Unterschriften für kostenlose Kitas

Dass die Hamburgerinnen und Hamburger die Nase gestrichen voll haben vom schwarzgrünen Senat, wird immer deutlicher. Schon wieder ist eine Volksinitiative gegen die Regierungspolitik an den Start gegangen – bisher haben fast alle Vorstöße von BürgerInnen die notwendigen Quoren erreicht. Dieses Mal geht es um Kitas.

Hamburgs Eltern sind sauer: Die Kitas werden zwar teurer, aber nicht besser. Vollmundige Versprechungen entpuppen sich als Mogelpackung (Stichwort: Kann-Kinder), angeblich abgeschaffte Gebühren für Fünfjährige werden durch die Hintertür wieder eingeführt. Und dringende Probleme – wie zum Beispiel eine vermehrte und bessere Fortbildung für ErzieherInnen – werden nicht angepackt.

Der Landeselternausschuss (LEA) will mit der Volksinitiative durchsetzen, dass es für alle Kinder von zwei Jahren bis zum Schuleintritt einen Rechtsanspruch auf einen sechsstündigen Kita-Platz gibt. Weil Kita Bildung sei, dürfe der Platz – so, wie ein Schulplatz – nichts kosten. Und auch eine Abschaffung des Essensgelds wird gefordert. – (Einzelheiten am Ende dieses Textes im Original)

Die SPD stellt sich grundsätzlich auf die Seite der Kinder und ihrer Eltern: „Die Kita-Gebührenerhöhung, die Reduzierung bestehender Rechtsansprüche und die Verschiebung des versprochenen allgemeinen Rechtsanspruches ab zwei Jahren sind schwere bildungspolitische Fehler von CDU und GAL“, kommentiert die Familienpolitische Sprecherin, Carola Veit.

Die SPD hat einen Antrag auf die Tagesordnung der kommenden Bürgerschaft gesetzt, der diese Fehler beseitigen und zudem ein beitragsfreies Mittagessen für alle Kinder garantieren würde. Der Rechtsanspruch ab zwei Jahren ist ebenfalls schon lange SPD-Position. Aber angesichts knapper Kassen sagt Veit auch: „Wichtig ist, dass der Aspekt der Qualität nicht aus dem Blick gerät. Die frühkindliche Bildung selbst wird nicht besser, nur weil sie umsonst ist.“

Bildung vor der Schule brauche aber dringend ein Plus an Qualität. Das müssten alle Akteure beachten. Dringend erforderlich seien deshalb endlich kleinere Gruppen und mehr Erzieherinnen – vor allem in den sozialen Brennpunkten. Jedes einzelne Kind müsse nach seinem Bedürfnis gefördert werden können.

Auch die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft unterstützt die Volksinitiative. Dazu erklärt Mehmet Yildiz, Sprecher für Kinder, Jugend und Familie: „Der Vorschlag kann ein Einstieg in gebührenfreie Bildung von Anfang an sein. Langfristig müssen für alle Kinder Ganztagesplätze ab dem ersten Lebensjahr steuerfinanziert zur Verfügung gestellt werden. Kitas sollten wie Schulen kostenlos sein.“

Der Vorschlag des Hamburger LEA orientiert sich an den Forderungen des Landeselternausschusses in Berlin, der im Herbst letzten Jahres nach einem erfolgreichen Volksbegehren in Verhandlungen mit dem Senat einen Rechtsanspruch für 2-6jährige Kinder von 5-7 Stunden durchgesetzt sowie Verbesserungen des Personalschlüssels vereinbart hat.

Yildiz: „Wenn diese Initiative erfolgreich ist, werden auch in Hamburg Standards gelten wie in Berlin. Dies gilt sowohl für Rechtsansprüche, als auch für die verbesserten Personalstandards. Die Fraktion DIE LINKE unterstützt das Anliegen des Landeselternausschuss, Vor- und Nachbereitungsstunden, Supervision und Elterngespräche endlich zu bezahlen. Es darf nicht nur in die Quantität, sondern es muss auch in die Qualität frühkindlicher Bildung investiert werden. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft. Also sollen auch alle dafür zahlen. Das dreimalige Abkassieren von Eltern über Steuern, Gebühren und Pauschalen muss ein Ende haben.“

Für die GAL, vor dem Senatseintritt klar als Partner von Gruppen und Initiativen festgelegt, ist die Situation erwartungsgemäß schwierig. Der Wunsch nach Gratis-Kitas sei nachvollziehbar, aber derzeit nicht umsetzbar, heißt es. Die Umsetzung der Forderungen würde pro Jahr rund 200 Millionen Euro zusätzlich kosten – das sei derzeit nicht umsetzbar.

Jens Kerstan, der Vorsitzende der GAL-Bürgerschaftsfraktion, stellt zudem die Rechtmäßigkeit der Volksinitiative in Frage: Kann und darf die Abschaffung von Gebühren Gegenstand eines Volksentscheids werden? „Das Gesetz sagt hier eindeutig: nein. Wenn es durch juristische Kniffe dennoch zu einer Abstimmung darüber kommen sollte, sehe ich ein grundsätzliches Problem. Ich empfehle einen Blick nach Kalifornien: Dort kann das Volk per Referendum Steuern abschaffen und gleichzeitig neue Ausgaben des Staates beschließen. Das Ergebnis ist bekannt: Der eigentlich reiche Bundesstaat ist hoffnungslos pleite und politisch lahmgelegt“, so Kerstan.

Christiane Blömeke, die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, sagte zum selben Thema: „Der Senat ist dem LEA in den Gesprächen trotz schwieriger Haushaltslage sehr weit entgegen gekommen und hat Verbesserungen bei der Personalausstattung, der Sprachförderung und nicht zuletzt finanzielle Erleichterungen bei den Elternbeiträgen in Aussicht gestellt. Ich bedauere sehr, dass man auf dieser Basis keine Einigung erzielen konnte.“

Auf die bisher gscheiterten Verhandlungen bezieht sich auch Carola Veit, wenn sie abschließend erklärt: „Dem Senat ist dringend zu raten, zügig an den Verhandlungstisch zurückzukehren, spätestens, wenn die erste Unterschriften-Hürde genommen ist. Im Sinne der frühkindlichen Bildung wäre es das Beste, wenn es schnell zu Verbesserungen und einem Kompromiss kommt und nicht monate- und jahrelang die Kita-Politik auf Eis gelegt wird. Der Senat wird allerdings einsehen müssen, dass er sich dann auch bewegen muss“.

Das ist der Text des LEA:

Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung Hamburg (LEA) startet Volksinitiative Kita-HH

In den vergangenen Wochen hatte der LEA Hamburg intensive Gespräche mit Sozialsenator Dietrich Wersich und Vertretern der Sozialbehörde über die zukünftige Entwicklung der Kindertagesbetreuung in Hamburg geführt.

Die letzten Äußerungen des Hamburger Bürgermeisters Christoph Ahlhaus lassen allerdings keine Zweifel daran, dass er und sein Senat keine weiteren Investitionen in die frühkindliche Bildung vornehmen werden. Jedenfalls keine, die über den reinen Platzausbau hinausgehen, der durch die geltenden Rechtsansprüche und das durch Bundesgeld unterstützte Krippenausbauprogramm hervorgerufen wird. Die Schwerpunkte des Senats liegen eindeutig in der Förderung des Wirtschaftszweiges.

Daher hat der LEA Hamburg am 20.09.2010 die Volksinitiative Kita-HH angemeldet, um über die direkte Demokratie die Verbesserungen im Kita-Gutschein-System umsetzen zu lassen, die er als unbedingt erforderlich erachtet. „Anders als mancher es sehen mag, wollen wir dabei weder „den Mob aufhetzen“ noch „unnötig polarisieren“ oder „Stimmung machen“, stellt Claudia Wackendorff, Sprecherin des LEA klar „Wir erhoffen uns eine breite Diskussion über den Stellenwert der frühkindlichen Bildung in dieser Stadt, damit sich jeder Bürger eine fundierte Meinung darüber bilden kann und im Sinne der Gemeinschaft sein Urteil fällt.“

Die Kinder Hamburgs wachsen in einer sich ständig verändernden, immer komplizierter und weniger überschaubar werdenden Welt auf. Zudem leben sie in einer Stadt, in der die sozialen Konflikte der gesamten Bundesrepublik aufeinander treffen. In Hamburg haben 43% der unter 15-Jährigen einen Migrationshintergrund, leben 26% aller Kinder unter sieben Jahren an der Armutsgrenze und rund ein Viertel aller Mütter und Väter sind alleinerziehend. Die Kinder brauchen daher vielfältige Bildungsangebote und Anregungen über ihre Herkunftsfamilie hinaus.

Der Vorschulbereich der null- bis sechsjährigen Kinder stellt die Eingangsstufe des Bildungsbereiches dar und ist zugleich ideale Bildungszeit. Bereits im Vorschulalter findet die entscheidende Prägung für die Entwicklung von Denkfähigkeit, Kreativität und Motivation statt, so die Gehirnforschung und Untersuchungen zur frühkindlichen Entwicklung. In der Kindertagesstätte, dem Ort für Bildungsgerechtigkeit, Gewaltprävention und das frühe Erlernen demokratischen Miteinanders sollen Basiskompetenzen für das Leben in einem Europa ohne Grenzen erworben werden.

Das sind alles zwingende Gründe für Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft: Für eine bessere Kinder-Tagesbetreuung – mit dem Ziel, Bildung von Anfang an zu verwirklichen. Das Ziel des Volksbegehrens ist es, mehr Bildungsqualität für alle Kita-Kinder zu erreichen. Frühere und individuellere Förderung der Kinder soll erreicht werden.

Sie ist die Grundlage für eine positive Bildungsbiografie und hilft Folgekosten für den Staat zu vermeiden. Von einer qualitativ guten frühkindlichen Bildung profitiert also die gesamte Gesellschaft. Und daher muss frühkindliche Bildung unabhängig vom gesellschaftlichen Status jedem Kind zur Verfügung gestellt werden.

Um die Volksinitiative zu unterstützen, kann jeder Hamburger Wahlberechtigte seine Unterschrift leisten. Wir benötigen für die erste Stufe 10.000 Stück. Die Unterschriftsbögen werden in den nächsten Tagen als PDF-Files an die Kitas in Hamburg gesandt und auf der Webseite www.Volksinitiative-Kita-HH.de zum Download angeboten. Dort findet jeder Interessierte auch weitere Informationen. Wir rufen hiermit jeden Hamburger auf, sich für Hamburgs Zukunft einzusetzen: Unterschreiben Sie, sammeln Sie Unterschriften, seien Sie Multiplikator!

Welche Forderungen stellen wir an die Bürgerschaft und den Senat?

Wir fordern, die frühkindliche Bildung als staatliche Aufgabe aus dem allgemeinen Haushalt zu finanzieren. Dazu ist ein Rechtsanspruch auf sechsstündige Betreuung für Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt vorzusehen, für den ab dem auf den Beschluss folgenden Haushaltsplan keine Familieneigenanteile erhoben werden. Für darüber hinaus gehende Betreuung darf lediglich für die zusätzlich in Anspruch genommene Stundenzahl ein Familieneigenanteil eingefordert werden, errechnet aus der Differenz des Betreuungsanteils zwischen bewilligtem Bedarf und kostenfreiem Rechtsanspruch, entsprechend der Grundlage des bis zum August 2010 gültigen
Familieneigenanteils. Das heißt, die beschlossenen Beitragserhöhungen sind dafür zurückzunehmen.

Weiter fordern wir den Senat auf, in der Kinderbetreuung generell keine Pauschalbeiträge, wie das Essensgeld, bei der Berechnung der Familieneigenanteile zu erheben. Denn Pauschalbeiträge stehen in keinem Zusammenhang zum Familien-Einkommen. Sie führen daher zu einem erschwerten Bildungszugang für sozial benachteiligte Kinder.

Die Qualität der Betreuung wird entscheidend durch die Betreuer-Kind-Relation bestimmt. Wir fordern deshalb, die zusätzliche Berücksichtigung der mittelbaren pädagogischen Arbeit sowie von Urlaubs- und sonstigen Fehlzeiten in Höhe eines Zuschlags von 25% zu den derzeit geltenden Sätzen bei der Berechnung der Leitungs- und Erziehungswochenstunden pro Kind in der gem. § 15 I KibeG mit den Verbänden der Träger zu schließenden Vereinbarung gesetzlich festzuschreiben. Dies ist eine Forderung, die auch von Verbänden, Mitarbeitern und wissenschaftlichen Studien bundesweit getragen wird.

Der LEA ist überzeugt, dass die Zielsetzung der Volksinitiative, mehr Bildungsqualität und Chancen in die Kitas zu bringen, eine sehr breite Zustimmung in der Bevölkerung haben wird.

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