lage war, an allen Verhandlungen teilzunehmen. Die Jugendgerichtshilfe hat die Aufgabe, zu gewährleisten, dass die vom Jugendgericht verhängten Sanktionen und Maßnahmen mit anderen Hilfemaßnahmen der Jugendhilfe koordiniert werden.

Auf Anfragen von CDU-Abgeordneten wurden ab dem Jahre 2002 Zahlen veröffentlicht, aus denen sich ein höherer Anteil an nicht zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafen ergibt. Diese Ergebnisse wurden stets öffentlich vermarktet. Die CDU hat dabei den Eindruck erweckt, die Veränderung der Verurteilungen sei auf den politischen Kurswechsel in der Innen- und Rechtspolitik zurückzuführen.

Gleichzeitig führte diese Zunahme der nicht zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafen nicht zu einem entsprechenden Anstieg der Belegung der Jugendvollzugsanstalt auf Hahnöfersand. Auch diese Belegungssituation war mehrfach Gegenstand von Kleinen Anfragen. Dr. Till Steffen fragte regelmäßig die Belegung der Haftanstalten ab. Der massive Leerstand war mehrfach Gegenstand umfangreicher Berichterstattung in Hamburger Medien. Dabei fiel insbesondere der große Leerstand im Jugendvollzug auf.

Lüdemann in Erklärungsnot
Dressel kritisiert Verheimlichung von Statistik-Fehlern

Auch SPD-Innenexperte Andreas Dressel hat den Umgang der Justizbehörde mit den jetzt bekannt gewordenen Statistik-Fehlern der Jugendkriminalitäts-Statistik als „skandalös“ bezeichnet. „Justizsenator Lüdemann hat einiges zu erklären. Nach eigener Aussage weiß seine Behörde seit September letzten Jahres von den fehlerhaften Statistiken. Die Behörde hat aber weder Politik noch Öffentlichkeit darüber informiert. Ihr Wissen hat sie auch nicht gehindert, die falschen Zahlen unkorrigiert öffentlich aufrechtzuerhalten. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass wissentlich mit falschen Zahlen gearbeitet wurde, um dem Justizsenator Gelegenheit zu geben, sich als Hardliner zu präsentieren“, sagte Dressel. Er forderte eine „lückenlose Aufklärung“ und hat bereits eine erste Kleine Anfrage an den Senat eingereicht.

„Zumindest der Unterschied zwischen der Zahl angeblicher Verurteilungen zu Haftstrafen und der Zahl der tatsächlich Inhaftierten hätte der Leitung der Justizbehörde auffallen müssen“, sagte Dressel, der in seiner Kleinen Anfrage detailliert nach Gründen der Statistikfehler und nach möglichen Kenntnissen der Justizbehörde fragt. Er betonte, der Skandal betreffe nicht nur den amtierenden Justizsenator Lüdemann, sondern auch seinen Amtsvorgänger Kusch.

Zudem dränge sich die Frage auf, ob die von der Justizbehörde genannten Zahlen über verhängte Haftstrafen gegen Erwachsene verlässlich seien. „Möglicherweise ist das Ende der Fahnenstange noch gar nicht erreicht“, sagte Dressel.

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