Wer gut integriert ist, soll bleiben dürfen

Die Hamburger SPD-Fraktion will Lehren aus dem Fall Kate Amayo ziehen. In einem Antrag, der auf der Tagesordnung der nächsten Bürgerschaft stehen wird, fordern die Sozialdemokraten den Senat auf, das Aufenthaltsrecht für Kinder aus humanitären Gründen neu zu regeln. Nach dem Vorbild Bremens sollen auch in Hamburg Kinder von Eltern, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben, aber schon seit vielen Jahren in Hamburg leben, eine Chance auf einen dauerhaften Aufenthalt in Hamburg erhalten.

„Wir in Bremen wollen für diese Kinder, die oft keinen Bezug mehr zum Herkunftsland ihrer Eltern haben, eine Perspektivlosigkeit mit all ihren negativen Folgeerscheinungen vermeiden und ihnen die Chance für ein Leben in Deutschland bieten“, erklärte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer die Bremer Regelung, die nach dem Willen der Hamburger SPD-Fraktion auch in Hamburg eingeführt werden soll.

„Hamburg sollte sich hier am Bremer Erlass orientieren. Die Welle der Solidarität für Kate Amayo quer durch die ganze Gesellschaft sollte uns allen den nötigen Rückenwind geben, hier für die vielen ähnlichen Fälle eine tragfähigen Rahmen zu setzen. Bis Schwarzgelb auf Bundesebene sich auf Gesetzesänderungen verständigt – das kann für viele Betroffene zu spät sein. Und man kann auch nicht immer auf einen Gnadenakt der Härtefallkommission hoffen, denn viele Fälle bleiben im Dunkeln. Wir wollen Klarheit und die Betroffenen brauchen Verlässlichkeit. Ich hoffe, dass sich Schwarzgrün in Hamburg ähnlich wie Rotgrün in Bremen, unter Zustimmung der dortigen CDU-Opposition, auf diesen Weg begibt – im Sinne von Weltoffenheit, Liberalität und Toleranz unserer Metropole“, so SPD-Innenexperte Andreas Dressel.

„Es wäre eine integrationspolitische Torheit ersten Ranges, gut integrierte Kinder und Jugendliche abzuschieben. Wir brauchen gerade diese Menschen für die Zukunft der Stadt“, so der Abgeordnete weiter.

Mäurer erläuterte die Bremer Regelung. Sie gelte nur für Kinder, deren Eltern seit vielen Jahren im Land Bremen leben. Es sei nicht möglich, diese Rechte durch einen Zuzug nach Bremen in Anspruch zu nehmen.

Der neue Erlass sei nach Angaben des Senators explizit auf die Kinder ausgerichtet und auf den Grad ihrer Verwurzelung in Deutschland: „Die Beendigung des Aufenthaltes von Kindern, die hier im Bundesgebiet geboren sind und/oder einen ganz wesentlichen Teil ihrer Sozialisation hier erfahren haben, kann eine unzumutbare Härte darstellen. Sie waren vielleicht nie in dem Herkunftsland ihrer Eltern, sie sind hier im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen, haben die Schule besucht oder sogar schon abgeschlossen und sind zu sogenannten faktischen Inländern geworden. Dem tragen wir mit dem Bremer Erlass Rechnung“, so Senator Mäurer.

Betroffen ist im Land Bremen insbesondere eine Vielzahl von Kindern, deren Eltern vor 15 bis 20 Jahren eingereist sind und die Behörden seinerzeit über ihre wahre Identität getäuscht haben. Der Aufenthalt konnte auch nach Aufdeckung der wahren Identität aus verschiedenen Gründen nicht beendet werden (z.B. wegen einer fehlenden Nachregistrierung der hier geborenen Kinder im Herkunftsland oder Schwierigkeiten bei der Passbeschaffung).

Das Verhalten der Eltern könne nach wie vor nicht akzeptiert werden. Deshalb sind sie auch von Bleiberechts- und Altfallregelungen ausgeschlossen. Ihre Kinder aber dürfen wegen des Verhaltens der Eltern nicht dauerhaft bestraft werden.

Die Kinder erhalten nach diesem Erlass zunächst befristete Aufenthaltstitel. Eine Verlängerung und schließlich ein dauerhafter Aufenthalt werden bei fortschreitender Integration ermöglicht. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler die Schule besuchen und sich altersadäquat am gesellschaftlichen Leben beteiligen. Im Weiteren wird erwartet, dass sie eine Ausbildung machen und/oder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und ihren Lebensunterhalt selbst sichern. Ihre Eltern erhalten ein vom Aufenthaltsrecht ihrer integrierten Kinder abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Jugendliche Straftäter sind von der Regelung ausgeschlossen.

Dressel: „Der Bremer Erlass ist ausgewogen. Er macht Schluss mit der ausländerrechtlichen Sippenhaft für gut integrierte Kinder und Jugendliche – aber er setzt auch keine falschen Anreize oder öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Wenn die Aussagen des Senats zur Integrationspolitik keine Sonntagsreden bleiben sollen, müsste Schwarz-Grün sich darauf einigen können.“

Aktuell gibt es in Hamburg 4.244 geduldete Ausländerinnen und Ausländer. Dressel schätzt, dass die Regelung auf einige Hundert angewandt werden könnte.

Der neue migrationspolitische Sprecher der Hamburger SPD-Fraktion Metin Hakverdi betonte: „Gerade in der aktuellen Integrationsdebatte ist es wichtig, die richtigen Anreize zu setzen und mit positiven Beispiele voranzugehen, ohne Integrationsprobleme zu verschweigen. Eine solche Regelung wäre ein echter Fortschritt und ein wichtiges Zeichen: Integrationswilligkeit würde ausländerrechtlich belohnt.“

Hakverdi forderte in diesem Zusammenhang, es müsse für alle Integrationswilligen auch genügend Integrationskurse geben. „Wartezeiten und Spardruck bei den Integrationskursen sind absolut kontraproduktiv und integrationspolitisch fatal. Dass CDU-Politiker kritisieren, dass 30 Prozent der Migrantinnen und Migranten keine Deutschkurse absolvieren und integrationsunwillig seien – und gleichzeitig die Mittel für entsprechende Kurse streichen, ist absolut inakzeptabel. Ich fordere den Senat auf, hier auf Bundesebene alles zu tun, damit alle Integrationswilligen auch ohne Verzug Integrationskurse belegen können.“ Mit einer Kleinen Anfrage hat Hakverdi beim Senat nachgehakt (siehe Drs. 19/7431).

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