Armutsbericht zensiert: Wer war`s?

„Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.“ Oder: „Allerdings arbeiteten im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro.“ Diese und andere systemkritische Sätze befanden sich im Entwurf zum Armutsbericht der schwarz-gelben Bundesregierung – bis jemand den Rotstift ansestzte:

Bestimmte Formulierungen seien aus dem Regierungsdokument getilgt worden, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Dazu gehört auch die Aussage:

„Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken. Die Einkommensspreizung hat zugenommen.“ Die verletze „das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“ und könne „den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden“.

Als parteipolitisch motivierte Manipulation kritisiert das Bündnis „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“ die massiven Streichungen im aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. So seien unter anderem die Passagen zur extrem ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland nachträglich gestrichen worden. Der Vorgang zeige, dass es endlich einer unabhängigen Armutsberichterstattung durch eine regierungsexterne Kommission bedürfe.

„Der zum Teil schonungslosen Analyse im ersten Entwurf der Bundesarbeitsministerin wurden offensichtlich in zentralen Passagen sämtliche Zähne gezogen“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. „Wenn zuvor kritisierte Armutslöhne jetzt sogar als politischer Erfolg gewertet werden, ist dies an Peinlichkeit kaum noch zu übertreffen.“ Der ganze Vorgang zeige, dass es anstatt einer politisch manipulativen „Hofberichterstattung“ endlich eine Armuts- und Reichtumsberichterstattung durch eine unabhängige Kommission brauche.

„Noch im September hat Frau von der Leyen offengelegt, dass wir in Deutschland eine geradezu obszöne Vermögenskonzentration in den Händen weniger haben und die daraus resultierenden Probleme klar benannt. Dies nun totzuschweigen zeigt, dass die Koalition als Ganzes offensichtlich nicht bereit oder nicht in der Lage ist, sich diesen zentralen Problemen in Deutschland zu stellen“, so Jutta Sundermann von Attac Deutschland.

Das Bündnis „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“ fordert die Bundesregierung zu einer steuerpolitischen Kehrtwende und einer nachhaltigen und solidarischen Finanzierung des Sozialstaats auf. Konkret seien eine dauerhafte Vermögenssteuer sowie eine einmalige Vermögensabgabe erforderlich, um reiche Haushalte in Deutschland deutlich stärker als bisher für die Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen.

Dem parteipolitisch unabhängigen Bündnis gehören bisher auf Bundesebene über 20 zivilgesellschaftliche Organisationen an: Von Attac, Gewerkschaften und Sozialverbänden über Migrantenverbände, Jugend- und Studierendenorganisationen bis hin zur Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe.

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