Stadtentwicklung im Schneckentempo

Die Ankündigung des Senats, mit sozialen Erhaltensverordnungen gegen die Strukturveränderungen in St. Pauli, St. Georg, dem Schanzen- und dem Karoviertel vorgehen zu wollen, wird von der Opposition zwar grundsätzlich positiv beurteilt. Alles dauere aber viel zu lange, andere Städte – wie z.B. München – könnten dies viel schneller.Soziale Erhaltungsverordnung: bisher reine Ankündigungspolitik

Soziale Erhaltungsverordnung: bisher reine Ankündigungspolitik

Zurückhaltend hat SPD-Stadtentwicklungsfachmann Andy Grote auf die Ankündigung des Senats in Richtung einer sozialen Erhaltensverordnung für St. Pauli, das Schanzen- und das Karoviertel sowie für St. Georg reagiert. „Das ist im Bereich der Stadtentwicklungspolitik nur eine Ankündigung mehr“, sagte Grote. Der Senat hätte auf entsprechende Forderungen der SPD-Bürgerschaftsfraktion viel früher eingehen sollen. Die von der Stadtentwicklungsbehörde genannte Dauer der entsprechenden Verfahren nannte der SPD-Stadtentwicklungsfachmann „inakzeptabel lang“. München schaffe in wenigen Monaten, wofür der Senat offenbar Jahre einplant.

„Soziale Erhaltungsverordnungen sind ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Verdrängungstendenzen. Die von diesen Tendenzen betroffenen Bezirke machen seit langem Druck. Der Senat hat aber noch nichts Konkretes getan“, sagte Grote. So habe der Bezirk Mitte bereits im Dezember vergangenen Jahr ein entsprechendes Verfahren für St. Georg beschlossen. „Seit Juni 2009 liegen der Stadtentwicklungsbehörde die Ergebnisse der Voruntersuchung vor. Passiert ist ein dreiviertel Jahr allerdings nichts. Für St. Pauli hat der Bezirk das Verfahren im Juni 2009 gestartet, und seit Februar 2010 liegen auch hier die Ergebnisse der Voruntersuchung bei Frau Hajduk auf dem Tisch.“

Wenn der Senat nun erst für 2011 das Inkrafttreten der Erhaltungsverordnungen in Aussicht stellt, bedeute dies etwa für St. Georg eine Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren. „Das ist Stadtentwicklungspolitik im Schneckentempo. Die Bewohner der betroffenen Quartiere brauchen schnelle Unterstützung. Wieder einmal beschränkt sich der Senat im Wesentlichen auf Ankündigungen“, bedauerte Grote.

Er verwies auf die Bearbeitungszeit München. Dort dauere das Verfahren zum Erlass sozialer Erhaltungsverordnungen nur wenige Monate. In der bayerischen Landeshauptstadt gebe es bereits 15 solcher Verordnungen. „Der Senat sollte sich an München ein Beispiel nehmen. Er muss die Verfahren beschleunigen. Sonst kommen die Verordnungen für die Menschen zu spät, die von Verdrängungstendenzen bedroht werden“, sagte Grote.

Soziale Erhaltensverordnungen: Späte Maßnamen gegen hausgemachte Fehlentwicklungen

Zu der Mitteilung des Senats, dass 2011, also zwei Jahre nach Beginn der Untersuchung, mit dem Erlass von sozialen Erhaltensverordnungen für Teile St. Georgs, St. Paulis und dem Schanzenviertel zu rechnen sei, erklärt Dr. Joachim Bischoff, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linksfraktion:

„Endlich nimmt die Debatte über die Fehlentwicklungen in der Hamburger Stadtentwicklungspolitik fahrt auf. Leider viel zu spät, wie die drastisch steigenden Mieten und Immobilienpreise zeigen. Soziale Erhaltensverordnungen sind für die von Gentrifizierung bedrohten Stadtviertel ein Fortschritt. Sie können aber nur etwas bewirken und die Bevölkerung vor der Verdrängung schützen, wenn gleichzeitig günstiger Wohnraum gebaut wird.“

So kam es in München, obwohl für weite Teile der Stadt die soziale Erhaltensverordnung gilt, aufgrund des ungenügenden Wohnungsbaus zu rasant steigenden Mieten und Wohnraummangel im Stadtgebiet. Bei einer Fortsetzung der gegenwärtigen Hamburger Wohnungsbaupolitik ist diese Entwicklung auch für weite Teile Hamburgs abzusehen.

Die derzeitige Beschleunigung und Ausweitung von Sozialen Erhaltungsverordnungen dürfte nicht zuletzt auch auf die von der LINKEN im Dezember 2009 auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gesetzte Gentrifizierungs-Debatte zurückzuführen sein. DIE LINKE setzt sich für die flächendeckende Einführung von Sozialen Erhaltungsverordnungen im gesamten innerstädtischen Bereich und die Beschleunigung des Prüfungsverfahrens ein. Dazu hat die Fraktion Ende letzten Jahres die Broschüre „Wem gehören die Quartiere? Chancen & Grenzen von Sozialen Erhaltens- und Umwandlungsverordnungen“ herausgegeben.

Für den Senat sind solche ‚good news‘ wichtig, ist er doch mit der großspurigen Ankündigung seiner ‚Wohnungsbauoffensiven‘ 2006 und 2008 gehörig auf die Nase gefallen: Gerade mal 132 der projektierten 2000 Wohnungen sind fertig gestellt worden. Auch die bereits angekündigte ‚Wohnungsbauoffensive 2009‘ macht nicht viel mehr und ist noch nicht angelaufen. Angesichts des Mangels von rund 30.000 Wohnungen in Hamburg ist auch die jüngste Ankündigung von BSU und SAGA GWG, bis zum Jahre 2012 gerade 1230 neue Wohnungen zu schaffen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Der Senat hätte hinsichtlich des Erlasses von Sozialen Erhaltungsverordnungen schon vor zehn Jahren tätig werden können und müssen. Während die CDU, kaum an die Macht gekommen, Ende 2003 die bestehenden und durchaus erfolgreichen Erhaltungsverordnungen für Eimsbüttel-Nord/Hoheluft-West sowie Barmbek-Süd/Uhlenhorst außer Kraft setzte, war es im Bezirk Mitte die Koalition aus SPD und CDU, die im Jahre 2002 die Beschlusslage der Stadtteilgremien und ein von der Behörde in Auftrag gegebenes Gutachten – es empfahl dringend die Verhängung einer Sozialen Erhaltungsverordnung für ganz St. Georg – ohne Not verwarf. Durch die rechtzeitige Verhinderung solcher Verordnungen haben insbesondere die CDU und die SPD in den vergangenen zehn Jahren gerade dazu beigetragen, dass die innerstädtischen Quartiere mit Aufwertung und Verdrängung konfrontiert sind. Wer heute Kritik an dieser Entwicklung formuliert darf nicht verschweigen, dass sie durch eigene Fehlentscheidungen und eine insgesamt falsche Stadtentwicklungspolitik überhaupt erst zustande gekommen ist.

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