60 Jahre SPD-Fraktion: Selbstbewusst in die Zukunft

photocaseRATHAUS_Alst.jpegMit einem Festakt im Hamburger Rathaus hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion heute ihren 60. Geburtstag gefeiert. SPD-Fraktionschef Michael Neumann rief die SPD zu Geschlossenheit auf. Die sozialdemokratische Überzeugung und Werte wie Solidarität oder Freiheit würden eine neue Bedeutung erhalten in einer Zeit, in der Politik immer mehr zu einem „Forum für Selbstdarstellung“ zu verkommen drohe.

Hans-Ulrich Klose, ehemaliger SPD-Fraktionsvorsitzender und späterer Erster Bürgermeister würdigte die demokratischen Qualitäten der Hamburger SPD – nicht zuletzt, weil sie „einen Querkopf wie mich schon so lange ertragen hat“.

Der SPD-Abgeordnete und -Landesvorsitzende Mathias Petersen erinnerte in seinem Redebeitrag an persönlich-familiäre Bezüge zu den Geburtsstunden der SPD-Fraktion im Rathaus. Der von der Militärregierung eingesetzte Bürgermeister Rudolf Petersen, der Großvater des heutigen SPD-Landeschefs, hatte sich im Sommer 1945 geweigert, auf Geheiß britischer Offiziere die Büsten des Kaisers Wilhelm I, des Reichskanzlers Otto von Bismarck und des Generalstabschefs Helmuth von Moltke aus dem Kaisersaal zu entfernen, und in diesem Zusammenhang sein Amt zur Disposition gestellt.

Als ein gutes Jahr danach der Kaisersaal zum Sitzungsraum der SPD-Fraktion geworden sei, hätten einige Genossen den Bürgerschaftspräsidenten Adolf Schönfelder bewegen wollen, die Büsten der „Reaktionäre“ aus dem Saal zu beseitigen. Präsident Adolf habe seinerzeit entgegnet: „De sinn ja schon lang dod, lat die man staan“. Es habe sich ihm eingeprägt, so Dr. Petersen, dass es nicht gelingen könne, Angelegenheiten aus der Welt zu schaffen, indem man versuche, sie zu verstecken.

SPD-Fraktionschef Michael Neumann zog mit Blick auf die aktuelle Diskussion über das Hamburger Wahlrecht Parallelen zwischen den ersten Jahren nach Kriegsende und dem Jahr 2006. Das Thema Wahlrecht habe schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf der politischen Tagesordnung in Hamburg gestanden: „Anfangs bestanden die Briten darauf, dass nur die Namen auf dem Stimmzettel stehen durften. Doch immerhin gelang es den Parteien, zumindest in einer Klammer dahinter die Partei zu vermerken.“ Die Reihenfolge sei durch das Alphabet bestimmt worden – „da hatte man als ´Brauer` Glück, als ´Zuckerer` hätte man Pech gehabt“, sagte Neumann.

Der SPD-Fraktionschef appellierte an die Hamburger SPD, Selbstbewusstsein zu zeigen und die Erfolge der Vergangenheit nicht schlecht reden zu lassen. „Vieles, um das Hamburg beneidet wird, hat seine Wurzeln in der Zeit sozialdemokratisch geführter Senate“, sagte Neumann. „Wir sind stolz auf das, was wir Sozialdemokraten geleistet haben. Aber alles, was erreicht wurde, ist uns nicht in den Schoß gefallen. Wir mussten und müssen unsere Ellenbogen mächtig gebrauchen“, zitierte Neumann Max Brauer.

Er rief seine Fraktion auf, in der politischen Auseinandersetzung den Blick für die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen im Auge zu behalten. Mit Blick auf die laufende schulpolitische Debatte in Hamburg zitierte er den Hamburger SPD-Historiker Walter Tormin: „Reformen in der Bildungspolitik sind nur erfolgreich, wenn sie auf der Akzeptanz der Menschen aufbauen.“

Der ehemalige SPD-Fraktionschef und spätere Erste Bürgermeister Hans-Ulrich Klose nahm diesen Appell in seiner Rede auf: „Es war ein Fehler, nach einiger Zeit in wichtigen Funktionen nicht mehr so aufmerksam zugehört zu haben, wie es nötig gewesen wäre: im Gespräch mit den Menschen auf der Straße und im Gespräch mit den eigenen Genossinnen und Genossen. Heute weiß ich: Hätte ich besser zugehört, wäre bei mir angekommen, was mir gesagt und geraten wurde – viel wäre mir und manches auch der Hamburger SPD erspart geblieben.

Klose blickte zurück auf die Arbeit der SPD-Fraktion in den vergangenen 60 Jahren und sprach auch über seinen Weg in die SPD. Die „Spiegel-Affäre“ und der Bau der Berliner Mauer, zusammen mit dem schon immer vorhandenen Interesse an der Politik hätten ihn veranlasst, in die SPD einzutreten. Zwei Sätze seines Vaters seien maßgeblich für seinen Parteieintritt gewesen. Zum einen müsse darauf hingewirkt werden, „dass die Demokratie in Deutschland zur Tradition wird“, erinnerte sich Klose. Der andere Satz sei noch deutlicher gewesen: „Wenn du nicht willst, dass braune oder rote Banausen, Nazis oder Stalinisten, es machen, mach‘ es selbst.“

Die Historikerin Christel Oldenburg, Vorsitzende des SPD-Arbeitskreises Geschichte, skizzierte in ihrer Rede das Selbstverständnis der sozialdemokratischen Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft. Sie beschrieb die SPD-Fraktion als „streit- und diskussionsfreudig“ und bereit, sich den unterschiedlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Das betreffe die Arbeit als Regierungs- wie als Oppositionsfraktion. Und das betreffe auch das Verhältnis der SPD-Fraktion zu den Journalisten der Medienstadt Hamburg: „Vermehrt nahmen sich Fraktionsmitglieder die Freiheit, aus eigentlich vertraulichen Sitzungen die Presse über ihre Sicht der Dinge zu informieren“, berichtete Oldenburg über Tendenzen der 70er Jahre – „ein Phänomen, über das heute auch der CDU-Fraktionsvorsitzende klagen könnte.“ Sie berichtete auch über einen „Rüffel“ für eine 10köpfige Gruppe von SPD-Abgeordneten – unter ihnen der spätere Erste Bürgermeister Ortwin Runde -, die über die Bild-Zeitung gegen den Beschluss des Bundesparteivorstandes protestiert hatte, den späteren SPD-Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter als Linksabweichler aus der SPD auszuschließen.

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