Bücherhalle dicht – von Beust soll helfen

„Hamburg. Deine Perlen.“ – so heißt das Rahmenprogramm zur integrierten Stadtteilentwicklung (immerhin 60 Mio Euro) im grammatisch zweifelhaften Werberdeutsch. Ziel des Programms soll unter anderem die Förderung der Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen sein. Den Menschen in Iserbrook und Rissen klingt das wie Hohn: Ihnen wird von Senatorin von Welck gerade die Bücherhalle geschlossen. Bisher 7.000 Menschen aus dem Hamburger Westen wollen sich wehren.

Die Iserbrooker Bürger haben eine Bürgerinitiative zum Erhalt der Bücherhalle Iserbrook gegründet, die mit großem Erfolg ein Bürgerbegehren im Bezirk Altona mit mehr als 7.000 Unterschriften erreicht hat. In einem „offenen Brief“ an den Bürgermeister werben sie für den Erhalt der Lesestube. Da er alle Argumente enthält, die aus Sicht der Bürger zu nennen sind, machen wir es uns ganz einfach: Hier ist der vollständige Brief!

Bürgerinitiative
Erhalt der Bücherhalle in lserbrook

Offener Brief an
Herrn
Ole von Beust
Erster Bürgermeister der FHH
Rathausmarkt 1

20095 Hamburg

Sehr geehrter Herr von Beust,

die Iserbrooker Bevölkerung ist über die beabsichtigte Schließung ihrer Bücherhalle zutiefst empört. Noch im Koalitionsvertrag zwischen CDU und GAL haben Sie unter Ziff. 2.2 vereinbart, dass das Netz der Bücherhallen entsprechend ihrer Bedeutung für alle Bürger leistungsfähig erhalten wird. In diesem Zusammenhang erinnern wir an die Aussage des Bundespräsidenten in seiner Rede anlässlich seines letzten Besuchs in der FHH „Lesen ist das Tor zur Bildung“. Doch die reale Bildungspolitik des Senats im Hamburger Westen widerspricht dem Koalitionsvertrag und dessen politischer Zielsetzung. Nachdem bereits die Bücherhallen in Nienstedten, Bahrenfeld und Lurup geschlossen worden sind und das Angebot der Osdorfer Bücherhalle erheblich reduziert wurde, steht nun das Aus für die Bücherhallen in Rissen und lserbrook bevor. Gerade die Bücherhallen in lserbrook und in der Holstenstraße waren im Jahr 2007 die einzigen Bücherhallen von 35 in Hamburg mit steigenden Besucherzahlen und Ausleihen. Auch im Jahr 2008 hat sich dieser positive Trend fortgesetzt.

Die lserbrooker Bevölkerung ist deshalb über die beabsichtigte Schließung ihrer Bücherhalle zutiefst empört. Einhellig über alle Parteigrenzen hinweg wird immer wieder auf die große Bedeutung der Bildung für unsere Gesellschaft und künftige Generationen hingewiesen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Pisa-Ergebnisse der Hamburger Schüler. Gleichwohl beschneiden Sie durch die Schließung der Bücherhalle in lserbrook insbeson¬dere den Schulkindern, aber auch anderen Gruppen jung wie alt den leichten Zugang zu Büchern aller Art, die Förderung von lnformations- und Medienkompetenz und damit die Unterstützung des individuellen Lernens. Sie dürfen sich deshalb nicht darüber beklagen, dass in der Bevölkerung die Unzufriedenheit über die Politik des Senats und die Politikverdrossenheit weiter zunehmen und leider immer weniger Bürger zu den Wahlen gehen.

Sehr geehrter Herr von Beust, der ohnehin strukturschwache Ortsteil lserbrook verliert durch die Schließung seiner Bücherhalle einen wichtigen, zentralen Anlaufpunkt der Bürger¬innen und Bürger. Um die Bücherhalle herum sind viele kleine Geschäfte angesiedelt, die von diesem Anlaufpunkt profitieren. Wir befürchten, dass es auch durch die Schließung der Bücherhalle zu Geschäftsaufgaben kommen wird.

Um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken, haben die Unterzeichner eine Bürger-initiative mit dem Ziel eines Bürgerbegehrens zum Erhalt der Bücherhalle in lserbrook gegründet. In wenigen Monaten haben weit mehr als 7.000 Altonaer Bürgerinnen und Bürger das Bürgerbegehren unterschrieben, damit ist die gesetzlich vorgeschriebene Unter¬stützung von mindestens 3 Prozent der stimmberechtigten Einwohner des Bezirks Altona erreicht. Wir sind uns deshalb sicher, dass ein positiver Bürgerentscheid zum Erhalt der Bücherhalle in lserbrook im Bezirk Altona zustande kommt.

Sehr geehrter Herr von Beust, wir schreiben diesen offenen Brief, weil wir neben dem Bürgerbegehren zusammen mit den Bürgervereinen Blankenese, Rissen und Sülldorf/lserbrook auch viele Gespräche in dieser Sache geführt haben. So z. B.

– mit dem Kulturausschuss der Bezirksversammlung Altona

– in der Bürgerfragestunde der Bezirksversammlung Altona

– mit der Direktorin der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen

– mit dem Bezirksamtsleiter des Bezirks Altona

– mit Vertretern der Kulturbehörde und

– mit kulturpolitischen Vertretern der Bürgerschaft.

Leider waren diese Gespräche bisher ohne Erfolg. Aber es ist schon erstaunlich, mit welcher Unkenntnis über unseren Stadtteil und mit welcher Arroganz und Selbstgefälligkeit man uns teilweise entgegengetreten ist.

Mit großem Interesse haben wir jetzt zur Kenntnis genommen, dass der Senat unter dem Titel „Hamburg. Deine Perlen“ ein Rahmenprogramm zur integrierten Stadtteilentwicklung in Höhe von 60 Mio € beschlossen hat. Ziel des Programms soll u. a. die Verbesserung der Lebensbedingungen durch eine soziale und materielle Stabilisierung sein. Geschehen soll dies insbesondere durch … die Förderung der Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, bessere Beschäftigungschancen und Stärkung der lokalen Wirtschaft. Die Schließung der Bücherhalle in lserbrook widerspricht völlig den Zielen dieses Programms und macht Ihre und die Politik des Senats unglaubwürdig. Deshalb und wegen unserer großen Sorge um unser lserbrook bitten wir Sie, Ihr politisches Versprechen für den Erhalt der Bücherhallen in der FHH einzulösen und dafür zu sorgen, dass die Bücherhalle in lserbrook nicht geschlossen wird.

Hochachtungsvoll
Die Bürgerinitiative

Abschrift
Zweite Bürgermeisterin
Frau Christa Goetsch

5 Gedanken zu „Bücherhalle dicht – von Beust soll helfen“

  1. Der offene Brief hat eine etwas eingeschränkte Sichtweise. Er erwähnt mit keinem Wort, dass in Blankenese eine neue große Bücherhalle eröffnet wird, die laut HÖB „die Versorgung der Region Blankenese, Iserbrook und Rissen übernimmt.“ (siehe http://www.buecherhallen.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaaanogs).

    Und mit dem Programm „Schulbibliotheken für alle Schulen“ zeigt der Senat, dass er natürlich längst erkannt hat, wie wichtig der „leichte Zugang zu Büchern aller Art“ für Schulkinder ist. (siehe http://www.hamburg.de/startseite-pressemitteilungen/1372142/2009-04-14-bsb-bksm-schulbibliotheken.html)

  2. Zum Kommentar von Michael: Meinen Sie denn, dass die betroffenen Nutzer aus den genannten Stadtteilen – gerade Kinder und ältere Mitbürger – den relativ weiten Weg zu einer Blankeneser „Zentralbibliothek“ auf sich nehmen können/müssten? Es wird sicher zu einem erheblichen Verlust an Lesewilligen führen. Außerdem ist die Bücherhalle Iserbrook eben ein zentraler Treffpunkt dieser strukturschwachen Region und damit auch wichtig für die dort angesiedelten Geschäfte und Unternehmen!

  3. Zum Kommentar von Michael: Meinen Sie denn, dass die betroffenen Nutzer aus den genannten Stadtteilen – gerade Kinder und ältere Mitbürger – den relativ weiten Weg zu einer Blankeneser “Zentralbibliothek” auf sich nehmen können/müssten? Es wird sicher zu einem erheblichen Verlust an Lesewilligen führen. Außerdem ist die Bücherhalle Iserbrook eben ein zentraler Treffpunkt dieser strukturschwachen Region und damit auch wichtig für die dort angesiedelten Geschäfte und Unternehmen!

  4. Der offene Brief deckt mit überzeugenden Argumenten einen bildungspolitischen Skandal in Hamburg auf. Er macht einmal mehr deutlich, dass die Politiker der CDU/GAL-Koalition in ihren „Sonntagsreden“ aus parteitaktischen Gründen oft den Kern der Probleme ansprechen, aber danach in der Umsetzung versagen. Es ist wirklich schlimm, dass der Hamburger Westen durch die vielen Schließungen von Bücherhallen hinsichtlich des öffentlichen Bildungsangebots langsam zu einer weißen Fläche der FHH verkommt. Milliarden werden der HSH Nordbank hinterher geworfen, hunderte von Millionen werden in das Prestigeobjekt Elbphilharmonie versenkt, aber für Bücherhallen in Stadtteilen mit einem hohen Migrantenanteil steht kein Geld zur Verfügung. Erneut eine große Sauerei, für die Frau von Welck und damit der Hamburger Senat verantwortlich ist.

  5. Zum Kommentar zu Michael:
    Die eingeschränkte Sichtweise kann ich nicht erkennen. Die Bücherhalle in Blankenese kommt nicht als neue Bücherhalle daher, sondern war bis zum anstehenden Verkauf des Katharinenhofes in Blankenese vorhanden. Außerdem ist schwer verständlich wenn gerade in einem strukturschwachen Stadtteil eine Bücherhalle geschlossen werden soll. Hier leben neben vielen älteren Bürgern auch viele alleinerziehende Mütter, die in Zukunft Fahrgeld oder Parkgeld für den Besuch der Bücherhalle in Blankenese aufbringen müssen.
    Außerdem sind Schulbibliotheken mit Sicherheit nicht das was Schüler sich gerade wünschen. Ältere Leute kann man mit Schulbibliotheken auch nicht gerade locken, zumal dann die Öffnungszeiten wohl noch eingeschränkter sind.

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