ALG II: Verschlechterungen im neuen Jahr

Mit einer ganzen Reihe von Verschlechterungen beginnt das Jahr 2007 für ALG II-Empfänger. Anstatt die Daumenschraube bei den Langzeitarbeitslosen weiter anzuziehen, fordert der DGB Hamburg eine funktionierende und förderfreudigere ARGE.

Verschärfungen der Sanktionen für ALG II-Empfänger

Ab sofort werden die Sanktionen für ALG II-Empfänger – wie im SGB II-Fortentwicklungsgesetz festgelegt – verschärft. Die sog. 3. Sanktionsstufe entfällt: Nun gilt, dass die die zweite Pflichtverletzung (z.B. nicht rechtzeitiges Melden, Verweigerung der Teilnahme an Maßnahmen wie etwa Ein-Euro-Job) eine Absenkung der Regelleistung um 60 Prozent und jede weitere Pflichtverletzung einen kompletten Wegfall aller Leistungen – Regelsatz und Kosten der Unterkunft und Heizung – für jeweils drei Monate zur Folge hat.

Eine „wiederholte Pflichtverletzung“ liegt vor, wenn der ALG II-Empfänger innerhalb eines Jahres nach Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraumes Anlass für eine weitere Sanktion gegeben hat. Nur in Ausnahmefällen kann die Minderung des ALG II ab der dritten Pflichtverletzung auf 60 Prozent begrenzt werden, heißt es aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Auch bei Jugendlichen erfolgt eine Verschärfung der Sanktionen: Künftig werden im Fall einer wiederholten Pflichtverletzung auch die Kosten der Unterkunft gestrichen. Um Obdachlosigkeit bei den Jugendlichen zu vermeiden, können die Kosten für Unterkunft und Heizung jedoch sofort wieder übernommen werden, wenn der Jugendliche sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.

Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg: „Hartz IV hat ohnehin einen starken Disziplinierungs-Charakter und ist eine Art Arbeitswilligkeits-Test für ALG II-Empfänger. Dabei sind die allermeisten unverschuldet in diese Lage geraten und würden lieber heute als morgen ihr Geld aus eigener Kraft verdienen. Natürlich müssen sich Leistungsempfänger an Regeln halten, aber diese zusätzlichen Verschärfungen schießen über das Ziel hinaus und können
den Menschen ihre gesamte Existenzgrundlage rauben. Stattdessen sollte die ARGE ihrerseits ihren rechtsmissbräuchlichen Umgang mit den Arbeitslosen (z.B. Eingliederungsvereinbarungen per Post ohne Gespräch mit dem Sachbearbeiter) unterlassen und dem ebenfalls im Gesetz verankerten Ziel der Förderung Langzeitarbeitsloser nachkommen.“

Absenkung des Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosengeld II-Bezieher

Der Beitrag für die gesetzliche Rentenversicherung der Bezieher von Arbeitslosengeld II wird drastisch von 78 Euro pro Monat auf 40 Euro (!) pro Monat gesenkt. Zudem wird künftig für sog. Aufstocker, also ALG II-Empfänger mit sozialversicherter Beschäftigung, kein Pflichtbeitrag mehr für die Rentenversicherung entrichtet.

Erhard Pumm: „In einigen Jahren wird sich Reduzierung des staatlichen Beitrags zur Rentenversicherung bitter auswirken: Mit diesen Mickerbeiträgen kann keine solide Rente aufgebaut werden. Damit wird für viele, die in jungen Jahren aus dem Arbeitsleben gedrängt wurden, schon jetzt der Grundstein für die Altersarmut gelegt.“

Höhere Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung

Zum 1. Januar 2007 wird die Höhe der Bundesbeteiligung an den Leistungen der Unterkunft und Heizung im SGB II von bislang 29,1 Prozent auf 31,2 Prozent angehoben. Ab 2008 werden die Beteiligungssätze jährlich nach Maßgabe der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften auf Bundesebene angepasst.

Erhard Pumm: „Ende des letzten Jahres machte das Bundessozialgericht deutlich, dass sich die Übernahme der Kosten für eine einfache Unterkunft an ortsüblichen Bedingungen orientieren muss. Nun steigt sogar die Bundesbeteiligung an diesen Kosten – wir fordern den Senat nochmals dringend auf, die Mietobergrenzen für die Unterkunft für ALG II-Empfänger anzuheben, denn in Hamburg orientieren sich die zulässigen Tabellenwerte nicht an den
aktuellen Durchschnittsmieten für schlichte Wohnungen. Es ist kaum noch Wohnraum zu den erlaubten Sätzen – z.B. max. 318 Euro Miete/Monat für Alleinstehende – zu finden und die Zahl der Aufforderungen zu Zwangsumzügen nahm im vergangenen Jahr drastisch zu.“

Nach Informationen des DGB Hamburg wurden in 2006 bis August 06 3192 Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften zur Senkung der Kosten für Unterkunft und Heizung aufgefordert; in 1176 Fällen erfolgte in diesem Zeitraum die Kürzung auf die erlaubten Beträge. Im gesamten Jahr 2005 waren es noch 2215 Umzugsaufforderungen und 460 Kürzungen.

Verlängerung der Regelung über den Vermittlungsgutschein

Die Regelung über den Vermittlungsgutschein (§ 421g SGB III), die bis zum 31. Dezember 2006 befristet war, wird in unveränderter Form bis zum 31. Dezember 2007 verlängert. Mit einem Vermittlungsgutschein können Arbeitslose die Dienste privater Arbeitsvermittler in Anspruch nehmen.

Erhard Pumm: „In Hamburg stieg die Zahl der eingelösten Vermittlungsgutscheine im vergangenen Jahr auffällig um über zwei Drittel an, ohne dass die Arbeitsagentur die Anzahl der ausgegebenen Gutscheine benennen konnte. Nur die Differenz zwischen ausgegebenen und eingelösten Vermittlungsgutscheinen gibt aber annähernd Aufschluss darüber, wie
erfolgreich dieses Instrument ist und ob man es weiterhin exzessiv nutzen sollte. Möglichem Missbrauch dieses Instruments, das schließlich von Beitragsgeldern der Beschäftigten finanziert wird, muss dringend vorgebeugt werden. Der Bundesrechnungshof hatte die Missbrauchsrate auf Bundesebene mit über 30 Prozent beziffert. Wir fordern für Hamburg eine eindeutige Evaluation des Instruments Vermittlungsgutschein.“

Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitsförderung

Zum 1. Januar 2007 wurde der Beitragssatz zur Arbeitsförderung auf 4,2 Prozent gesenkt. Schon im Juni 2006 wurde geregelt, dass der Beitragssatz zur Arbeitsförderung zum 1. Januar 2007 von derzeit 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent abgesenkt wird. Aufgrund eines unerwartet hohen Überschusses der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2006 beschloss die Regierung im November eine erneute Senkung des Beitragssatzes um weitere 0,3 Prozentpunkte auf 4,2
Prozent.

Erhard Pumm: „Nach unserer Überzeugung wäre es besser gewesen, auf die zusätzliche Absenkung zu verzichten und einen Teil des Überschusses zur notwendigen Förderung Langzeitarbeitsloser einzusetzen – etwa für Qualifizierungsmaßnahmen.“

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