Schulreform: (Noch) kein Kompromiss

Puh – das hätte ins Auge gehen können. Die Senatsseite hat den Verhandlern der Scheuerl-Initiative heute im Rathaus weitreichende Kompromissvorschläge unterbreitet. Sie wurden aber abgelehnt – der Scheuerl-Ini geht es in Wahrheit nur um die Verhinderung längeren gemeinsamen Lernens.

Glück gehabt haben dabei vor allem die weiterführenden Schulen. Ein Teil des Kompromisses sollte aus Sicht der schwarzgrünen Koalition die erstmalige Einführung eines Elternwahlrechts am Ende der Klasse sechs sein: Sicher schlecht für die Gymnasien, die dann praktisch jedes Kind, gleich welchen Leistungsstands, in Klasse sechs aufnehmen müssten. Für eine derart heterogene Schülerschaft ist aber bis heute kaum ein Gymnasiallehrer ausgebildet – die Auslese, die jetzt spätestens zum Ende der Klasse sechs stattfindet, wäre in doie Klassen sieben und acht verlegt worden. Danach blieben dann noch ganze vier Jahre bis zur Abiturprüfung. Und die neuen Stadtteilschulen hätten zusätzlich die frustrierten Gymnasiums-Rückläufer integrieren müssen.

Der Kompromiss sollte aber noch weitergehen: Die Primarschule wollte die Koalition „entschleunigt“ einführen, also schrittweise und später. Damit hätte man dann die große Mehrheit der Hamburger Grundschulen, die sich mit Volldampf auf den Weg zur neuen Primarschule gemacht haben, ausgebremst.

Scheuerls Verhandlungsgruppe lehnte ab, der Volksentscheid im Sommer rückt damit näher. CDU, GAL und LINKE werden dabei das Schulgesetz verteidigen. Und die SPD wird Farbe bekennen müssen: Für ein „weiter so“ mit der Initiative, oder für dem Einstieg in längeres gemeinsames Lernen, wie es in ihrem Parteiprogramm steht.

Am kommenden Freitag soll noch einmal verhandelt werden. Bis dahin sind insbesondere die Befürworter der Reform gefordert, Flagge zu zeigen, damit die Verhandler von Senatsseite sehen, dass sie die Meinung der großen Mehrheit vertreten.

10 Gedanken zu „Schulreform: (Noch) kein Kompromiss“

  1. Nun Elternwille nach Klasse 6, das will Scheuerl in Wirklichkeit gar nicht. Oder warum wurde die Canel abserviert?
    Eine „entschleunigte“ Einführung hätte ich auch nicht gut gefunden.
    Nun bin ich auf die nächste Pokerrunde gespannt. Scheuerl will den Volksentscheid. Den soll er auch kriegen. Gewinnen wird er diesen aber nicht. Am Ende siegen die besseren Konzepte, an den schon seit mehreren Jahren alle Schulen arbeiten. Soll diese Arbeit für die (Advo)Katz sein?

  2. Da sieht man es wieder.
    Die WWL ist nur dagegen.
    Die WWL will sich nicht bewegen.
    Getreu der Parole: Es ist doch alles so schön und es soll alles beim Alten bleiben- also kein Elternwahlrecht nach Klasse 6, sondern nur ein Placebowahlrecht nach Klasse 4- die armen Menschen, die sich mit dem Argument „wir Eltern bestimmen die Schullaufbahn unserer Kinder“ haben einfangen lassen und ihre Unterschrift gegeben haben- die WWL Maske fällt allmählich- es ging nie um die Kinder oder das Wahlrecht für alle.

  3. Im Text heißt es:
    „Und die neuen Stadtteilschulen hätten zusätzlich die frustrierten Gymnasiums-Rückläufer integrieren müssen.“

    Das ist meines Wissen so nicht richtig, da die sog. Abschulung nicht mehr möglich sein soll, sprich die Gymnasien alle SchülerInnen bis zur 10. Klasse beschulen sollen.

    Daher ist das Elternwahlrecht auch für die Stadtteilschulen von Anfang an fatal – wählen nämlich eine große Zahl (bislang 50%) die Gymnasien an, die sich dann auch noch bemühen müssen, diese zu fördern etc. – bleibt für die Stadtteilschule nur noch ein begrenztes Potenzial übrig, so dass das Ziel Abitur an jeder Stadtteilschule in weite Ferne zu rücken droht.

    Man darf also nicht vergessen: Die Schulreform ist ein großes Ganzes – wenn man einen Baustein rausnimmt, hat das Folgen! Daher bitte nicht immer nur an die Primarschule denken – denn die Kinder sollen 10 Jahre zur Schule gehen!

    Grüße

    Thorsten

    PS: Mein Kompromissvorschlag: Eine Schule für alle!

  4. @ H.Heist –

    es geht eben ganz genau um das Wahlrecht für alle! Und das gibt es nicht, wenn die Primarschule verpflichtend eingeführt wird.
    Ein Elternwahlrecht nach Klasse 6 macht selbstverständlich überhaupt keinen Sinn… darum lautet das Mandat ja auch: Für Elternwahlrecht nach Klasse 4. Freiwillige Primarschulen? Warum nicht? Wenn das wirklich das überlegene Konzept ist, wird es sich sicher durchsetzen. Aber jetzt und als Zwang? Nein.
    Ist ja schön, dass die Medien alles auf „Kompromiss“ eingeschworen haben, aber wie soll der denn lauten? WWL ist für den gesamten Rest der Reform (Einführung Stadtteilschule z.B., RIESENBAUSTELLE, die völlig untergeht…) aber 184.000 HamburgerInnen haben unterschrieben: Gegen verpflichtende sechsjährige Primarschule und für Elternwahlrecht nach Klasse vier.
    Warum soll sich denn nun WWL bewegen? Der Ball liegt im Senatsfeld.
    Wohlgemerkt, ich wünsche mir eigentlich keinen Volksentscheid, um die Verunsicherung an den Schulen schnellstmöglich zu beenden. Aber wenne s nicht anders geht, dann machen wir ihn eben. Und gewinnen – aller statistischen Voraussicht nach. Es geht nur gegen zwei Punkte der Reform. Nicht gegen die gesamte Reform. Wo soll denn da ein ominöser Kompromiss sein?

  5. @Thorsten: Ja, stimmt, bisher steht im Gesetz, dass abschulen nicht geht. Aber ich gehe davon aus, dass man das dann wohl auch ändern würde, sonst hätte WWL ja ungewollt „Neun macht klug“ eingeführt…

    @Pompadour: Ja, freuen wir uns auf den Volksentscheid. Da wird man dann sehen, ob es über die angeblichen 184.000 hinaus weitere Unterstützer gibt, und vor allem auch, wer für die andere Seite stgimmt.

  6. Wenn es denn zum Volksentscheid kommt, brauchen
    wir klare Informationen, wie so etwas genau abläuft. Ist es nicht sogar vielleicht schlauer, zum Boykott des Volksentscheids aufzurufen ?
    Ich kenne mich da nicht aus und würde mich freuen, aufklärende Informationen zu erhalten, für den Fall, dass es einen gibt. Danke!
    Susanne Wedler

  7. @susanne:
    Boykott nützt dieses Mal nichts, im Gesetz steht:

    § 23 Ergebnis des Volksentscheids

    (1)Der Gesetzentwurf … ist durch Volksentscheid angenommen, wenn er … die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen und mindestens die Stimmen eines Fünftels der Wahlberechtigten erhalten hat.

    Es reicht also, wenn ein Fünftel der Wahlberechtigten für Scheuerl stgimmt und der Rest nicht mitmacht – dann hat Scheuerl gewonnen. Dann würden ihm knapp 250.000 Stimmen reichen, das ist nicht weit weg von 180.000 …..

  8. Erst haben sich alle lang gemacht, damit wir verbindliche Volksentscheide kriegen, jetzt schreiben die Zeitungen, ein Volksentscheid wäre schlecht, weil es Sieger und Besiegte gäbe, und also keinen „Schulfrieden“.

    Einerseits ist es ja ganz witzig, dass das Abendblatt nach 30 Jahren das Konsens-Prinzip antizipiert, andererseits ist es aber natürlich Quatsch: Eine Demokratie lebt von Mehrheitsentscheidungen, und wo es so erheblich unterschiedliche Interessen gibt, muss eben am Ende gezählt werden.

    Man kann für die Standesschule der letzten zwei Jahrhunderte stimmen, oder für einen demokratischen Neuanfang mit einem erheblichen Zuwachs an Chancengleichheit. Was ist dabei?

  9. Vorschlag zur Güte: Schickt Eure Kinder doch auf Schulen nach Eurem Geschmack, ob die nun Primarschule oder Stadtteilschule oder sonstwie heißen, aber lasst uns die Chance, unsere Kinder weiterhin auf bewährte Schulformen zu schicken, ab Klasse 4 auf das Gymnasium. Nur beschwert Euch hinterher nicht, wenn Eure Kinder in 20 Jahren sauer sind, weil unsere die guten Jobs kriegen!

  10. Ich lese immer wieder, dass 184.000 Hamburger gegen die Schulreform unterschrieben hätten. Das stimmt aber nicht. Sie haben dafür unterschrieben, dass es über gewisse Punkte der Schulreform ein Bürgerbegehren gibt. Nicht mehr, nicht weniger.

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