Am Kann-Kind scheiden sich die Geister

Noch einmal debattiert die Bürgerschaft heute über die Beitragsfreiheit im letzten Kita-Jahr vor der Einschulung. Sie gilt für fast alle Kinder – nur nicht für die, die erst nach dem 1. Juli sechs Jahre alt und trotzdem im August schon eingeschult werden. Allerdings auch nur dann, wenn sie vorher die Kita und nicht die Vorschule besucht haben. Die GAL nennt das „sinnvoll“, die SPD spricht von „Wortbruch“. Stephan Müller (CDU) hatte übrigens noch vor wenigen Monaten in der Bürgerschaft versprochen, die verunglückte Kann-Kinder-Regelung im Zuge der Schulgesetz-Novelle zu reparieren. Dazu kam es dann aber nicht.

GAL
Blömeke und Gwosdz: „Kann-Kind-Regelung ist sinnvoll“

Mit Blick auf die Bürgerschaftsdebatte zur beitragsfreien Kindertagesbetreuung äußerten sich Christiane Blömeke, die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, und der schulpolitische Sprecher der Fraktion, Michael Gwosdz:

„Eine zu frühe Einschulung ist für die Entwicklung der Kinder nicht förderlich. Aktuelle Studien belegen, dass sehr jung eingeschulte Kinder häufiger eine Klasse wiederholen und nach der Grundschule seltener aufs Gymnasium wechseln. Ihre Leistungen fallen hinter die älterer Mädchen und Jungen zurück. Außerdem werden sie öfter zu Opfern von Gewalt oder Mobbing.

Wir halten die bisherige Stichtags-Regelung deshalb für sinnvoll und wollen an ihr festhalten – zumindest solange es keine flexible Eingangsstufe gibt, die je nach Entwicklungsstand des Kindes individuelle Übergänge von der Kita in die Primarschule möglich macht.

Mit der Ausweitung der pauschalen Beitragsfreiheit für alle Kann-Kinder würden wir einen finanziellen Anreiz schaffen, Kinder immer früher einzuschulen. Das wäre das falsche Signal. Die Wirtschaftskrise und zurückgehende Steuereinnahmen lassen uns zudem nicht den Spielraum für zusätzliche Ausgaben.“

SPD
Kosten für Kinderbetreuung: Veit wirft CDU und GAL Wortbruch vor

Die SPD-Fraktion hat in der Bürgerschaft dafür geworben, die ungerechte Gebührenregelung für den Kita-Besuch der so genannten Kann-Kinder zu beseitigen. Mit ihrem entsprechenden Gesetzentwurf will die SPD-Fraktion erreichen, dass alle Kinder von der Beitragspflicht für das letzte Kita-Jahr befreit werden. Hintergrund: CDU und GAL haben vereinbart, dass Kinder, die bis zum ersten Juli sechs Jahre alt und im August eingeschult werden, ein Jahr beitragsfrei die Kita besuchen dürfen. Eltern von Kindern, die am 2. Juli oder später Geburtstag haben und ebenfalls im August eingeschult werden – so genannte „Kann-Kinder“ – müssen demgegenüber für das letzte Kita-Jahr ihrer Kinder zahlen.

„CDU und GAL haben Beitragsfreiheit für alle versprochen. Die bestehende Regelung benachteiligt aber willkürlich einen Teil der Kinder und deren Eltern“, sagte die SPD-Familienexpertin Carola Veit in der Debatte am Mittwoch. Die ungerechte schwarz-grüne Kann-Kinder-Regelung, vom Senat kurz vor der Sommerpause beschlossen, sorgen bei betroffenen Eltern jetzt für verständliche Empörung. „Sie haben mit dem Versprechen für beitragsfreie Kinderbetreuung ihr Wort gebrochen. Und die Empörung der Eltern über diesen Wortbruch wächst“, sagte Veit. Denn vielen Eltern sei erst jetzt klar geworden, „dass sie bis zu 2300 Euro zahlen müssen, weil ihr Kind ein paar Tage später geboren wurde, als das Nachbarskind, das aber genauso viele Jahre in die Kita geht. Wer am 2. Juli sechs Jahre alt wird, hat die Kita genauso lange besucht wie ein Kind, das am 1. Juli Geburtstag hat, wenn beide im August eingeschult werden. Es gibt kein Argument, die Eltern dieser Kinder ungleich zu behandeln“.

Für Kinder, die im letzten Jahr vor der Einschulung die Vorschule besuchen, gibt es die Unterscheidung in der CDU-GAL-Vereinbarung nicht. Veit: „Mit dem Hinweis des Senats, Eltern könnten ihre ‚Kann-Kinder‘ ja auf die Vorschule schicken, unterläuft der Senat die Wahlfreiheit der Eltern zwischen Kita und Vorschule.“ Der Senat wolle offenbar eine Lenkung mittels Gebührenpolitik weg von der Kita hin zur Schule. „Elternwille und Wahlfreiheit sind aber hohe Güter“, betonte Veit. Sie unterstrich, dass zurzeit 60 Prozent der Fünfjährigen den Kindergarten besuchten – „weil ihre Eltern sich dafür entschieden haben, zum Beispiel weil es in der Kita eine Ganztagsbetreuung gibt“. Weiter hätten die jetzt betroffenen Eltern keine Möglichkeit mehr, ihre Kinder auf die Vorschule umzumelden. Von Eltern zu verlangen, das Kind aus Kostengründen in die Vorschule zu schicken, wenn es in der Kita gut aufgehoben ist, sei ohnehin inakzeptabel.

Der jetzt von der SPD vorgelegte Gesetzentwurf soll diese Ungleichbehandlung beseitigen. Damit sollen auch die jährlich bis zu 2000 so genannten Kann-Kinder in Hamburg von der Beitragsfreiheit in den Kitas und bei der Tagespflege profitieren. Der Vorschlag sei gerecht und praktikabel, so Veit, und: „Er orientiert sich an sechs anderen Bundesländern, die mit sechs einschulen und auch die Kann-Kinder beitragsfrei stellen. Die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein verfahren genauso, und es gibt keine Umsetzungsprobleme. Wer sein Kind einschult, obwohl es nach dem Stichtag sechs wurde, bekommt einfach das Geld für das letzte Kita-Jahr erstattet.“

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